Anfang Februar einigten sich die fünf demokratischen Fraktionen im sächsischen Landtag auf die Formulierungen für eine mögliche Verfassungsänderung. Es geht im wesentlichen um eine Art "Schuldenbremse" als Abmilderung des von FDP und CDU favorisierten Neuverschuldungsverbotes. Seitdem geht der Änderungstext durch die Parteigremien. Auf ihrem kleinen Parteitag am Samstag, 23. Februar, in Weinböhla stieg die Linkspartei aus dem Prozess aus.

“Die gemeinsame Beratung von Landesvorstand, Landesrat, Kreisvorsitzenden und Fraktionsvorstand der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag empfiehlt den Mitgliedern der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, sich an der weiteren Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes zur Veränderung der Sächsischen Verfassung auf der Grundlage des Verhandlungsergebnisses vom 1. Februar 2012 nicht mehr zu beteiligen, da erhebliche Bedenken auf der Ebene des Parteivorstandes bzw. anderer Landesverbände der Linken und Teilen der sächsischen Linken hinsichtlich einer Zustimmung der sächsischen Landtagsfraktion zu einer sogenannten Schuldenbremse artikuliert worden sind, die nicht unberücksichtigt bleiben können”, heißt es im Beschlusstext.

Der Landesvorsitzende Rico Gebhardt sprach von “Drei Schritte vor, einen wieder zurück”. Für ihn war die Beteiligung an der Arbeitsgruppe zur Verfassungsänderung auch ein Schritt zu mehr Akzeptanz für die Linkspartei, heraus aus der Isolation. Der Kleine Parteitag würdigte auch das Ergebnis einer stärkeren sozialen Verankerung der “Schuldenbremse”, die die Linke in den Verhandlungen mit formuliert hatte. Aber die Grundbedenken zu so einem Instrument, das auch die Handlungsfreiheit des Sächsischen Landtages beschneidet, konnten nicht ausgeräumt werden.
“Die gemeinsame Beratung von Landesvorstand, Landesrat, Kreisvorsitzenden und Fraktionsvorstand der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag sieht das im Jahre 2009 mit dem Artikel 109 Abs. 3 in das Grundgesetz aufgenommene ‘Verbot der Kreditaufnahme zum Haushaltsausgleich’ (kurz Schuldenbremse) grundsätzlich als ein untaugliches Mittel an, um Gesellschaft und Politik im Interesse aller Menschen in Land und Bund zu gestalten”, heißt es dazu im Beschluss.

Pro Schuldenbremse: die FDP-Fraktion

Aus der FDP-Fraktion hingegen meldet Holger Zastrow, Vorsitzender der Fraktion: “Einstimmig hat die FDP-Fraktion heute dem Kompromiss zugestimmt, erfüllt er doch einen Herzenswunsch der Liberalen, für den wir bereits seit 2007 im Landtag kämpfen. Damals wurde unser entsprechender Gesetzentwurf (Drucksache 4/8110) noch vom Landtag abgelehnt – jetzt kommt das Neuverschuldungsverbot in einem Konsens der fünf Fraktionen. Dies ist eine Sternstunde des Parlaments: Parteiübergreifend tun wir das Richtige und das Notwendige für die Absicherung der soliden und nachhaltigen Finanzpolitik, die Sachsen seit über zwei Jahrzehnten auszeichnet.

Ich bin mir daher sicher, dass auch der FDP-Landesparteitag am 23. März dem Kompromiss seine Zustimmung geben wird. Ohne Abstriche haben wir im Landtag alle unsere Positionen in den Kompromiss einbringen können: ein klares Verbot neuer Schulden mit strengsten, fest definierten Ausnahmen und der hohen Hürde eines Parlamentsvorbehalt, ohne sachfremde Verfassungsänderungen. Dies zu erreichen war uns so wichtig, dass wir nötigenfalls bereits gewesen wären, für unser Ziel mit dem Mittel eines Volksentscheid zu kämpfen.”

Landesparteirat der Grünen stimmt zu – Landesparteitag im März

Der Landesparteirat von Bündnis 90 / Die Grünen Sachsen hat am Mittwochabend, 20. Februar, mit großer Mehrheit beschlossen, den Delegierten des Grünen-Parteitages im März einen Antrag zum Beschluss vorzulegen, der die Zustimmung zur im Landtag verhandelten Änderung der Sächsischen Verfassung empfiehlt. Der Landesparteirat ist ein 15-köpfiges politisches Führungsgremium des Grünen-Landesverbandes. Die Mitglieder sind Vertreter des Landesvorstandes, der Grünen-Abgeordneten in Bund und Land sowie der Kreisverbände.

Der Landesparteitag von Bündnis 90 / Die Grünen findet vom 8. bis 10. März in Chemnitz statt. Kann man gespannt sein, ob es die Basis der Grünen genauso sieht wie die Führungsgremien.

SPD lässt Mitglieder abstimmen

Völlig offen ist, wie sich die SPD entscheiden wird. Denn der Landesvorstand der SPD Sachsen hat auf seiner Sitzung am Freitag, 22. Februar, die Durchführung eines Mitgliederentscheides beschlossen. Mit 17 Ja-Stimmen und nur einer Gegenstimme sprach sich der Vorstand dafür aus, die Mitglieder zur Haltung der sächsischen SPD bei der geplanten Verfassungsänderung zu befragen. Der Mitgliederentscheid, der gleichzeitig der erste in der Geschichte der SPD Sachsen ist, soll bis zum 8. April abgeschlossen sein.

Für CDU-Fraktion ist alles ganz einfach

Dass die Linke der Verfassungsänderung nun nicht zustimmen wird, rief gleich mal die CDU auf den Plan, für die immer alles einfach ist. Am Sonntag, 24. Februar, meldete sich Steffen Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, zu Wort: “Die realpolitische Welt ist wieder hergestellt und die Linkspartei hat ihre Masken fallen gelassen. Die Entscheidung, das Schuldenverbot abzulehnen, zeigt, welch gespaltenes und unrealistisches Verhältnis die Partei zu Staatsfinanzen hat. Die Linkspartei ist noch meilenweit von einer verantwortungsvollen Realpolitik entfernt und fällt nach den durchaus verheißungsvollen Verhandlungen zum Schuldenverbot in den vergangenen Wochen, wieder zurück in die alten ideologischen Strickmuster. Einem Schritt vor, folgen nun wieder drei zurück”, erklärte er.

“Insgesamt bedauere ich, dass der Fraktionsvorsitzende der Linken Rico Gebhardt für seine zwischenzeitlich realistische Vorgehensweise in den eigenen Reihen keine Mehrheit gefunden hat und sich die linke Parteibasis in Sachsen von Berlin zu Marionetten degradieren und fernsteuern lässt. – Für das große Ziel, die solide Finanzpolitik in die Sächsische Verfassung aufzunehmen und auf eine Neuverschuldung zu verzichten, brauchen wir die Linken aber Gott sei Dank im Sächsischen Landtag nicht. Dennoch rechne ich mit der einen oder anderen Stimme auch aus der Linksfraktion. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich alle Landtagsabgeordneten der Partei von Berlin das Schuldenmachen in Sachsen vorschreiben lassen.”

Das sind viele schöne Worte. Aber eines kann man der Linkspartei 23 Jahre nach dem Ende der DDR nicht absprechen: Sie lässt innerparteiliche Diskussionen zu. Und so einhellig wie Flath es malt, ist das Bild nicht.

Grüne bedauern Ausstieg der Linken

Zum Ausstieg der Linken-Fraktion aus den Verfassungsverhandlungen nach dem Beschluss ihres Kleinen Parteitags erklärt Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag: “Ich bedauere den Ausstieg der Linken-Fraktion. Parlamentarische Demokratie lebt vom politischen Kompromiss verschiedener Interessen. Dieser Weg erfordert Mut, erlaubt aber Pluralität in der Gesellschaft und stärkt damit die Demokratie. – Die ausdrückliche Erwähnung des Sozialstaatsprinzips in der Verfassung gehört zu den Verhandlungsergebnissen, die von vier weiteren Fraktionsvorsitzenden unterschrieben wurden. Ich sehe keinen Grund, dies infrage zu stellen.”

Linke durchaus unterschiedlicher Meinung

Und so einhellig fiel die Entscheidung der Linken nicht aus. Schon in der Fraktionssitzung der Linken am Dienstag, 19. Februar, war die Stimmungslage durchaus gemischt. “Nach intensiver Diskussion nahm die Fraktion das von den Vorsitzenden der fünf demokratischen Fraktionen unterzeichnete Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis”, heißt es aus dieser Sitzung. Von 29 Abgeordneten waren 21 anwesend. Davon stimmten 14 mit “Ja”, fünf mit “Nein”, zwei haben sich enthalten. Doch einstimmig hat die Fraktion den Kleinen Parteitag gebeten, am kommenden Sonnabend ein empfehlendes Votum abzugeben.

Das war dann der 23. Februar. Und die Entscheidung war eher recht knapp. 26 Teilnehmer des Kleinen Parteitags votierten für die Ablehnung, 17 dagegen, acht enthielten sich der Stimme.

Vorhergegangen waren heftige Diskussionen zum Thema in der Partei Die Linke auf Bundesebene. Dass sich die sächsischen Genossen an den Verhandlungen zur Verfassungsänderung beteiligt hatten, wurde dort sehr kritisch diskutiert. Und so stellte denn auch Gebhardt fest: “Nun muss ich aber zur Kenntnis nehmen, dass sich Genossinnen und Genossen in der Bundespartei mit dem, was wir gerade in Sachsen tun, sehr schwer tun. Vielleicht auch, dass die Partei insgesamt noch nicht so weit ist wie wir in Sachsen. – Deshalb würde ich mich einerseits freuen, wenn ihr die Verhandlungsergebnisse zustimmend zur Kenntnis nehmt.”

Aber die Zustimmung konnte er den Genossen dann nicht empfehlen. So kam es dann zum ablehnenden Votum.

Zur Änderung der Sächsischen Verfassung braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit im Landtag. Im aktuellen Landtag haben CDU und FDP zusammen 72 von 132 Sitzen, was 54,5 Prozent entspricht. Um die Zweidrittel-Mehrheit zusammenzubekommen, braucht man die Stimmen von 88 Landtagsabgeordneten. SPD und Grüne bringen noch einmal 14 bzw. 9 Stimmen mit, was dann freilich erst 95 Stimmen ergibt. Auf die 8 Stimmen der NPD-Fraktion kann man eigentlich nicht rechnen. Die NPD bezeichnete die beabsichtigte “Schuldenbremse” schon als Farce, das von CDU und FDP betriebene “Schuldenverbot” als Heuchelei.

Auch deshalb reagierte Steffen Flath so schnell auf die Entscheidung des Linke-Parteitags. Denn mit dem Wegfall dieser 29 “Ja”-Stimmen wird es natürlich deutlich knapper. Und SPD und Grüne haben ihre Abstimmungen noch vor sich – Ausgang offen.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version stand fälschlicherweise, dass die benötigte Zweidrittel-Mehrheit im Landtag eigentlich nicht mehr gegeben sei nach der Entscheidung der Linken. Diese ist jedoch durch die anderen demokratischen Parteien sichergestellt, sollten die internen Abstimmungen ein Ja zur Schuldenbremse ergeben es bei der Abstimmung selbst im Landtag anschließend keine “Abweichler” geben.

Mitgliederentscheid der SPD

Die Entscheidung der Linken

Zur Sitzverteilung im Sächsischen Landtag
www.landtag.sachsen.de/de/abgeordnete_fraktionen/sitzordnung/index.aspx

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