Ein schöner Traum: Einfach aufs Land ziehen und sich darauf verlassen, dass das Internet auch dort funktioniert. Auch wenn es dort ein paar wichtige Infrastrukturen nicht (mehr) gibt. Zum Beispiel einen funktionierenden Dorfladen, in dem man alles bekommt, was man zum täglichen Leben braucht. Könnte man ja online bestellen. Gibt doch alles im Internet. Naja - nicht für alle und nicht überall, stellte nun die Verbraucherzentrale Sachsen in einem kleinen Test fest.

Mit dem Inkrafttreten der Lebensmittelinformationsverordnung erhalten Verbraucher im Onlinehandel vor dem Kauf zwar die gleichen Informationen über Lebensmittel, die sie auch auf verpackten Lebensmitteln vorfinden (Ausnahme Mindesthaltbarkeitsdatum). Damit wurde eine wesentliche Lücke bei der Verbraucherinformation geschlossen. Aber was nutzt es ihnen, wenn sie zum Beispiel in Cavertitz wohnen

Die Lebensmittelinformationsverordnung wurde am 25. Oktober 2011 als Verordnung EU Nr. 1169/2011 beschlossen. In der Bundesrepublik gilt sie offiziell seit dem 13. Dezember 2014.

Vor diesem Hintergrund ging die Verbraucherzentrale Sachsen in einem nicht repräsentativen Marktcheck der Frage nach, ob das Internet praktikable Möglichkeiten bietet, Lebensmittel des täglichen Bedarfes zu beziehen.

“Geprüft wurde diese Frage am Beispiel der ländlichen Gemeinde Cavertitz, da im ländlichen Bereich die Grundversorgung durch den stationären Handel rückläufig ist”, erklärt dazu Dr. Birgit Brendel, Verbraucherzentrale Sachsen. Untersucht wurden zwölf stichprobenartig ausgewählte Internetdienstleister, darunter Internetportale, Supermarktketten und Discounter. Ein mit fünf Grundnahrungsmitteln exemplarisch bestückter fiktiver Warenkorb (Äpfel, Möhren, Wurst und Brot) sollte erworben werden.
Cavertitz liegt in Nordsachsen. Bis nach Oschatz sind es 12 Kilometer Entfernung, nach Torgau 30. “In Cavertitz befinden sich, laut Internetrecherche, keine Supermärkte”, so die Verbrauchezentrale. “Die nächstgelegenen Einkaufsmöglichkeiten dieser Größenordnung sind in Strehla, Dahlen, Oschatz, Mühlberg (Elbe) und Riesa.” Aber Cavertitz ist noch glücklich dran: Ein paar Einzelhändler hat die Verbraucherzentrale noch gefunden: darunter auch Bäcker, Fleischer und Lebensmittelläden. Aber wer bei Cavertitz an ein schönes geschlossenes Dorf denkt, der hat die Gemeindegebietsreformen in Sachsen in den letzten 25 Jahren verpasst. Selbstständige Dörfer gibt es nicht mehr. In immer neuen Schüben wurden die Landgemeinden zu immer größeren (auch flächenmäßig immer zerstreuteren) Großgemeinden zusammengelegt. Cavertitz ist so ein Konstrukt aus ursprünglich mal zwölf einzelnen Gemeinden. Der letzte Gemeindezusammenschluss war 1994 – da entstand die heutige Verwaltungseinheit Cavertitz aus den Gemeinden Bucha, Cavertitz, Schirmenitz und Sörnewitz.

Das Ergebnis sind dann eben doch lange Wege zu Fleischer, Becker und Tante Emma. Die Verbraucherzentrale Sachsen dazu: “Cavertitz ist jedoch eine sehr weitläufige Gemeinde. Daher sind die Entfernungen zu den oben aufgeführten Händlern mitunter weit und liegen über der fußläufigen Distanz. Eine ‘fußläufige Nahversorgung’ liegt im Allgemeinen in einem Umkreis von 500 m – das bedeutet, der nächstgelegene Nahversorger befindet sich in einem Radius von 500 m. Diese Entfernung wird in dieser Gemeinde teilweise deutlich überschritten. Für bestimmte Siedlungsbereiche in Cavertitz ist nur eine begrenzte Nahversorgung gegeben. Die Gemeinde ist somit nur suboptimal versorgt. Diese großen Distanzen, sowohl zu den Supermärkten als auch zu den besagten Händlern, stellen besonders für den immobilen Anteil der Bevölkerung eine Herausforderung dar. Ein nur lückenhaft ausgebautes Netz des öffentlichen Personennahverkehrs erschwert den Zugang zusätzlich. Aus diesem Grund erlangen geeignete Alternativen immer mehr an Bedeutung.”

Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. Nur sieben der zwölf Anbieter beliefern grundsätzlich die Gemeinde Cavertitz. Fünf Anbieter beliefern sie nicht, da sie zwar über das Angebot des Warenkorbes verfügen aber nur ausgewählte (Groß-)Städte beliefern oder nicht das entsprechende Angebot an Lebensmitteln vorhalten. Unter den sieben Anbietern, die die Beispielgemeinde mit Lebensmitteln beliefern, ist der exemplarische Warenkorb nur bei drei Händlern erhältlich, die anderen vier Händler sind aufgrund ihres Sortimentes und Konzeptes nicht für die Grundversorgung geeignet.

“Das heißt in der Konsequenz, dass Verbraucher im ländlichen Raum einen hohen Rechercheraufwand treiben müssten, um überhaupt einen geeigneten Händler zu finden”, meint Brendel. Die Lieferfristen variieren zwischen einem und drei Tagen, und nicht immer ist die Vereinbarung eines konkreten Zeitfensters für die Anlieferung möglich. Dies ist derzeit ebenfalls wenig kundenfreundlich. Als Dienstleistung ist der Bezug von Lebensmitteln über den Onlinehandel deutlich teurer als ein Einkauf im Supermarkt, da neben den Warenkosten und den Lieferkosten, auch Kosten für das Frischhalten der Lebensmittel anfallen. Das Beispiel zeigt, dass der Kauf von Lebensmitteln des Grundbedarfs über Internetanbieter derzeit im ländlichen Raum keine gute Einkaufsalternative wäre.

Die Verbraucherzentrale Sachsen gibt am Ernährungstelefon Auskunft zu Lebensmitteln und Ernährung. Unter der Nummer (0180) 5-791352 (Festnetzpreis 0,14 Euro/Min.; Mobilfunkpreis maximal 0,42 Euro/Min.) werden jeweils montags und donnerstags von 10 bis 16 Uhr Fragen zu Lebensmitteln und zur Ernährung beantwortet.

Interessierte Verbraucher finden den Marktcheck auf der Homepage der Verbraucherzentrale Sachsen:
www.verbraucherzentrale-sachsen.de/marktcheck–lebensmittel-im-netz

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