Es wird noch eine Weile dauern, bis alles aufgeräumt ist, was der einstige Geschäftsführer der Leipziger Wasserwerke, Bernd Heininger, so alles angerührt hat. Eins seiner Geschäfte, das er im Jahr 2003 eingefädelt hat, wird jetzt mit einem Minus von 39 Millionen Euro für die Stadt Leipzig beendet. Das ist der Cross-Boarder-Leasing-Vertrag für das Leipziger Trinkwassernetz.

Vor über 10 Jahren galten diese CBL-Verträge als richtige Kassenfüller für deutsche Kommunen. Man verleaste einfach wichtige Teile der Infrastruktur an US-amerikanische Unternehmen, die das Leasing ihrerseits steuermindernd beim amerikanischen Fiskus geltend machen konnten. Die Ersparnis kam auch der Kommune oder dem Unternehmen zugute, das seine technische Struktur auf diese Weise für Jahrzehnte einfach mal vermietete. Aber das funktionierte nur so lange, wie die amerikanische Regierung dieses Steuerungsminderungsmodell mittrug und die Zinsen auf Geldanlagen hoch waren.

Doch noch vor der Finanzkrise warnte die sächsische Regierung vor diesen Geschäften und ihren Risiken. Und sie untersagte den Kommunen weitere Spielchen in dieser Dimension, denn bei Laufzeiten von bis zu 100 Jahren (wie beim Leipziger Trinkwassernetz) war nicht ansatzweise absehbar, wer am Ende tatsächlich einen Reibach machte – und wer tüchtig draufzahlte. Deswegen waren die Stadt Leipzig und ihr Kommunalkonzern LVV schon seit Jahren bemüht, die CBL-Verträge wieder aufzulösen. Im Fall des Trinkwassernetzes kam das Angebot des US-Telekommunikationskonzerns Verizon wohl gerade noch rechtzeitig, um noch Schlimmeres zu verhindern.

Für 96 Millionen US-Dollar bot der Konzern der Stadt Leipzig im Herbst 2015 an, das Trinkwassernetz zurückzukaufen und den Leasing-Vertrag aufzulösen. Das war im November und Dezember Thema mehrerer Stadtratssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Am Mittwoch, 20. Januar, gab Oberbürgermeister Burkhard Jung nun bekannt, dass man gleich nach dem Ratsbeschluss vom 16. Dezember tätig geworden ist und Verizon die Auflösung des Vertrages zu den angebotenen Konditionen mitgeteilt habe. Am 17. Dezember konnten sich alle Transaktionsparteien einigen. Am 18. Dezember trat die Vereinbarung in Kraft. Die Endabrechnung wird bis zum 30. Juni 2016 erfolgen.

Dabei zahlt die Stadt einerseits die 96 Millionen Dollar an Verizon, um den Vertrag nun deutlich vorzeitig aufzulösen. Denn die nächste Gelegenheit hätte sich laut Vertrag zum Termin 2033 ergeben – aber dafür hätte Leipzig dann schon 250 Millionen US-Dollar zahlen müssen. Um diese Summe anzusparen, hatte die Stadt Leipzig beim amerikanischen Versicherer MBIA Anleihen im Wert von 61 Millionen Dollar gekauft. Die sollten mit üppigen Zinsen bis 2033 die angedachte Summe von 250 Millionen erreichen. Aber nichts war’s: Die Finanzkrise hat auch hier zugeschlagen. Die Papiere sind nicht einmal mehr wert, was sie am Kauftag kosteten.

Also hat die Stadt diese Papiere jetzt verkauft und konnte noch froh sein, dafür 33 Millionen US-Dollar zu erzielen. Bei seinem kurzen Referat zu diesem Thema am 20. Januar im Stadtrat war Burkhard Jung sichtlich froh, dass man nicht gewartet hat. Denn mittlerweile sei MBIA von den Ratingagenturen noch weiter herabgestuft worden.

Nach Jungs überschlägiger Rechnung hat Leipzig mit diesem CBL-Geschäft am Ende 39 Millionen Euro Minus gemacht. Dieser Differenzbetrag bleibt übrig, wenn man auch die einstigen “Gewinne” aus dem Geschäft für die Stadt Leipzig abzieht: rund 15 Millionen Euro an Barwert, der seinerzeit floss, plus 6 Millionen Euro an Zinsen.

Jung dankte den Stadträten am Mittwoch, dass sie die Sache so unkompliziert unterstützt hätten. Nur so hätte man schnell reagieren können.

Jetzt gibt es noch einzelne CBL-Verträge für die technische Infrastruktur der Messe und zum Abwassernetz der Wasserwerke, die aber nicht als so riskant bewertet werden.

Die Erklärung von Burkhard Jung im Stadtrat am 20. Januar 2016 zum Nachhören

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Es gibt 11 Kommentare

Ich habe auch zu solchen Sachverhalten umfangreiche Kenntnisse. Diese Sachverhalte sind jedoch so komplex und kompliziert, dass es unmöglich ist hier leicht verständliche Darlegungen zu machen. Denken Sie bitte beispielsweise an Griechenland. Selbst sogenannte Experten schauen dort wie ein Schwein in das Uhrwerk. Bis heute. Man konnte Griechenland nie fallen lassen, weil dort hochgradige militärische Interessen der Nato und vorwiegend der USA die Hauptrolle spielen. Alles andere war ein riesiges Kasperletheater zur Beruhigung der Massen.
Frau Merkel hat bezüglich Griechenland überhaupt keine Rolle gespielt!

@Klaus – zu den Banken: Immerhin geben sie zu dass sie da wenig Ahnung haben. Chapeau. Viele labern einfach drauf los, damit irgendwas im Äther ist.

Europa steuert auf einen diktatorischen Zentralstaat hin. Da steht subsidiarität im Wege. Leider werden menschen, die sich ausschließlich für die Region (subsidiarität) einsetzen meist als weltfremd und nicht “weltoffen” bezeichnet. Viele Zeitschriften kommen da schnell mit der “Nazikeule”. Spätestens mit der willkürlichen Verteilung der Migranten auf die Gemeinden ist es vorbei mit der Subsidiarität.

Nichts für ungut Felix, nun habe Sie Themen / Probleme in einen Topf geworfen, die keine verzehrbare Suppe ergeben.

Nur wenige Bemerkungen:

Das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung ist im Grundgesetz festgeschrieben und gilt demnach für alle Bundesländer. Das hat mit “sich leisten können” absolut nichts zu tun. Kein Bundesland muss um Zuschüsse betteln. Es gibt einen Finanzausgleich zwischen “armen” (Nehmer-Länder) und “reichen” (Geber-Länder) Bundesländern, der gesetzlich geregelt ist und gegenwärtig neu verhandelt wird.

Subsidarität gibt es nicht nur auf dem Papier. Auch das ist ein Prinzip unserer Gesellschaft.

Sollten die Fragen zu den Banken / Bürgschaften an mich gerichtet sein, dann bedanke ich mich für ihr Vertrauen. Sehen Sie mir bitte nach, dass das meinen zeitlichen Aufwand für die Kommentare sprengen würde. Ich bin gegenwärtig bemüht, dass nächste Woche meine Folge über die Rechnungsprüfungsämter erscheinen kann. Erneut eine riesige Herausforderung für mich, da möglichst viele diese Darlegungen verstehen sollen.

– Die Kommunale Selbstverwaltung muss man sich leisten können. Funktioniert wahrscheinlich nur in Bayern und Basden-Württemberg. Andernorts muss man um Zuschüsse betteln. Subsidiarität gibt es meist nur auf dem Papier.

– Wenn wir doch in einem Freien Markt leben, warum ist dann
a) die HypoReal Estate und die Commerzbank vom Steuerzahler gerettet worden?
b) Warum bürgen europäische Staaten mit 700 Mrd. € im ESM für “gierige Bänker”

Was ist so schlimm an Geldgeschäften? Ohne Geld gäbe es keine Arbeitsteilung und somit auch kein Internet!

“Wir brauchen wieder freie Marktwirtschaft und Eigenverantwortung.”

Immer mit der Ruhe. Eines der höchsten Prinzipien der Bundesrepublik Deutschland ist die kommunale Selbstverwaltung. Damit ist ja eine enorme Eigenverantwortung verbunden. Noch mehr geht fast nicht.

Auch eine freie Marktwirtschaft, wie sie ja eigentlich existiert, die jedoch in Geiz und Gier abgeglitten ist, erlaubt Geldgeschäfte. Das Risiko muss jeder selbst einschätzen, auch wenn der Gesetzgeber z.B. bei Kommunen einen gesetzlichen Rahmen vorgiebt.

Die Stadt Leipzig kann halt nicht mit fremden Geld umgehen. Kann kein Mensch. Mit fremden Geld leidet immer Qualität und Risikoeinschätzung.

Wir brauchen wieder freie Marktwirtschaft und Eigenverantwortung.

Aber, aber Herr Freitag.
Das ist doch ein vollkommen anderer Sachverhalt.

Der Abschluss dieser Verträge, hat doch nichts mit den kriminellen Handlungen des Herrn Heininger zu tun.

Diese Verträge waren mit einen hohen Risiko verbunden. In ganz Deutschland wurde zu dieser Zeit von Verwaltungen vieler derartige Verträge abgeschlossen. Dabei gab es auch Fälle, die durchaus Gewinne gemacht haben. Ein viel zu kompliziertes Gebiet.

Gute Frage

Einfache Antwort: Keiner

Juristisch (wahrscheinlich) ohne jegliche Chance!

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