Buch für Buch knüpft der Buchverlag für die Frau nach 20 Jahren wieder dort an, wo er mit dem Verschwinden der DDR und ihrer bescheidenen Warenangebote einmal aufgehört hat. Die Warenknappheit ist längst wieder da. Jeder weiß es, der in all den geklonten Klamottenläden auf den Malls nach etwas Gescheitem zum Anziehen sucht. Entweder ist es so hässlich wie die aktuelle Mode. Oder es passt nicht. Oder es geht schon beim ersten Anziehen kaputt.

Hat ja alles mit dem zu tun, was die diversen Geschäftemacher so gern Globalisierung nennen. Aber der Frust muss ja nicht sein. Immer mehr Leute entdecken die alten Tugenden wieder für sich – nicht nur im ärmeren Osten, wo ein paar klügere Leute so langsam wieder zu begreifen beginnen, dass man mit allen Ressourcen sparsam umgehen muss. Wirklich mit allen. Unter anderem auch der Ressource Zeit. Das ist das, was einem allerlei Leute auch gern hinten und vorne abschneiden, stehlen, vollpacken mit – ja, Müll. Denn was es im Überfluss gibt, das ist Müll.

Wer also seinen Weihnachtszettel noch immer nicht geschrieben hat, weil er oder sie mittlerweile gewaltig Angst vor bunt eingewickeltem Müll hat, der darf das Wort Fernseher jetzt mit freudigem Behagen einfach wieder durchstreichen. Es gibt hundert schönere Arten, sich die Zeit zu füllen und dabei auch noch sinnliche Erfahrungen zu machen.
Stattdessen schreibt man einfach hin: eine große scharfe Stoffschere, eine kleine spitze Stickschere, feine Stahlstecknadeln, ein Maßband, ein kleines Set Handnähnadeln … oja: und von Oma die schöne alte Nähmaschine. Und dann kann’s eigentlich losgehen, eines der erfüllendsten Hobbys der Zeit: das Selbernähen. Nach Schnittmusterbogen oder eigenen Ideen, mit Phantasie, mit Gefühl für die eigenen Wünsche, mit Liebe zum Detail und mit einer Geduld, die es auch wieder zu lernen gilt. Denn der alte Spruch gilt längst wieder (auch wenn einem völlig überdrehte Narren jeden Tag das Gegenteil erzählen wollen): In der Ruhe liegt die Kraft. Oder in Omas Version: Geduld und Spucke (wenn der Faden nämlich nicht durchs Nadelöhr will.).

Dafür gehen einige Leute extra ins Kloster – wo sie dann, wenn das Kloster gut ist, auch nur wieder lernen, Dinge mit ihren eigenen Händen zu tun und dabei nicht mehr zu hetzen.

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Manche entdecken die eigenen Möglichkeiten, selbst etwas zu tun, früh. So wie die Berlinerin Constanze Derham, die das Nähen schon in der Schulzeit für sich entdeckt hat. In ihrem Blog schreibt sie über ihre Nähprojekte. Und sie ist mit dabei, wenn Treffen von Hobbyschneiderinnen organisiert werden.

In diesem Buch erklärt sie – alles mit schönen Detail-Fotos bebildert – was man zum Nähen alles wissen sollte als Grundlage, geht auch schon auf etwas schwierigere Dinge ein wie das Nähen von Ärmeln, Taschen, Reißverschlüssen. Sie geht auch auf die unterschiedlichen Materialien ein, auf Verstärkungen, Bünde und Säume – all die Dinge, die ein Kleidungsstück zu einer funktionierenden Konstruktion machen und trotzdem sehenswert und gut tragbar. Man ahnt dabei, was die vielen fleißigen Leute in Bangladesch und anderswo da täglich im Akkord leisten in den Fabriken, in denen sie für 30 Euro im Monat schuften. Die Arbeitswelt ist völlig aus dem Lot geraten. Und bei den Preisen im Kleiderdiscounter bekommt man zwangsläufig ein falsches Bild davon, wie viel Arbeit tatsächlich in einem ordentlichen Kleidungsstück steckt.

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ABC der Handarbeiten:
Nähen

Constanze Derham, Buchverlag für die Frau 2012, 9,90 Euro

Wer sich also längst ernsthaft Gedanken macht darüber, wie die Zeit, die andere einem gern klauen wollen, sinnvoll und mit Erfolgserlebnis am Ende erfüllt werden könnte, der hätte hier ein Ratgeberbuch mit einem guten Vorschlag. Und wenn Oma ihre Nähmaschine schon verschenkt hat, stehen auch ein paar Tipps drin, worauf man beim Kauf einer eigenen achten sollte. Dann braucht man eigentlich nur noch einen gut ausgestatteten Stoffhändler in der Nähe, und es kann losgehen.

http://nahtzugabe.blogspot.de

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