Mit Krimis ist das so eine Sache. Es kann passieren, dass sie auf die Zeit passen wie die Faust aufs Auge. Auch wenn das von Ria Klug mit "Lausige Mauscheleien" gar nicht so beabsichtigt war. Der Organspendeskandal, in dem auch das Uniklinikum Leipzig eine Rolle spielt, ist ja noch frisch. Und um dubiose Machenschaften um Spenderorgane ging es ja auch schon im ersten Nel-Arta-Krimi "Kleine Betriebsstörung".

Nel, die eigentlich als Cornelius aufwuchs, fühlt sich im falschen Körper, würde gern das Geschlecht wechseln. Doch so einfach ist das auch in Deutschland nicht. Erst recht nicht, wenn man nicht viel Geld in der Tasche hat und die Krankenkasse den Geschlechtswechsel nicht bezahlt. Ihr erster Krimi führte sie deshalb nach Brasilien, wo sie nicht nur haarscharf einer Tragödie entging, sondern auch den Leser erstmals in eine atemlose Handlung zog, bei der der brave Mensch daheim im Sessel nur den Kopf schütteln konnte – denn Nel ließ wirklich keine Gelegenheit aus, die Menschen in ihrer Umgebung zu frustrieren und die eh schon komplizierten Situationen, in denen sie landete, auch noch zusätzlich zu verschlimmern.

Was zwar nicht an Nel liegt, aber sie tut fortan alles, um wieder einmal mitten in sich überschlagende Ereignisse zu geraten, bei denen sie mehrmals überfallen wird, ihr Handy und ihr Laptop geraubt werden, ihre Mutter (die bislang nichts von ihrem Geschlechterwandel wissen wollte) unvermutet in Berlin auftaucht, eine alte Freundschaft mit einem ihr wichtigen Anwalt in die Binsen geht, ihre Wohnung abgefackelt wird und das Büro eines jungen, sorgenbelasteten Firmeninhabers in die Luft fliegt, ein vermisster Assistenzarzt aus dem Fluss geborgen wird und die Berliner Kripo allerorten immer wieder auf Nel Arta stößt. Die man sowieso schon wegen diverser Vorfälle auf dem Kieker hat. Und die dann mit seltsamen Videoclips auch noch im Internet auftaucht.

Wobei – das muss gesagt sein – logisch strenge Leser, die an Sherlock Holmes geschult sind, natürlich aus dem Kopfschütteln nicht herauskommen. Denn Nel hat auch ein erstaunliches Talent, das Offensichtliche zu übersehen und garantiert immer das Falsche zu tun. Dass sie dabei trotzdem immer an die “Richtigen” gerät, sorgt dafür, dass gar nicht erst jene schwere Stimmung aufkommen kann, die zum Beispiel skandinavische Krimis so schwermütig und fesselnd macht. Nel hat gar keine Lust, über das, was ihr zustößt, auch nur fünf Minuten mal nachzudenken.

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Meistens kommt sie auch gar nicht dazu, weil sie ihre Verabredungen just immer dort zu treffen scheint, wo auch die finstere Mischpoke aus der Dunant-Chefetage ihre Treffen arrangiert, um sich wie in ganz, ganz klassischen Krimis zu allerlei neuen Untaten zu verabreden. Zu denen dann Mord und Erpressung genauso gehören wie das Ausnutzen all der Möglichkeiten des deutschen Beschäftigungsrechtes, das Personl der Klinik, aus der man ja gern Renditen schinden will, outzusourcen und wegzumobben. Wer mit illegal geschleusten Organen Reibach machen will, der kann auch ein Klinikum mit perfiden Methoden zu Grunde wirtschaften.

Eigentlich Motive für zehn Krimis, die eine eh schon frustrierte Nel, die gar nicht mehr zum Duschen und Umziehen kommt, völlig überfordern. Aber sie hält tapfer durch und bekommt – obwohl sie sich wahrhaft nicht liebenswert benimmt – immer wieder Hilfe. Landet auch immer wieder mal mit diversen Mitspielerinnen im Bett. Ein Krimi für anständige und zartbesaitete LeserInnen ist das wirklich nicht. Und dass ihre finsteren Schatten aus Brasilien wieder auftauchen, macht die Sache nicht leichter. Was dann die nächste Dimension ins Spiel bringt, die so gern besungene Globalisierung, die natürlich auch alle Arten von Verbrechen globalisiert hat.

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Lausige Mauscheleien
Ria Klug, fhl Verlag Leipzig 2013, 12,00 Euro

Man wünscht sich fast, dass hier jetzt ein paar von den grimmigen Burschen aus den Krimis von Mankell oder Svedelid auftauchen. Wenn das in weiteren Nel-Arta-Krimis so weitergeht, wird sie es brauchen. Denn Ärger mit der Kripo hat sie längst genug. Und die Klapsmühle, die ihr droht, ist ja bekanntlich auch in privater Hand. Wer noch immer keine Angst vor der in Deutschland grassierenden Privatisierungswelle hat, der kann sie mit Nel Arta bekommen.

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