Die Ausstellung "Helden nach Maß", die derzeit in Stadtgeschichtlichen Museum zu sehen ist, beschäftigt sich nicht nur mit der Entstehung teils sehr fragwürdiger Heldenbilder während der sogenannten Befreiungskriege und in der Zeit der nationalen Identitätsfindung in Deutschland, auch die "Heldinnen" kommen beiläufig drin vor. Noch etwas zugespitzter in ihrer mythischen Verklärung: "Heldenjungfrauen".

Ein wesentliches Verdienst hat die Ausstellung: Sie zeigt, wie sehr die meisten aller deutschen Mythen, die heute zur Vorstellung der einigen deutschen Nation gehören, in der Zeit der antinapoleonischen Kriege ihre Wurzeln haben – vom krudesten Nationalismus über all die missbrauchbaren Begrifflichkeiten um das Wort “Volk” bis hin zu Heldentum und Opferbereitschaft, die sich in – destillierter Form – auch im Völkerschlachtdenkmal wiederfinden. Alles Dinge, die man gern ausblendet, wenn man die schmuck uniformierten Gefechtsdarsteller in Reih und Glied über Markkleeberger Stoppelfelder und Wiesen ziehen sieht und zum Finale – völlig ahistorisch – ein Blücher ausgerechnet Napoleon die Hand reicht.
Es gibt Dinge, die bleiben auch dann, wenn sie gut gemeint sind, grundfalsch. Auch weil sie mit einer oberflächlichen Geste darüber hinwegtäuschen, wie viel von dem, was da 1813 gekocht wurde, heute noch brodelt und wabert an Ressentiments und Diskriminierungen. Auch und gerade gegen Frauen. 1813 war ganz bestimmt kein Jahr, in dem die Herrscher der deutschen Zwergfürstentümer Frauen zu den Waffen gerufen hätten. Trotzdem gibt es eine Liste von 30 deutschen Frauen, die sich dennoch als Männer verkleideten oder in anderer Weise direkt ins Kampfgeschehen eingriffen. Claudia Forner erzählt in diesem Büchlein die Geschichte von sechs dieser Frauen und einer russischen Adligen, die mit den Kosaken in den Krieg zog, darunter auch von Eleonore Prochaska, die als einzige auch an den Gefechtsverletzungen aus einem Gefecht der Lützower mit den Franzosen starb. Sie ist das Muster der alsbald folgenden Glorifizierung jener Frauen, die sich an den Befreiungskriegen beteiligt hatten. Dass man dabei auf das Urbild der Helden(jung)frau zurückgriff, liegt nahe: Auch der deutsche Nationalismus mit all seinen Legenden ist eine Bühnendekoration.

Dazu musste keine der beteiligten Frauen wirklich Jungfrau sein, aber es machte sich so schön in der Verklärung. So ganz nebenbei schwingt dabei auch ein bisschen mythisches Sendungsbewusstsein und eine religiöse Überhöhung mit. Was dann die Tatsache, dass sich Frauen getrieben fühlten, sich ins Kriegsgetümmel zu stürzen, so schön ins Überirdische abschob. Es sollte und es durfte keine Konsequenzen für das zu restaurierende Weltbild haben, das Frauen zuallererst als treusorgende Hausfrau sah, vielleicht auch noch als billige Arbeitskraft. Die politisch aktive Rolle blieb den Männern vorbehalten – eigentlich bis heute. Mit allen kriegerischen und zerstörerischen Tendenzen.

Die heutigen Machtapparate sind nach wie vor Apparate nach männlichem Muster – von einer waffenstarrenden Interventionsarmee bis hin zu aufgeblasenen Geheimdiensten, deren Generäle Weltverschwörungen herbeifabulieren, wenn ihre seltsamen Machenschaften ans Licht kommen. Es geht nicht um Sicherheit – es geht um Dominanz, Vorherrschaft, Bevormundung, Gängelei. Es sind menschliche Freiheiten, die hier mit männlicher Arroganz vom Tisch gefegt werden.

Das hat sehr viel mit diesem Bild der “Heldenjungfrau” zu tun, das da ab 1813 kurzzeitig gepflegt wurde, weil man den tapferen Frauen, die da teilweise ganzen männlichen Korps den Hintern retteten, nicht gut den Mut absprechen konnte, den sie bewiesen hatten. Manchmal auch im Widerspruch zu den Männern, die sie begleiteten, denn wirklich freiwillig zogen Tausende dieser rekrutierten Männer nicht unbedingt ins Gemetzel. Auf beiden Seiten nicht. Vielen wird sehr wohl klar gewesen sein, dass sie hier nicht für schöne Worte wie Freiheit und Selbstbestimmung in den Krieg zogen. Dafür stand kein einziger der Fürsten, die sich in der Allianz gegen Napoleon zusammengetan hatten. Und so passt es natürlich wieder: Die Mär von den Befreiungskriegen gehört aufs Engste mit den Märchen von Helden und Heldenjungfrauen zusammen. Die einen wurden übrigens genauso schlecht belohnt wie die anderen. Ein Eisernes Kreuz – das war’s dann in der Regel.

Wer sich als Heldin zu lange den strengen Augen der Befehlshaber aussetzte, musste ziemlich bald mit Ungnade rechnen. Ihr altes Weltbild wäre das Letzte gewesen, was die deutschen Fürsten zu opfern bereit waren. Das Ergebnis ist bekannt: Eine Zeit, in der die Geheimdienste und die Zensur Konjunktur erlebten und die Wiederherstellung der alten Zustände verklärt wurde als Biedermeier. Die Einzige, die nach diesem Krieg wirklich ihre Vorstellung von einem selbstbestimmten Leben verwirklichen konnte, war ausgerechnet die russische Adlige Nadeshda Durowa, aber auch das nur, weil sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügte.

Bestellen Sie dieses Buch versandkostenfrei im Online-Shop – gern auch als Geschenk verpackt.

Heldenjungfrauen 1813 – 1815
Claudia Forner, Buchverlag für die Frau 2013, 5,00 Euro

Die deutschen Heldinnen landeten in der Regel in der Vergessenheit, einige auch in tiefster Armut. Eine versuchte mit Unternehmergeist ihr Glück: Louise Grafemus, die später das legendäre Gasthaus “Roter Zucchini” in St. Petersburg betrieb. Claudia Forners kleine Würdigung der “Heldenjungfrauen” ist im Grunde der Versuch, die Schicksale der so mythisch verklärten Frauen aus den wenigen überlieferten Zeugnissen zu rekonstruieren. Die Legenden haben sich bis heute erhalten, mit all ihrem falschen Glorienschein. Dafür verschwand das wirkliche Schicksal der Frauen, die 1813 bis 1815 so viel Mut bewiesen, fast völlig im Dunkel der Geschichte, die immer nur neue Helden und Heldinnen zu brauchen schien. Meist nur zur vorübergehenden medialen Verwertung. Aber auch das ist bis heute so geblieben.

Wobei natürlich auch der Fokus “Heldenjungfrauen” ein dramatisch eingeengter ist, denn über die Tausende von Frauen und Mädchen, die namenlos in das Kriegsgeschehen verwickelt waren, gibt es natürlich keine Heldengeschichten – mal abgesehen von Büchern, wie sie Susan Hastings oder Sabine Ebert geschrieben haben. Sie wurden auch 1813 als Helferinnen gebraucht in den Lazaretten, als Wäscherinnen, Marketenderinnen, Näherinnen, Köchinnen, Mägde. Sie brauchten keine Uniform anzuziehen, um das ganze Drama mitzuerleben. Nur war das den Legendenerzählern nie eine Zeile wert, die bis heute glauben, zum Einander-Totschießen brauche man Mut.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar