Wie die Zeiten sich ändern! Früher konnte die Sahnetorte gar nicht groß genug sein, um die Partygäste zu begeistern und der gestrengen Schwiegermutter ein verkniffenes Lächeln abzugewinnen. Aber irgendwie haben auch die Heimbäckerinnen und -bäcker nun langsam die Nase voll von diesem Fresswahnsinn aus Zeiten, als eine fette Torte auch vom Ende der Hungerjahre erzählte. Mini wird auch beim Backwerk zum Trend.

Vielleicht sogar nicht nur in Europa. Denn einige der Zwergbackwerke, die Carola Ruff in diesem Büchlein versammelt hat, stammen aus dem Land der XXL-Burger und Family-Packs, den USA. Muffins, Cupcakes und Donuts sind schon seit geraumer Zeit in hiesigen Backsortimenten angekommen und haben sich ihr Plätzchen auf diversen Festen und Partys erobert. Nicht nur, weil sie so griffig sind und besser zu halten als etwa eine füllige Sachertorte, sondern auch weil sie recht einfach zuzubereiten sind. Variabel sind sie außerdem. Jedes dieser Backwerke hat mittlerweile eigene Bachbuch-Welten. Carola Ruff wählt natürlich nur einige besondere Rezepte aus. Sonst hätten ja all die anderen Kleinbackwerke aus aller Welt, die jetzt “Trendgebäck” sind, nicht mehr ins Buch gepasst.

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Wahrscheinlich ist in Deutschland nichts so international und weltoffen wie die Küche. Hier darf hinein, was auf der Dorfstraße noch mit Misstrauen beschaut wird. Vielleicht, weil Backwerk eine Sprache spricht, die nicht übersetzt werden muss. Etliches ist schon länger in heimischen Rezeptbüchern zu Hause. Wie der berühmte Keks, den die Firma Bahlsen einst in Deutschland heimisch machte. Ursprünglich hieß ja das Ding ganz simpel auf Englisch “Cakes”.

Aber auch die Cookies sind schon da, die Brownies sind vor einigen Jahren eingetroffen – und Carola Ruff verrät, dass es mittlerweile auch Blondies und Greenies gibt. Whoopie-Pies sind auch nicht mehr so ganz unbekannt. Und wer in der Großstadt lebt, kennt mittlerweile auch Bagels – Kleingebäck muss ja nicht immer süß sein. Und wenn das jetzt alles nach englischer und amerikanischer Kleinbackkunst aussieht, liegt das natürlich ein wenig an der Auswahl und der Quelle dieses neuen Partytrends. Auch im XXL-Land sehnen sich einige Leute augenscheinlich wieder nach überschaubaren Portionen.Was dann auch Backwerk eine kleine Renaissance verschafft, das fast schon aus den Auslagen der Bäckereien verschwunden war: den Amerikanern, die ursprünglich mal Ammonikaner hießen. Aber wie klingt dann das? Und wenn man schon mal beim Schrumpfen ist, dann kann man auch Omas geliebten Guglhupf schrumpfen – zum Mini-Gugl. Was kein Problem ist, denn auch Mini-Gugl-Förmchen aus Silikon gibt es mittlerweile, wahlweise ersetzbar – Größe ist alles – durch Pralinenförmchen. Der Kuchen ist auf dem direkten Weg ins magenverträgliche Pralinenzeitalter. Man schlemmt nicht mehr, man genießt.

Was dann auch zwei ganz verrückte Kuchenvarianten ins Buch bringt: Cake Pops (also quasi: Küchlein am Stiel) und Push Up Cake Pops (Kuchen aus der Eistüte).

Was die Möglichkeiten der Mini-Kuchenwelt noch lange nicht ausreizt. Denn es gibt ja auch uralte Trends, die einstmals nicht aus Amerika zu uns kamen, sondern aus jener geheimnisvollen Ferne, die mal Orient hieß. Im Buch vertreten mit dem türkischen Sesamkringel Simit oder dem griechischen Koulourákia. Nicht zu vergessen zwei Nationen, die mit ihrer Minibackkunst immer wieder für Überraschungen sorgen – die Franzosen etwa mit ihren Macarons oder die Schotten mit ihrem Shortbread.

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Schnell vernascht: Trendgebäck
Carola Ruff, Buchverlag für die Frau 2013, 5,00 Euro

Der Großteil dieses Büchleins sind nichts als Rezepte und Bilder. Wer also diverse kleine Teerunden oder Geburtstagspläusche plant, kann sich bedienen und losbacken. Die Zutaten sind alle leicht erhältlich, die einschlägigen Förmchen und Gefäße bietet der Fachhandel. Was dann auch eine Idee für die kommende Adventszeit ist, wenn man nach Jahrzehnten der schweren Gebäcke einfach mal was Anderes haben will als Lebku… Nö, das schreiben wir jetzt nicht aus. Schlimm genug, dass die Rituale jedes Jahr genauso kaloriengeladen sind und sich an dieser öffentlichen Völlerei einfach nichts ändern will.

Die Zukunftsfreuden haben alle Mini-Format. Die Zeiten des organisierten Größenwahns dürfen ruhig zu Ende gehen.

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