Nein. Irgendwie passt es nicht. Englisch passt nicht zu Barock. Anders als Italienisch oder Französisch. Aber seinen Stadtführer "Dresden an einem Tag" hat der Lehmstedt Verlag jetzt erst einmal auf Englisch herausgebracht. Das deutschsprachige Original von Doris Mundus stammt aus dem Jahr 2011, ins Englische transformiert hat es Jutta Rosen-Schinz.

Und gerade bei Dresden fällt es auf, dass Englisch eine Sprache ohne Bombast Schnörkel und Majestät ist. Praktisch und zielorientiert und stellenweise auch von trockener Wucht. Da merkt man dann in der Übersetzung sogar, dass selbst das Deutsche noch einen feudaleren Klang hat. Aus dem Fürstenzug wird eine “Procession of Princess”. Aus dem Dresdner Residenzschloss ein Royal Palace. Natürlich sind viele der englischen Begriffe, die sich um Königshaus und Buckingham drehen, in den letzten Jahrzehnten durch die Yellow Press aufgeladen worden. Aber welche Welten sich da auftun, merkt man, wenn man im Stallhof (“Stable Yard”) versucht, so einen Begriff wie “Royal Palace” zu denken. Geht nicht, funktioniert einfach nicht. Das Residenzschloss ist glanzvolle, beeindruckende Renaissance, da und dort könnte man an Italien denken. Ein Begriff wie Palazzo ginge noch. Aber Palace?

Selbst in der Sprache wird deutlich, wie sehr sich Königsgeschichten voneinander unterscheiden können. Von der Knappheit des Textes ganz abgesehen. Da lässt sich doch im Englischen noch was Extra unterbringen. Eine komplette “Giant’s Hall” zum Beispiel. Und größere Fotos hier und da auch. Nur der Goldene Reiter bleibt hübsch klein. Dafür erfährt der Leser, dass touristisches Marketing in Englisch ganz anders klingt als in Deutsch.”Das vergoldete Reiterstandbild Augusts des Starken … ist ein Wahrzeichen der ehemaligen Residenzstadt und das bekannteste Denkmal der sächsischen Landeshauptstadt”, heißt es im deutschen Stadtführer. Auf Englisch nun: “The golden equestrian statue of Augustus the Strong is a landmark of the former royal city and the most famous monument of the Saxon capital.”

Dazwischen liegen Welten, wenn man sich das nur vorstellt: sächsische Landeshauptstadt gegen Saxon Capital. August der Starke gegen Augustus the Strong! Was ja klingt, als würde hier tatsächlich ein beliebter König gegen einen Kraftprotz vom Jahrmarkt antreten.

Aber wie groß die Dissonanz wird, merkt man dann beim barockesten aller Dresdner Teile, beim Pöppelmannschen Zwinger, dieser Orgie in architektonischer Schwelgerei, die auf Englisch zu einer Art Stadionbau wird: “Construction began with the Orangery in 1709 on the former tournament arena in front of the palace …” Arme Engländer.

Sie haben einfach nie einen Barock erlebt und waren ja bekanntlich im frühen 18. Jahrhundert, als sich die Ludwige und Auguste auf dem Festland ihre Schlösser und Sanssoucis bauen ließen, mit anderen Dingen beschäftigt, Geldverdienen zum Beispiel. Der englische Barock fiel einfach aus. Und damit natürlich auch der komplette Barock in allen englischsprachigen Ländern. All diese Canaletto-Vivaldi-Stimmungen, die einen in Dresden sofort anfallen, wenn man diese Stadtkomposition bei Sonnenschein erlebt. Dieses Pompöse, das trotzdem da steht, als wäre es ganz selbstverständlich. Und das kann die englische Sprache nur schwer abbilden. Es klingt geradezu nüchtern-erfreut, wenn Doris Mundus schreibt: “das Nymphenbad 1711, der Wallpavillon, ein Meisterwerk barocker Baukunst mit dem Herkules, der die Weltkugel trägt”.

Und wie klingt das auf Englisch? – “the Nymph’s Bath in 1711, the Wall Pavilion, a masterpiece of Baroque architecture with Hercules shouldering the universe”.

Die Engländer haben mächtig zu schleppen an ihrer Sprache. Aber jeder, der sie benutzt, fühlt sich natürlich sofort erhöht und mit Bedeutung aufgeladen. Vielleicht ist es nicht einmal die Praktikabilität dieser Sprache, die sie so erfolgreich macht, sondern ihre eingebaute Kraftmeierei.

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Dresden in one day
Doris Mundus, Lehmstedt Verlag 2014, 4,95 Euro

Natürlich bietet der frisch aufgelegte Stadtführer in Englisch auch ein paar Neuigkeiten, die 2011 noch nicht verfügbar waren. So im Mathematisch-Physikalischen Salon die Informationen zu ein paar archäologischen Funden von 2013. “Dresden in one day” eröffnet also die schöne Möglichkeit, die barocke Stadt einmal durch die (Sprach-)Brille eines reisenden Engländers zu betrachten, und zum Staunen bis zum Schluss, wenn aus der “Gläsernen Manufaktur” eine “Transparent Factory” wird und aus “Pfunds Molkerei” (was ja schon richtig pfundig klingt) eine “Pfunds Creamery”, was dann eher an moderne Joghurt-Werbung erinnert. Was einem dann wieder klar macht, wie sehr einem die moderne Werbung versucht, mit Anglizismen lauter lighte und freshe und fruity Produkte anzudrehen.

Dresden ist, wie man hier lesen kann, nichts von alledem, sondern in ernsthafter Weise sehr schön barock. Und auf keinen Fall mit London zu verwechseln.

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