In der Ratsversammlung am 17. oder vielleicht auch am 18. Dezember wird sich der Leipziger Stadtrat mit der Anpassung der KdU-Richtlinie ab 2026 befassen. Eine Anpassung der Werte für die Kosten der Unterkunft ist hinsichtlich stetig steigender Preise für Strom, Heizung etc. sowie der aktuellen Wohnungsknappheit dringend notwendig. Nur liegen die von der Stadt berechneten neuen Werte noch immer unter den Werten, die tatsächlich gezahlt werden müssten, damit die Betroffenen nicht auch noch aus ihrem Geld zum Lebensunterhalt draufzahlen müssen.
Die Fraktion Die Linke im Stadtrat zu Leipzig hat deshalb einen Änderungsantrag zur Vorlage der Verwaltung geschrieben, auch wenn sich der Oberbürgermeister die neuen KdU-Richtwerte nicht vom Stadtrat bestätigen lassen muss, die Vorlage also nur eine Informationsvorlage ist.
Aber dahinter lauern eine Menge ungelöster Probleme – angefangen von einem Wohnungsmarkt, der gar nicht mehr genügend Wohnungen im „angemessenen“ Segment bereithält, Betroffene also kaum noch umziehen können, wenn das Jobcenter oder das Sozialamt finden, die Wohnung, in der sie leben, sei zu teuer. Bis hin zur Tatsache, dass die Wohnkosten bei immer mehr Beziehern nicht mehr in voller Höhe anerkannt werden, weil sie den Angemessenheitsrahmen sprengen. Sie zahlen die höheren Wohnkosten dann also aus ihrem eh schon kläglichen Bürgergeld oder der Grundsicherung, also aus einem Betrag, der eh schon geradeso zur Lebenserhaltung reicht.
In der Wohnkostenlücke
Zuletzt hatte der Stadtrat in 2021 einen Linken-Antrag beschlossen, welcher die Überarbeitung des Konzepts zur Herleitung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung forderte.
Zu der Vorlage zur Anpassung der Richtwerte für Leistungsberechtigte hat die Linksfraktion einen Änderungsantrag eingereicht, der vor allem den Oberbürgermeister auffordert, aktiv zu werden, dass die Kosten der Unterkunft wieder menschenwürdig werden und nicht die eh schon Bedürftigen auch noch aus dem Lebensunterhalt draufzahlen müssen.

Dr. Volker Külow, Sprecher für Gesundheit, Soziales und Senior*innen der Linksfraktion, hat dazu auch durch beharrliche Nachfragen einige grundlegene Zahlen gesammelt. Denn längst steigen in Leipzig wieder die Zahlen der Haushalte, die in Armut leben. Und jene, die von Jobcenter und Sozialamt die Kosten der Unterkunft gewährt bekommen, rutschen immer öfter in die Wohnkostenlücke.
„Die Zahl derjenigen Haushalte, in denen zwischen den anerkannten KdU und den tatsächlich an den Vermieter geschuldeten Kosten für Miete und Heizung/Warmwasser inkl. Betriebskosten eine Lücke besteht, wächst beständig“, stellt Külow fest. „Bestand im Jahr 2022 unter den 30.550 beim Jobcenter gezählten Bedarfsgemeinschaften (BG) bei 3.536 eine Wohnkostenlücke, so stieg diese Zahl bis zum Jahr 2025 auf 4.135 an. Das ergab eine Anfrage unserer Fraktion. Hinzu kommen die Betroffenen, die beim Sozialamt registriert sind.“
Auch der Anstieg der Wohnkostenlücke ist immens, muss Külow registrieren: „Im Durchschnitt zahlten die vom Jobcenter erfassten BG in 2025 monatlich 132,20 Euro drauf. Diese Differenz müssen die Betroffenen aus den Leistungen zum Lebensunterhalt – also aus dem Regelbedarf – bezahlen. Geld, was an anderer Stelle deutlich fehlt, wodurch der Weg in die Verschuldung geebnet wird.“
Wenn Wohnungen im KdU-Segment fehlen
Das Problem, ist aber: Trotz Aufforderung durchs Jobcenter, die Betroffenen sollten sich jetzt doch einmal um eine Mietminderung bemühen, haben diese dafür in der Regel überhaupt keine Spielräume. Mal von der Scherz-Aufforderung abgesehen, sie möchten mit dem Vermieter um eine Mietminderung verhandeln, gibt es in Leipzig überhaupt nicht die notwendige Zahl von Wohnungen im KdU-Segment, dass die Betroffenen einfach umziehen könnten.
Sie sind also doppelt in der Klemme. Da könne es nicht sein, dass die Behörden dann einfach die Wohnkostenlücke nicht übernehmen, sondern die eh schon Bedürftigen auch noch zum Hungern verdonnern. Denn das heißt es ja am Ende, wenn Wohnkosten von 130 Euro und in vielen Fällen noch darüber im Monat aus dem Lebenserhaltungssatz bestritten werden sollen.
„Ebenfalls durch Anfragen unserer Fraktion wurde deutlich, dass der Anteil verfügbarer Wohnungen im angemessenen Segment in Leipzig verschwindend gering ist“, benennt Enrico Stange das Problem. „Im Erhebungszeitraum 2025 standen 1.089 Wohnungen zu angemessenen Kosten zur Verfügung. Dem gegenüber standen 4.693 bedürftige Haushalte, die mehr Miete bezahlten, als die ihnen zugestandenen KdU. Hinzu kommt, dass die Betroffenen in Konkurrenz mit Wohnungssuchenden höherer Einkommensgruppen stehen.“
Und um die Wohnungen im KdU-Segment rangeln sich ja nicht nur Rentner und Bürgergeldbezieher. Auf diese Wohnungen sind auch tausende ganz „normale“ Leipziger angewiesen, die zu den üblichen schlechten Löhnen arbeiten müssen. Denn ganz offiziell liegen 26 Prozent aller Leipziger Haushalte unter der bundesweit ermittelten Armutsgrenze. Sie sind arm, auch wenn sie nicht beim Jobcenter auf der Matte stehen. Und sie sind auf Wohnungen im niedrigen Preissegment angewiesen.
Was es dann Bürgergeldbeziehern noch schwerer macht, eine solche Wohnung zu bekommen, wenn das Jobcenter sie zur Mietminderung auffordert.
„Wenn eine Versorgung am Wohnungsmarkt also nicht mehr gesichert ist, muss auf der Ebene der täglichen Praxis gehandelt werden“, findet Enrico Stange. „Solange Betroffene keine reale Chance haben, eine günstigere Wohnung zu finden und dadurch ihre Kosten zu senken, sollten das Jobcenter und das Sozialamt angehalten werden, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen.“
Ein Auftrag an den OBM
Weshalb die Linksfraktion in ihrem Antrag u.a. fordert: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit dem Jobcenter dahin gehend Gespräche zu führen, dass bis zur ausreichenden Verfügbarkeit angemessenen Wohnraums und der damit erst möglichen Versorgung der von Mietsenkungsaufforderungen bzw. per Leistungsbescheid von abgesenkten Kosten der Unterkunft betroffenen Bedarfsgemeinschaften unangemessene Unterkunftskosten für einen längeren Zeitraum anerkannt werden.“
Und da das auch in der Bundesgesetzgebung verankert werden muss, beantragt die Fraktion auch: „Der OBM wird beauftragt, sich auch in seiner Funktion als Präsident des Deutschen Städtetages im Zuge der Novellierung des SGB II gegenüber der Bundesregierung und der Sächsischen Staatsregierung dafür einsetzen, dass die gesetzlichen Regelungen eine den realen Verhältnissen entsprechende Vorgehensweise in Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten im angemessenen Segment erleichtern. Die Mitglieder der Ratsversammlung, die zugleich dem Deutschen Bundestage oder dem Sächsischen Landtage angehören, sind dazu ebenfalls aufgerufen.“
Das dürfte in der aktuellen Bundesdiskussion um das Bürgergeld zumindest die Perspektive verschieben und deutlicher machen, dass nicht die 1 Prozent Menschen das Problem sind, die im Bürgergeld sanktioniert werden, sondern dass die rasanten Mietpreissteigerungen in allen Großstädten inzwischen dafür sorgen, dass die eh schon Bedürftigen mit nicht gewährten Wohnkosten noch ärmer gemacht werden. Und das betrifft besonders Bedarfsgemeinschaften mit Kindern, wo die Wohnkostenlücke in Leipzig inzwischen 165 Euro im Monat beträgt, und Alleinerziehende, wo es 151 Euro sind. Hier werden also gerade Kinder noch extra bestraft, wenn ihre Eltern beim Jobcenter um Unterstützung fragen müssen.
Die ganz offensichtlich noch immer zu niedrigen KdU-Sätze, die die Stadt jetzt ansetzt, könne man mit dem eigenen Instrumentarium nicht infrage stellen, erklärt Stange. Aber wenn die Bedarfsgemeinschaften schlicht keine Wohnung im KdU-Segment in Leipzig finden können, sei es einfach rücksichtslos, sie dann einfach auf der Wohnkostenlücke sitzen zu lasen. Was letztlich einer realen Kürzung des Bürgergelds gleich kommt.
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