Wissen ist Macht. Das sagt man ja so gern, weil es so flott von den Lippen geht. Und dann lässt man sich wieder für dumm verkaufen. Etwa beim Essen. Unwissen wird zur Ohnmacht. So hatte es auch Francis Bacon gemeint, als er diesen Grundspruch der europäischen Aufklärung 1597 prägte: Nam et ipsa scientia potestas est. - Und das trifft natürlich auch auf Kräuter und Unkräuter zu. Dies hier ist nicht das erste Büchlein aus dem Buchverlag für die Frau zum Thema.

Schon mehrfach haben sich Carola Ruff und ihre Kolleginnen und Kollegen dem gewidmet, was auch in Sachsen auf freier Flur wächst und gedeiht. Mit Betonung auf freier Flur. Denn so frei wie zu der Zeit, als die Urbewohner der Region (Sächsisches Landesamt für Archäologie: “Alle Sachsen sind Kleingärtner.”) alles ernten und essen konnten, was vor ihrer Tür wuchs, sind die heutigen Sachsen nicht mehr. Und so schickt Carola Ruff die berechtigte Warnung vorweg: Was an Straßenrändern, auf Hundewiesen oder neben industriell beackerten Feldern und Plantagen wächst – Finger weg. Stehen lassen. Hier sammelt sich das Gift.

Man muss schon ein bisschen ins Grüne, um die in diesem Band versammelten Kräuter aus freier Wildbahn zu sammeln – wenn man nicht gar schon seinen Garten selbst zum Tummelplatz dieser Kräuter gemacht hat, die früher selbst Bauerngärten zierten. Manche zieren auch heute wieder Vorgärten – nur wissen die Gartengestalter oft nicht, dass die Pflanzen genießbar sind. Wir haben uns sehr weit vom Kräuterwissen unserer Vorfahren entfernt. Das Bändchen ist nun eine kleine Fortsetzung des Buches “Essen von der Wiese”. Es versammelt einige Pflanzen in sich, die schon durch ihren Namen Eindruck machen: Blutweiderich, Ferkelkraut, Guter Heinrich, Mädesüß, Pfennigkraut, sogar Schafgarbe und Waldmeister.

Im Eingangskapitel “Zurück zur Natur” erklärt Carola Ruff ihre Mission, die natürlich eine Aufforderung ist: Auf ins Grüne! Wieder lernen, was da wächst und gedeiht und was man alles essen kann. Und wann man ernten sollte und wie. Was unsere Vorfahren nicht wussten, aber wohl ahnten, wenn sie einige der Kräuter bewusst bei allerlei Leiden und Verstimmungen einsetzten, sind natürlich die Inhaltsstoffe – mal wichtige Vitamine, mal Gerbstoffe, Bitterstoffe oder wichtige Mineralstoffe, Flavoide, Saponine oder Oxalsäure. Weil “alle Sachsen Kleingärtner” waren, haben sie diese Vielfalt in der Vegetationsperiode ganz natürlich mitbekommen. Das mit dem Haltbarmachen kam ja erst später, musste ja erst mal erfunden werden – vom Einwecken, Likörmachen und Gelieren bis hin zum Kühlschrank. Man muss also nicht alles gleich auffuttern, sondern kann auch Vorräte anlegen: Pesto, Essig, Kräutersalz, Marmelade, Senf, Likör usw.

Die Hinweise dazu gibt es ab Seite 52, nachdem Carola Ruff 12 Kräuter (plus X) vorgestellt hat mit Bild, Beschreibung, Erntezeit, Verwendung und Heilkraft. Man kann das Büchlein auch ganz einfach nutzen zum Kennenlernen der vorgestellten Kandidaten. Das beeindruckt immer, wenn man mit der Verwandtschaft vom Dorf mal durch die Landschaft spaziert und wie beiläufig hinsagen kann: “Schon mal Rainkohl probiert? Schmeckt lecker.” Muss man zwar beim Rainkohl ein bisschen aufpassen. Aber das lernt man ja so im Vorübergehen.

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Noch mehr Essen von der Wiese
Carola Ruff, Buchverlag für die Frau 2014, 5,00 Euro

Ab Seite 66 gibt es wieder allerlei Rezepte, was man mit den Funden von der Wiese alles anfangen kann. Von den einfachen Sachen wie Kräuter-Frischkäse über Schafgarbebrot und Gänsefuß-Pastetchen bis hin zu Wilden Ravioli und Knöterichgelee. Wahrscheinlich geht man nach dieser Lektüre ganz anders über Wiesen, statt mit romantischen mit hungrigen Augen. Wo steht denn nun diese verflixte Knoblauchrauke? Und wo hat sich der Waldziest versteckt? – “Wir könnten uns auch Pizza bestellen, Liebling”, darf man dann nicht sagen. Sonst wird Liebling sauer. Denn die glücklichsten Momente sind die mit der selbstgemachten Pizza mit selbsterjagten Kräutern drauf. Wenn nur das Fünfblättrige Gänsekraut nicht so scheu wäre. – “Still! Ich habe eins entdeckt!”

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