Die Pubertät ist ein schreckliches Zeitalter. Ein schrecklich kompliziertes. Für die Betroffenen genauso wie für ihre Mitmenschen, die das alles aushalten müssen, und oft auch noch ganz schön lange. Bei Manchen geht das schon mit acht, neun Jahren los, dass die Hormone verrückt spielen und der Körper sich verändert und alles, wirklich alles, schrecklich kompliziert wird. Ein Hilfsangebot in 101 Fragen, Bildern, Antworten.

Katharina von der Gathen ist eine, die sich mit dem Thema professionell beschäftigt. Sie bietet Aufklärungs-Workshops in Schulen an, die augenscheinlich auch eifrig angenommen werden. Ihr Vorteil ist natürlich: Sie muss keine Noten verteilen. Sie kann sich ganz den Fragen und Unsicherheiten der Kinder widmen. Die viel früher auftauchen, als der Stoff sein verklemmtes Plätzchen im Rahmen des Biologie-Unterrichts hat. In der Grundschule nämlich. Kinder sind ja nicht doof. Kinder sind neugierig, machen Entdeckungen, werden on- und offline mit dem Thema Sexualität schon früh konfrontiert. Nicht immer sind Eltern auch schon so weit, den Knirpsen das alles erklären zu wollen oder zu können, was da passiert, wenn sich der Körper auf die Paarungszeit vorbereitet und auch noch die Stimmungen und Launen verändert.

Hunderte Fragen hat Katharina von der Gathen aus ihren Workshops in Grundschulen gesammelt, alle so frank und frei, dass es eine Freude ist und dass man sich Papa und Mama schon richtig vorstellen kann, wie sie am Abendbrottisch mit so einer Frage konfrontiert werden und erst mal baff sind. Da reagiere mal einer. Katharina von der Gathen hat die Kinder ihre Fragen auf kleine Zettel schreiben lassen, bei manchen braucht man einen Übersetzer, da hat die moderne Rechtschreibmethodik im Deutschunterricht so richtig zugeschlagen. Aber der Sinn der Fragen ist deutlich.

Zu jeder Frage hat von der Gathen eine einfache und klare Antwort formuliert, die einerseits auf den Erfahrungshorizont der Kinder eingeht, andererseits auch keine Scheu hat, auch all die verrückten Dinge zu benennen, die Menschen miteinander anstellen, wenn es um Sex geht. Wobei sie da und dort auch die Leitplanken einzieht, die die Erwachsenen oft gern vergessen, wenn sie über Sex reden: Dass es gerade bei diesen intimen Begegnungen auf Respekt ankommt und dass niemand auch hier einem Anderen aufzwingen darf, was sie oder er selbst nicht mag. Übrigens auch dieses Thema direkt von den Kindern benannt, die ja schon im Schulalltag mit diesen Erscheinungen konfrontiert sind – manchmal sind es ja tatsächlich nur Hilflosigkeiten, weil Jungen und Mädchen mit dem jeweils anderen Geschlecht (noch) nicht wissen umzugehen. Auf einmal gibt es ja Themen wie Scham, Verletzlichkeit, Stolz und die so verflixt wichtige Frage: Was sollen denn die Anderen davon denken?Aber irgendwann werden aus Unbeholfenheiten echte Grenzverletzungen. Spätestens dann ist ein deutliches Nein angebracht. Und das ist auch die Stelle, an der man endgültig weiß: Dieser schöne Ratgeber in Tischkalenderformat ist überfällig in einer Gesellschaft, in der die Grenzen des Respekts und der Privatsphäre zu verschwimmen drohen. Denn wenn Menschen nicht lernen, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen und ihnen auch Raum zu verschaffen, dann funktionieren Liebe, Sex und Partnerschaft nicht. Dann werden Menschen nicht Handelnde im wichtigsten und aufregendsten Bereich ihres Lebens, sondern zu Opfern.

Und in einer Gesellschaft, die derart vollgesogen ist mit falschen Bildern von Sex und Liebe, muss das, was wir so landläufig “Aufklärung” nennen, eben beginnen, wenn die Neugier der Kinder erwacht. Nicht erst, wenn sie schon mitten im Dilemma stecken. Da hat der Klett Kinderbuchverlag wieder einmal den Nerv der Zeit getroffen und dieser Ratgeber wird vielen Eltern und ihren Kindern helfen. Gerade weil die Antworten kurz, klar und einfach sind. Unterstützt durch die liebevollen Bilder, die Anke Kuhl dazu gezeichnet hat, in denen sie sich auf witzige Art mit den angesprochenen Themen beschäftigt. Bei Frage 52 zum Beispiel – “Warum stöhnen alle beim Sex?” – sieht man Papa am Frühstückstisch den Mund nicht wieder zu bekommen, während Mama versonnen lächelt und Sohnemann frech fragt: “Hattet ihr heute Nacht Alpträume?”

Manchmal denkt man ja, zu Sex und Liebe und Pubertät gibt es eigentlich nicht allzu viele Fragen, das muss sich irgendwann ja wiederholen. Tut es aber nicht wirklich. Denn wenn man sich – wie Kinder eben – erst einmal mit der Sache beschäftigt, dann kommen einem eine Menge Dinge komisch und damit fragenswürdig vor. Als Erwachsener erinnert man sich dann ziemlich schnell daran, dass man dieselben Fragen ja auch mal hatte. Aber hat man sie auch ausgesprochen? Wen hätte man da eigentlich gefragt? Und manche Fragen sind ja wichtig, weil die ganze Familie mitfühlt und mitleidet – gerade dann, wenn Mama wieder ein Baby bekommt.

Ein bisschen geordnet ist das innerhalb der 101 Fragen schon, aber nicht so penibel, wie es etwa im Lexikon wäre. Man kann sich also von vorn nach hinten durchblättern, kann sich aber auch gleich zum augenblicklich interessierenden Thema durchwühlen. Wichtig sind sie am Ende alle. Selbst die erste, die scheinbar so banal klingt: “Was ist am Körper so wichtig?” – Eigentlich die zentrale Frage in der Pubertät, in der sich der Körper so rasant verändert – und nicht immer so, wie man sich das als Kind so vorgestellt hat. Auf einmal beschäftigt man sich ja auch mit all den wilden Schönheitsidealen ringsum. Und das Schreckliche ist: Der eigene Körper entspricht diesen Idealen fast nie. Noch so ein Grund, früh zu lernen, dass nicht die Ansprüche und Ideale der Anderen wichtig sind, sondern die eigenen Wünsche und Gefühle.

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Klär mich auf
Katharina von der Gathen, Klett Kinderbuch 2014, 14,95 Euro

Unübersehbar ein echtes Nachschlag-Werk für die spannendsten Jahre, die Jugendliche und ihre Eltern miteinander verbringen. Auch ein echter Beitrag zur Entspannung von zugespitzten Familiensituationen. Manchmal hilft es ja auch Eltern, ihre verspannte Rolle aufzugeben und die kleinen Heranwachsenden als selbstbewusste Geschöpfe wahrzunehmen, die eigentlich schon genug mit den Kapriolen ihrer Hormone zu tun haben, und trotzdem eine Menge offener Fragen haben, auf die sie eine Antwort verdienen. Da lernt man dann auch als geplagtes Elterntier noch Einiges dabei. Und wenn man was nicht weiß, kann man hinten im Fragenteil nachschauen, ob Katharina von der Gathen auch dafür eine Antwort aufgeschrieben hat. Das Meiste steht drin in diesem Aufklärungsbuch, das diesmal nicht versteckt werden muss hinter der Prachtausgabe des Großen Brockhaus.

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