Es scheint ein wenig wie das Wettrennen darum, wer das tollste Forschungszentrum hat. Und wenn es um ein großes Ziel geht, schließen sich oft auch die zusammen, die sonst nicht so richtig miteinander können. Gemeint sind Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die heute gemeinsam mit einem Auftaktsymposium das siebente Forschungszentrum der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur "Integrativen Biodiversitätsforschung" eröffneten. Allerdings in Leipzig. Weil, irgendwo musste es ja hin.

Für die Anstrengung, mit dem Ziel des gemeinsamen Erfolges gab es übrigens Lob von prominenter Seite. Kein Geringerer als Klaus Töpfer, ehemaliger Umweltminister und globaler Vorkämpfer für die Natur lobte das eifersuchtsfreie Engagement der drei Länder: “Wenn schon die Grenzen zwischen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen überwunden werden, dann werden sie das auch international überwunden werden.”

Natürlich ist da ein kleines Augenzwinkern dabei. Aber im Grunde hat der engagierte Verfechter von Umweltthemen recht. Denn das Zentrum hat als übergeordnetes Ziel die Erforschung und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Visier. Und da gilt es schließlich zusammenzuhalten, und zwar im globalen Sinne. Kurzer Rückblick: Die Universitäten Halle-Wittenberg, Jena und Leipzig bewarben sich im Oktober 2010 gemeinsam als Standort für ein DFG-Forschungszentrum und wurden unter elf Bewerbungen neben den Universitäten Berlin, Göttingen und Oldenburg von der DFG als möglicher Standort für ein Forschungszentrum ausgewählt.

In der Sitzung des DFG-Hauptausschusses im April 2012 war am Ende das Konsortium aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen als Standort des siebten DFG-Forschungszentrums siegreich. Der zentrale Standort der Einrichtung mit dem Namen “German Centre of Integrative Biodiversity Research – iDiv” war: Leipzig. Die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sabine von Schorlemer, sagte in ihrem Grußwort: “iDiv ist strukturell ‘Vielfalt’ pur. Denn iDiv bündelt die Forschungsaktivitäten von nicht weniger als drei renommierten Universitäten und acht bedeutenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen, darunter mit einem besonders gewichtigen Beitrag das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. Und das mehrere deutsche Länder übergreifend. Die strukturelle Vielfalt von iDiv ist außerordentlich hoch und bisher beispiellos.”

Die Förderung des neuen Forschungszentrums wurde zunächst auf vier Jahre festgesetzt. In diesem Zeitraum wird iDiv mit einer Summe von rund 33 Millionen Euro unterstützt. Das Forschungszentrum stellt vier Leitfragen in den Mittelpunkt seiner Arbeit: Wie lässt sich Biodiversität, also Artenvielfalt, erfassen? Wie entsteht und erhält sie sich? Was übrigens immer noch eines der großen Rätsel der Naturwissenschaften darstellt. Was weitere Fragen provoziert, wie: Welchen Einfluss hat sie auf das Funktionieren von Ökosystemen? Wie kann sie geschützt werden?Durch die fünf Forschungsfelder Biodiversitätstheorie, Interaktionsökologie, Evolution und Adaption, Biodiversitätsschutz und Biodiversitätssynthese soll die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht werden. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen der Biodiversitätsforschung soll durch ein Synthesezentrum gefördert werden und dem gesamten Gebiet zu einer kreativen Weiterentwicklung verhelfen. Die am iDiv beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen aus der Biologie, Chemie, den Geo- und Wirtschaftswissenschaften, der Informatik und der Physik. Auch die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist ein wesentliches Anliegen des iDiv. Aus diesem Grund ist ein integriertes Graduiertenkolleg Bestandteil des Forschungszentrums.

Nun stellt sich natürlich die Frage, was ist Biodiversität? Kurz gesagt ist es die Kurzform von “biologischer Vielfalt”. Viele Menschen verbinden damit spontan die Vielfalt biologischer Arten, aber das ist nur ein Gesichtspunkt. Biodiversität beinhaltet beispielsweise auch die genetische Vielfalt von Individuen innerhalb von Arten, sowie die Vielfalt von Eigenschaften und Funktionen von Individuen und Arten. Individuen unterscheiden sich nicht nur durch ihren genetischen Code, und Arten unterscheiden sich nicht nur durch ihren Namen, sondern auch durch eine Vielzahl von Eigenschaften, wie beispielsweise ihre Größe, ihre Farbe, ihre Fortbewegungsweise, ihre chemischen Inhaltsstoffe und viele andere Eigenschaften. Es geht also vor allem darum, wie diese Arten in Beziehung zueinander stehen und dafür sorgen, dass das Große und Ganze miteinander funktioniert und letztendlich dafür der Beweis ist, das tatsächlich alles mit allem zusammenhängt.

Das Ausmaß der Biodiversität auf unserem Planeten Erde ist nur unzureichend erfasst. Wir kennen etwa 1,3 Millionen Arten. Hochrechnungen gehen davon aus, dass unser Planet aber mindestens zehnmal so viele Arten beherbergt. Das sollte also Motivation sein, sich noch an den Rest zu machen, um diesen auch zu erhalten. In dem morgendlichen Festakt zur feierlichen Eröffnung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig sprach dessen Direktor Prof. Dr. Christian Wirth, Professor für Spezielle Botanik und funktionelle Biodiversität an der Universität Leipzig, von einem “erschreckenden Ausmaß” menschlicher Ignoranz in Bezug auf die rapide schwindende Artenvielfalt. “In den nächsten 200 Jahren könnten wir die Hälfte unserer Arten verlieren.”

Deshalb wolle iDiv diese berechtigten Sorgen in die Gesellschaft tragen. Die Festrede zum offiziellen iDiv-Start hielt der eingangs erwähnte Prof. Dr. Klaus Töpfer, zur Zeit im Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) in Potsdam tätig. Die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst (SMWK), Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer, betonte, das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung sei wegen seiner Thematik, seiner wissenschaftlichen Herangehensweise und seiner Konstruktion “etwas ganz Besonderes”. Länderübergreifend würden die Kompetenzen dreier Universitäten und von acht renommierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen gebündelt. Über 200 Mitarbeiter finden hier im Endausbau bei iDiv einen Arbeitsplatz. Die DFG habe mit ihrer Entscheidung für iDiv ein Zeichen gesetzt, dass Spitzenforschung nicht nur in Monopolen und den Hauptstädten stattfinde.

Das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig hat seinen Sitz in Leipzig und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit dem ersten Oktober 2012 für bis zu zwölf Jahre mit jährlich sieben Millionen Euro unterstützt.

Die Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate Schücking, hatte zuvor von einem “großartigen Tag” für ihre Universität gesprochen. Ihr Amtskollege von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. Klaus Dicke, prägte den Begriff des “ganz besonderen iDiv-Spirits”, dessen Einmaligkeit gehegt und gepflegt werden müsse.

www.idiv-biodiversity.de

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