Da kommt Freude auf: Noch kurz vor Jahresschluss konnte Prof. Dr. Matthias Schwarz, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Uni Leipzig, etwas verkünden, woran im Mai dieses Jahres niemand mehr zu glauben wagte: Das Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM) muss nicht schließen. Der Freistaat Sachsen fördert die zukunftsweisende Forschungseinrichtung mit 1 Million Euro pro Jahr.

Bis zum 30. Juni stand das seit 2006 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (SMWK) geförderte Forschungsprojekt vor dem Aus. Runde 50 Millionen Euro waren im Lauf der Zeit in diese Forschungseinrichtung mit ihren zeitweise bis zu 130 Mitarbeitern geflossen. Betrieben wurde vor allem Grundlagenforschung, genau das, was auch in Deutschland fast ausschließlich im Umfeld von Hochschulen und Forschungsinstituten passiert und woran sich die gern gefeierte Wirtschaft in der Regel eher selten beteiligt. Der Grund ist eigentlich simpel: Ob Ergebnisse der Grundlagenforschung später auch einmal in verkaufsträchtige Verfahren oder Produkte umgewandelt werden können, ist zumeist völlig offen.

Viele dieser Grundlagenforschungen setzen sogar bei grundsätzlichen gesellschaftlichen und politischen Weichenstellungen an – im Fall des TRM bei wesentlichen Fragen der Gesundheitspolitik.

Doch eine verlässliche Lobby gibt es fĂĽr solche Themen meistens nicht, denn auch die zumeist verantwortlichen Politiker sind mittlerweile fast sämtlich auf die Sichtweise der Wirtschaft umgeschwenkt: Es muss sich “rechnen”. Es muss “Ergebnisse bringen”. Es muss die eingesetzten Gelder wieder “einspielen”. Usw. Der ganze Sermon, den natĂĽrlich auch die Verantwortlichen in den Hochschulen zu hören bekommen, wenn sie sich um die sogenannten Drittmittel bemĂĽhen. Und bei Letzterem waren auch die Verantwortlichen der Uni Leipzig in den letzten Jahren sehr erfolgreich. DafĂĽr wurden sie von diversen Wissenschaftsministerinnen und Finanzministern auch immer wieder gelobt – und trotzdem wurde der Universität 2011 ein völlig sinnfreies Stellenstreichungsprogramm verordnet.

Und nur scheinbar prallen hier organisatorische Ăśberforderung in der Leipziger Universität und politisches Vabanque-Spiel der ministeriellen Geldgeber unglĂĽcklich aufeinander. Mancher schreibt das befĂĽrchtete Ende des TRM der “verfehlten Forschungspolitik der Universität” zu.

Andere haben so noch kurz vor Toreschluss die Einsicht, dass man ein sichtlich fest in den Leipziger Forschungsverbund zur Gesundheitsforschung eingebundenes Institut nicht einfach schlieĂźt, schon gar nicht, wenn die dort beforschten Themenfelder in einer zunehmend alternden Gesellschaft immer wichtiger werden.

Alles, so teilte Sachsens Wissenschaftsministerin Eva Maria Stange mit, könne man freilich nicht retten, nur die wichtigsten Teile. Die Bundesgelder fehlen eindeutig.

“Ich bin sehr froh, dass wir eine Lösung fĂĽr den Fortbestand des TRM gefunden haben. Wir haben immer erklärt, dass auch nach dem Ausstieg des Bundes aus der Förderung dem Freistaat Sachsen sehr am Erhalt wesentlicher Teile des TRM mit den dafĂĽr erforderlichen Arbeitsplätzen gelegen ist”, erklärte sie am 30. Dezember. “Nun können die erfolgreichen Forschungsprojekte weitergefĂĽhrt werden. Die regenerative Medizin unter Einschluss des TRM bildet derzeit und wird somit auch zukĂĽnftig einen der wesentlichen Schwerpunkte der Universitätsmedizin Leipzig darstellen. Die Erkenntnisse vor allem im Bereich Herz, Leber und Gelenke/Knorpel sollen in die klinische Anwendung im Interesse der Patienten und Unternehmen – wie etwa der Medizintechnik – ĂĽbertragen werden. Das Wissenschaftsministerium unterstĂĽtzt die Universität Leipzig bei dieser Zielsetzung.“

Nach dem Auslaufen der Bundesförderung wollen der Freistaat Sachsen und die Universität das Zentrum nun als sächsischen Inkubator für die klinische Translation etablieren. Ergebnisse klinischer Forschung sollen dadurch möglichst schnell Patienten zugute kommen. Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst steuert dafür in den kommenden drei Jahren einen Sockelbetrag von je einer Million Euro bei. Zudem sollen neue Drittmittelprojekte eingeworben werden. Die inhaltlichen Schwerpunkte bilden die Bereiche Herzmedizin, Binde-/Stützgewebe und Leber.

“Nachdem das Bundesforschungsministerium im FrĂĽhjahr dieses Jahres das Ende der Förderung bekanntgegeben hatte, war es ein hartes StĂĽck Arbeit, das TRM zukunftsfähig zu machen”, ergänzt Prof. Dr. Beate SchĂĽcking, Rektorin der Universität Leipzig. “Am Ende dieses turbulenten Jahres konnten wir mit unserem Konzept zum GlĂĽck die Landesregierung ĂĽberzeugen. Dem SMWK gilt mein groĂźer Dank fĂĽr die intensive Begleitung und UnterstĂĽtzung. Nun haben wir die notwendige Basis, mit der zum einen bisherige Translationsprojekte weitergefĂĽhrt, aber auch neue Drittmittelprojekte unter das Dach des TRM aufgenommen werden können.” Sie sei stolz auf das TRM-Leitungsteam, ergänzte die Rektorin. “Die beteiligten Kolleginnen und Kollegen haben der Universität diese Entwicklungschance mit einem unermĂĽdlichen Einsatz erkämpft.”

Es wäre der erste Verlust für das in Leipzig über die letzten Jahre gewachsene Cluster der regenerativen Medizin geworden. Und man kann sich sicher sein, dass andere Forschungsstandorte in Deutschland die Sache ziemlich schnell übernommen hätten. Es war also durchaus auch am Freistaat Sachsen, hier einmal ein wenig Willen zur Stabilisierung zu zeigen.

“Ich bin sehr erleichtert, dass wir sowohl das Wissenschafts- als auch das Finanzministerium von dem sehr hohen Wert der hervorragenden Leipziger Infrastruktur fĂĽr die klinische Translation und von unserem auf fokussierten Forschungsschwerpunkten ruhenden Nachhaltigkeitskonzept ĂĽberzeugen konnten”, erklärt Prof. Dr. Matthias Schwarz , Prorektor fĂĽr Forschung und Nachwuchsförderung. Das TRM biete in räumlicher Konzentration “eine technologisch sehr attraktive Forschungsinfrastruktur” und optimale Bedingungen fĂĽr “eine Kooperation ganz neuer Qualität der Universität Leipzig mit dem Herzzentrum Leipzig”.

Vor allem die Vernetzung von Hochschulbereich, Universitätsmedizin (Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Leipzig) und Herzzentrum Leipzig (in Trägerschaft der HELIOS Kliniken GmbH) stelle einen wichtigen Aspekt des Nachhaltigkeitskonzepts des TRM dar.

Die Details der TRM-Verstetigung wollen das Wissenschaftsministerium und die Universität Leipzig dann zu Beginn des neuen Jahres im Rahmen einer Sonderzielvereinbarung abstimmen.

“Mit der Landesförderung, einem Eigenanteil der Universität und bereits bewilligten Drittmitteln können wir das Kernpersonal halten und darĂĽber hinaus weitere Wissenschaftler einbinden”, sagt Prorektor Schwarz. Aktuell habe das TRM 42 Beschäftigte, darunter 23 Wissenschaftler. Zielgröße fĂĽr die nächsten Jahre sei ein wissenschaftlicher Betrieb mit mehr als 100 Personen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar