In dem am Donnerstag, dem 19. Januar, erschienenen Dossier schlägt das in Leipzig heimische Konzeptwerk Neue Ökonomie eine kollektive Arbeitszeitverkürzung auf 28 Stunden und eine 4-Tage-Woche als einen Baustein für eine klimagerechte Transformation vor. Das Dossier wurde zusammen mit Gewerkschafter/-innen, Umweltbewegten, Wissenschaftler/-innen und Feminist/-innen erstellt. Veröffentlicht wird es gemeinsam mit Attac, dem Institut für Solidarische Moderne, sanktionsfrei und 350.org.

Das Ziel einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung (AZV) ist, Arbeit, persönlich verfügbare Zeit und Einkommen umzuverteilen und damit ein gutes Leben für alle sowie einen sozial-ökologischen Umbau zu ermöglichen. Im Unterschied zu individuellen Modellen wie Teilzeit oder Wahloptionen zwischen Urlaub und höherem Lohn sieht eine kollektive AVZ die Reduktion der regulären Vollzeit auf 28 Stunden vor.

Diese sollte bei vollem Lohnausgleich und weitgehendem Personalausgleich erfolgen und unter Beteiligung der Beschäftigten ausgestaltet werden. In dem Dossier werden konkrete Umsetzungsmöglichkeiten, Praxisbeispiele und Bündnisoptionen diskutiert.

Argumente pro Arbeitszeitverkürzung

Nina Treu, Autorin des Dossiers, erklärt: „Wir schlagen eine kollektive Arbeitszeitverkürzung vor, weil sie die Umverteilung von Zeit, Arbeit und Einkommen zusammenbringt sowie den Umweltverbrauch senkt. Sie kann beim klimapolitisch notwendigen industriellen Rück- und Umbau Beschäftigung sichern und Lohneinkommen erhalten. Gleichzeitig kann Arbeitszeitverkürzung die Arbeitsbedingungen in Branchen, die ausgebaut werden müssen – wie Sorge, Gesundheit, Pflege und Bildung – entscheidend verbessern.“

Das Dossier führt aus, wie Arbeitszeitverkürzung zu mehr Wohlbefinden, weniger Stress und besserer Gesundheit der Beteiligten beiträgt. „Neben der Lohnarbeit kann so auch Sorgearbeit, die aktuell mehrheitlich von Frauen geleistet wird, umverteilt werden. Außerdem ermöglicht Arbeitszeitverkürzung Zeitwohlstand und mehr Zeit für demokratische Partizipation“, so Nina Treu weiter.

Online-Podium am 27. Januar

Um die Inhalte des Dossiers mit Expert/-innen und Interessierten zu diskutieren, lädt das Konzeptwerk Neue Ökonomie am 27. Januar um 17 Uhr zu einem Online-Podium ein. Sprecherinnen sind Marie-Luisa Wahn (BUND), Sophie Jänicke (IG Metall), Stefanie Gerold (Brandenburgische Technische Universität) und Nina Treu (Konzeptwerk). Dazu wird um Anmeldung gebeten per Mail an Carolina Achilles unter c.achilles@knoe.org.

Diese Veröffentlichung ist Teil des Projektes „Bausteine für Klimagerechtigkeit“, in dessen Rahmen fortlaufend Politikvorschläge für eine sozial-ökologische Transformation veröffentlicht werden.

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Es gibt 10 Kommentare

Ich muss die Annahmen nochmal wie folgt an drei Punkten korrigieren:
1.) Produktivitätssteigerung von 125% ergibt:
52% Arbeitsleistung bei 10% der Unternehmen mit mehr Produktivität
68% Arbeitsleistung bei 50/50
83% Arbeitsleistung bei 90% der Unternehmen mit mehr Produktivität
Wie zuvor jedoch rund 88 % Arbeitsleistung bei 125% Produktivität in allen Unternehmen.
Macht mehr Sinn ;P
2.)
Die “fehlende” Arbeitsleistung ist demnach auch nur 11% und nicht 22%. Es ergeben sich trotzdem die ca. 30 Mio. t. CO2-Einsparung absolut.
3.)
Weiter wären 43% mehr an Arbeitsweg tatsächlich sogar fast 16 Mio. t p.a. an CO2 und mein Ergebnis ändert sich sogar zu einer über 50%tigen-Reduktion der angenommenen Umweltgewinne durch die zusätzlichen Arbeitswege durch AZV.

Jetzt wäre ich aber wirklich auf Ihre Argumentation gespannt.

Zumindest haben wir dasselbe Grundverständnis, nur ziehen wir andere Schlüsse. Den Vorwurf des Rosinen-Pickens weise ich zurück. Rechnen wir dazu nach:

Die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland 2021 762 Mio. t p.a., davon durch Mobilität rund 148 Mio. sind 19% – Quelle Umweltbundesamt.

Ebenfalls von diesem Amt, eine Studie von 2020 “CO2-Fußabdrücke im Alltagsverkehr”, kommt zu folgender Aussage: Stand 2017 ca. 37 Mio. t CO2 p.a. durch Arbeitswege verursacht. Das entsprach damals ca. 4% des Gesamt-Kohlendioxidäquivalents.

Da wir beide nicht orakeln können, wie hoch der Arbeitskraftgewinn durch erhoffte Produktivitätssteigerung ausfallen wird (Typ 1), genauso wie wir nicht wissen wieviel Produktivität in Folge steigender Löhne abwandert oder welcher Teil der Arbeit, technologisch oder gesellschaftlich bedingt, obsolet wird (Typ 3), bitte ich Sie, vorerst der Annahme des gleichen Arbeitspensums bei gleicher Produktivität (Typ 2) zu folgen. Daraus lassen sich trotzdem sinnvolle Ableitungen zu den anderen Szenarien finden.

Wenn also wie im Text oben die Arbeitszeit von 40 auf 28 h je Woche verkürzt wird, steht nur 70% der vorherigen Arbeitskraft zur Verfügung. Umgekehrt würden knapp 43% mehr Arbeitskräfte benötigt um dieselbe Arbeit zu erledigen. 43% mehr Arbeitskräfte verursachen 1,72% (oder rund 13 Mio. t p.a.) mehr CO2 durch Arbeitswege. (siehe oben)

Nur zum Vergleich: der BUND geht davon aus das “Je Tonne verfeuerter Rohbraunkohle” … “unabhängig vom Wirkungsgrad der Kraftwerke unweigerlich eine Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt” werden. Das entspräche also ca. 65% der jährlichen Kohleleistung des Tagebaus Hambach aus dem MTC-Gutachten.

Dieser negative Effekt müsste jetzt durch die angenommen positiven Effekte der Szenarien 1 und 3 zu einem nennenswerten Betrag ausgeglichen werden, um von einer Senkung des Umweltverbrauches in Folge der AZV zu sprechen.

Es fehlen wie gesagt die Zahlen, die ich gerne erfahren hätte, wie hoch den der angenommene Anteil der jeweiligen Szenarien ist. Wenigstens eine Annahme zur Produktivitätssteigerung konnte ich im Dossier finden. Es wird eine Fallstudie erwähnt bei der in 70 britischen Unternehmen “bei der Kürzung der Arbeitszeit von fünf auf vier Tagen bei vollem Lohnausgleich einen gleichbleibenden Output” beobachtet wurde.

Wenn Sie das auf unser Beispiel übertragen (28/40h pro Woche bei gleicher Produktivität). Anhand dieser Zahl und einer Annahme zum Verhältnis der Szenarien 1 und 2 könnte man jetzt nachrechnen wie hoch die Arbeitsleistung, nach Ausgleich des Produktivitätsgewinnes bei AZV wäre. Ich habe das mal für zwei Fälle ausgerechnet:
90 % der Unternehmen erfahren 25% Produktivitätsgewinn durch AZV und 10% der Unternehmen nicht: ergibt knapp 86% Arbeitsleistung.
Bei Fifty/Fifty wären es ca. 79% Arbeitsleistung.
10 % der Unternehmen erfahren 25% Produktivitätsgewinn durch AZV und 90% der Unternehmen nicht: ergibt knapp 72% Arbeitsleistung.
Und bei 100/0, also im besten Fall, stehen noch knapp 88% der Arbeitsleistung zur Verfügung.

Dieses Defizit wäre folglich durch Szenario 3 zu kompensieren. Ob Sie dabei eine gesellschaftlich-/technologische Optimierung der Prozesse dabei der AZV zugute rechnen überlasse ich Ihnen. Produktion die in Szenario 3 nur auswandert und nicht ganz verschwindet, müsste aber trotzdem zum Abzug gebracht werden.

Sind wir optimistisch, könnte man weiter unter der Annahme, die Reduzierte der Arbeitsleistung stünde proportional zu den Emissionen der Industrie & Landwirtschaft, das „eingesparte“ CO2-Äquivalent ausrechnen.
Entsprechend Umweltbundesamt für 2021, 242 Mio. t CO2 p.a. die auf Industrie und Landwirtschaft entfallen. Für das optimistischste Szenario (100% Unternehmen mit 125% Produktivität), reduziert sich die durch Industrie und Landwirtschaft versursachten CO2Äquivalente analog zur Arbeitsleistung damit um 22% also um ca. 30 Mio. t p.a., von denen Sie jetzt aber noch die zusätzlichen 13 Mio. t p.a. durch die Arbeitswege abziehen müssten.

So steht eine optimistische Annahme gegen klare Zahlen, und aus meiner Sicht liest sich die ehrliche Aussage wie folgt:
Bei einer Arbeitszeitverkürzung wie oben beschrieben unter optimistisch getroffenen Prognosen umgesetzt, würde die zusätzlichen Arbeitswege die durch die AZV selbst entstünden, die angenommenen Umweltgewinne um ca. 43% auf ca. 17 Mio. t p.a. CO2 reduzieren.

Da die Einsparung von Arbeit nicht unmittelbar auf die AZV zurückfällt, würde ich den Vorwurf des Rosinen Pickens an dieser Stelle gerne an die AZV-Initiative zurückgeben.

György,
Nach meiner Lesart geht es in dem Artikel nicht um Produktivitätssteigerung oder Branchen die weniger Arbeitskräfte brauchen. Sondern nur darum, daß die Arbeit von einer Person auf zwei aufgeteilt wird. Damit jeder mehr für andere Dinge des Lebens hat. Nicht mehr und nicht weniger.

@Lutz
ja. Danke der Nachfrage. Vielleicht konkretisieren Sie was Sie meinen. Lapidare Unterstellungen führen die Diskussion nicht weiter.

Hallo Mimi und Lutz,
also verstehe ich das richtig, dass Sie denken, dass sich die arbeitende Bevölkerung verdoppelt? Es ist doch differenzierter: Es wird 1) Branchen geben, in denen die Arbeitszeitverringerung mit einer Produktivitätssteigerung einhergeht, 2) Branchen, bei denen das nicht so ist und in denen um Arbeitsverdichtung zu verhindern mehr Menschen arbeiten müssen, und 3) Branchen, in denen weniger Menschen arbeiten werden (der Ausgleich für Branchen vom Typ 2 muss ja irgendwo her kommen.
Ich denke Ihre Voraussetzung, dass die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden (also der Input, meinten Sie das mit “Arbeitspensum”?) konstant bleibt, falsch ist.
Umweltbelastung durch Anreise ist zudem auch nur eine Rosine auf dem Kuchen der ökologischen Effekte.

Danke, hatte ich gelesen. Ich versuche es nochmal. These:
Wird die Arbeitszeit je Mensch auf die Hälfte begrenzen, müssten, um die selbe Arbeit in der selben Zeit zu leisten, doppelt so viele Menschen zur Arbeit reisen. Beispiel: Vier Stunden Sie und vier Stunden der/die neue mitarbeitende Person, macht wieder acht, aber zwei mal zwei Arbeitswege.
Entweder Sie gehen davon aus, dass vor lauter Glück doppelt produktiv gearbeitet wird. Oder wir verzichten auf die Hälfte der Arbeit. Friss-die-Hälft-Diät für die ganze Gesellschaft. Was lassen wir noch weg? Chemieindustrie wäre leicht nach China zu verlagern. Rüstungsindustrie ist voraussichtlich erst nach der nächsten Zeitenwende realistisch. Solange vielleicht Friseure. Mit dem Ausstieg aus der Braunkohle wird sich bis 2030 auch die Zahl der Umweltgutachter stetig reduzieren. Und wieviel CO2 erzeugt eigentlich der Emissions-Handel oder Demokratie?

György,
Nach ihrer Rechnung hat Mimi recht.
2x Arbeitskräfte für die selbe Arbeit = 2x Arbeitsweg
Ganz einfach.

Hallo Mimi,
ich verstehe nicht, wie Sie auf eine Verdopplung der Umweltbelastung kommen. Fahren die Menschen bei weniger Arbeitszeit zweimal täglich zur Arbeit? Meinen Sie relativ?, das könnte ich verstehen. aber absolut bleibt es doch gleich.

Zu Ihrer Frage bezüglich Ressourcenverbauches: vielleicht schauen Sie sich das Online-Podium an und stellen die Frage dort, sollte sie nicht eh beantwortet werden. Oder Sie lesen mal das verlinkte Papier. Da steht z.B. gleich auf Seite 2 folgendes drin:

“[Abreitszeitverkürzung] muss in allen Branchen mit Personalausgleich einhergehen. Dies
bedeutet, für die reduzierten Stunden neues Personal – d.h. insgesamt mehr
Personen – einzustellen, um eine noch höhere Verdichtung der Arbeit zu vermeiden. Hiervon ausgenommen sind die Wirtschaftszweige, die im Rahmen
eines sozial-ökologischen Umbaus aufgrund ihrer hochgradig umweltschädlichen oder sozial unerwünschten Wirkung rückgebaut werden müssen. Ihr
Personal sollte als Teil des sozial-ökologischen Umbaus insgesamt reduziert
werden – beispielsweise in der Chemie- und Rüstungsindustrie sowie der
Werbe- und Glücksspielbranche.”

Ich würde nur zu gerne verstehen woraus sich die Annahme eines reduzierten Umweltverbrauches aus der Arbeitszeitverkürzung ableiten lässt. Bei halber Arbeitszeit und gleichem Arbeitspensum wäre von einer Verdopplung der Umweltbelastung durch An- und Abreise zum Arbeitsort auszugehen. Welche bestechende Logik ist mir dabei entgangen die dem entgegen stehen soll? Vielleicht doch nur ein weiterer Versuch linker Bewegungen auf den Umweltschutzzug aufzuspringen.

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