Eine Studie, geleitet von Dr. Ulrich Brose vom Deutschen Zentrum fรผr integrative Biodiversitรคtsforschung (iDiv) und der Friedrich-Schiller-Universitรคt Jena, erรถffnet neue Perspektiven auf die Funktionsweise von ร–kosystemen. Im Fokus steht das sogenannte โ€žInternet der Naturโ€œ. Dieses Konzept zeigt, wie Lebewesen nicht nur Materie und Energie austauschen, sondern auch Informationen, die ihr Verhalten, ihre Interaktionen und die Dynamik von ร–kosystemen entscheidend prรคgen.

Die Studie wurde in der Fachzeitschrift โ€žNature Ecology and Evolutionโ€œ verรถffentlicht und bietet einen neuen Blick auf die verborgenen Mechanismen in der Natur.

Um ร–kosysteme besser zu verstehen, nutzen Forschende Computer, mit denen sie die Interaktionen zwischen Lebewesen simulieren. Traditionell lag der Schwerpunkt รถkologischer Forschung auf dem Austausch von Materie und Energie wie zum Beispiel Nahrungsketten, Bestรคubung oder die Verbreitung von Samen. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, wie wichtig der Informationsaustausch zwischen Arten fรผr das Verstรคndnis von ร–kosystemen ist.

โ€žOhne Berรผcksichtigung der Informationsflรผsse im โ€šInternet der Naturโ€˜ gleicht unser Verstรคndnis natรผrlicher Prozesse dem Versuch, den globalen Warenverkehr zu erklรคren, ohne das Internet als Kommunikationsmedium zu berรผcksichtigenโ€œ, erklรคrt Erstautor Ulrich Brose, Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitรคtstheorie bei iDiv und der Universitรคt Jena.

Die Forschenden identifizieren drei Ebenen des Informationsaustauschs in ร–kosystemen: trophische Informationsflรผsse, reine Informationsflรผsse und Umweltinformationsflรผsse.

Trophische Informationsflรผsse umfassen Signale, die zwischen Beute und Rรคubern ausgetauscht werden. Ein Beispiel: Wรถlfe nutzen ihre Nasen, Ohren und Augen, um Elche und ihre Fรคhrten aufzuspรผren. Die Elche wiederum reagieren auf die Wรถlfe, indem sie sich in Gruppen sammeln und in dichte Vegetation zurรผckziehen.
Reine Informationsflรผsse beziehen sich auf Interaktionen zwischen Arten, die nicht direkt an Nahrungsbeziehungen beteiligt sind. Zum Beispiel beobachtet eine Hyรคne das Verhalten eines kreisenden Geiers, um auf die mรถgliche Prรคsenz eines nahegelegenen Kadavers zu schlieรŸen.

Umweltinformationsflรผsse ermรถglichen es Arten, ihr Verhalten an Umweltbedingungen wie Lรคrm, Licht, oder Temperatur anzupassen. Beispiele sind Motten, die nachts auf Licht reagieren, Spinnen, die ihre Netze in der Nรคhe von Lichtquellen bauen, oder Chamรคleons, die ihre Tarnung je nach Umgebung anpassen.

Herausforderungen durch Stรถrungen der Sinneswahrnehmung

Die Studie zeigt, wie menschliche Einflรผsse โ€“ etwa kรผnstliches Licht, Lรคrm oder Vibrationen โ€“ diese Informationsflรผsse stรถren kรถnnen.

โ€žStraรŸenverkehr und Industrieanlagen verschmutzen nicht nur die Luft, sondern stรถren auch die Vibrationssignale, mit denen sich beispielsweise Ameisen koordinierenโ€œ, erklรคrt Co-Autorin Dr. Myriam Hirt vom iDiv und der Universitรคt Jena. โ€žDas ist nur ein Beispiel dafรผr, wie menschliche Aktivitรคten die Vibrations- oder auch Pheromonkommunikation beeintrรคchtigen kรถnnen, die fรผr Fortpflanzung, Nahrungssuche und sozialen Interaktionen bei Insekten essenziell ist.โ€œ

Umweltinformationsflรผsse ermรถglichen es Arten, ihr Verhalten an Umweltbedingungen wie Lรคrm, Licht, oder Temperatur anzupassen. Beispiele sind Motten, die nachts auf Licht reagieren. Foto: Adobe Stock / Dipo
Umweltinformationsflรผsse ermรถglichen es Arten, ihr Verhalten an Umweltbedingungen wie Lรคrm, Licht, oder Temperatur anzupassen. Beispiele sind Motten, die nachts auf Licht reagieren. Foto: Adobe Stock/Dipo

Solche Faktoren verรคndern die Informationslandschaften, beeintrรคchtigen die Signalรผbertragung und kรถnnen es Arten erschweren, miteinander zu kommunizieren, Ressourcen zu finden oder sich an ihre Umgebung anzupassen. Dies verdeutlicht die Bedeutung von MaรŸnahmen gegen Lรคrm und Lichtverschmutzung.
โ€žDas โ€šInternet der Naturโ€˜ zu berรผcksichtigen, wird unser Verstรคndnis der Interaktionen von Tieren, Pflanzen und Mikroben grundlegend verรคndernโ€œ, erklรคrt Brose.

โ€žWir werden sie nicht mehr als passive Partikel sehen, wie es aus der Physik oder Chemie bekannt ist, sondern als Lebewesen, die aktiv Informationen produzieren und nutzen. Diese neue Perspektive wird auch fรผr den Naturschutz von zentraler Bedeutung sein, um nicht nur Lebensrรคume, sondern auch die Informationswege zwischen Arten durch verschiedene Medien wie Luft, Wasser oder Boden zu schรผtzen.โ€œ

Originalpublikation: Brose, U., Hirt, M. R., Ryser, R., Rosenbaum, B., Berti, E., Gauzens, B., Hein, A. M., Pawar, S., Schmidt, K., Wootton, K., Kรฉfi, S. Embedding information flows within ecological networks. Nature Ecology & Evolution (2025).

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