Mittlerweile weiß man es sachsenweit, dass die Schülerzahlen wieder steigen. Die geburtenschwachen Jahrgänge sind mittlerweile in der Berufsausbildung angekommen. In Leipzig steigen die Zahlen der neu eingeschulten Schüler schon seit 2002 wieder. 2001 war mit 2.405 Erstklässlern der Tiefpunkt erreicht. Danach ging es sanft bergauf. 2004 wurde mit 3.274 Erstklässlern die Schallmauer der 3.000 Erstklässler durchbrochen. Nun sind es über 4.000.

4.174 Neueinschulungen meldet die Bildungsagentur Leipzig für das Schuljahr 2012/2013 in Leipzig. Und da Leipzig mit der Bevölkerungsentwicklung mittlerweile den Ton angibt im Direktionsbezirk, zieht die Stadt den gesamten Bezirk mit: Mit 7.843 Einschulungen hat sich die Zahl der künftigen Erstklässler gegenüber dem Vorjahr um etwa 600 erhöht, so die Bildungsagentur. Im Landkreis Leipzig waren es 2.133 und im Landkreis Nordsachsen 1.536.

Das sind zehn Jahre, in denen hätte reagiert werden können. Nicht nur beim Schulhausbau, den Leipzig jetzt mit Hauruck auf die Reihe bekommen muss, weil sämtliche Kapazitäten ausgereizt sind.

Auch beim Lehrerbedarf hätte die zuständige Landesregierung die Zahlen nur lesen müssen, um den kommenden Bedarf abschätzen und gegensteuern zu können. Doch auch da machte man einfach so weiter, als wäre der Freistaat am Ausbluten, als müsste alles auf ein demografisches Minimalniveau heruntergefahren werden. War zwar nur ein Mann im Regierungskabinett, der hier beharrlich auf Kürzungen bestand, als Forderung stellte. Aber der setzte sich mit jedem neuen Haushalt durch.

Die Zahl der Grundschullehrer sank in Leipzig von 1.071 im Jahr 2001 auf 994 im Jahr 2010.

Bei der Gesamtzahl beeinflussten 2001 noch die starken Schülerjahrgänge, die bis 1990 geboren wurden das Bild. 46.174 Schüler wurden 2001 von 3.740 Lehrern unterrichtet. Die Gesamtschülerzahl sank in den nächsten Jahren – bedingt durch die geburtenschwachen Jahrgänge der frühen 1990er Jahre – auf 35.028 im Jahr 2008.

Klares Problem: Sachsen musste irgendwie die Lehrerzahl diesem “Schülerschwinden” anpassen. Was man mit zwei Instrumenten tat: Einmal mit einem drastischen Herunterfahren der Neueinstellungen, was im Grunde fast einem Einstellungsstopp glich – was logischerweise zu einer Überalterung der Lehrerschaft führen musste.

Und – in den 2000er Jahren verstärkt – mit Teilzeitregelungen, so dass die überproportional vorhandenen Lehrer verkürzt arbeiteten, der Freistaat Geld sparte und die Versorgung der gesunkenen Schülerzahl trotzdem gewährleistet war. Ein Instrument auf Zeit, gegen das die Lehrer in den letzten Jahren immer öfter rebellierten, denn die Überalterung der Lehrerschaft führte vermehrt zu Ausfällen, die Teilzeitlehrer mussten einspringen, das Sparprogramm begann sich ad absurdum zu führen.Kamen 2001in Leipzig noch 12,3 Schüler auf einen Lehrer, waren es 2008 statistisch nur noch 10,0. Die Lehrerzahl war zwar auf 3.490 abgeschmolzen – aber auch im Durchschnitt deutlich gealtert. Seit diesem Zeitpunkt klafft die Schere auf. Die Schülerzahlen in Leipzig stiegen wieder an, die Lehrerzahl schmolz weiter ab – auf 3.433 im Jahr 2010. Da waren wieder 36.655 Schüler in Leipzig zu zählen – die Betreuungsquote von 10,7 sah zwar statistisch gut aus. Doch die Unterrichtsausfälle wurden in praktisch allen Schularten zum Dauerzustand. Und sie haben sich in den nächsten beiden Jahren weiter verschärft, denn die Zurückhaltung bei der Einstellung neuer Lehrer gab das Land genauso wenig auf wie den Versuch, einen Großteil der Lehrerschaft weiter in Teilzeit zu halten. Die Überalterung tat ihr Übriges.

Was Brunhild Kurth als neue Kultusministerin umsetzte, war also nichts weiteres als ein Notprogramm. Ob es reicht, wird die schulische Praxis im Schuljahr 2012/2013 zeigen.

“Von den sachsenweit 655 neuen Lehrerstellen im Rahmen des ‘Bildungspaketes Sachsen 2020’ entfallen 210 Stellen auf den Bereich der Regionalstelle Leipzig, dadurch konnten in den vergangenen Wochen 220 Personen eingestellt werden”, teilt die Bildungsagentur Leipzig mit.

122 dieser Neueinstellungen erfolgten an den Grundschulen, 68 an Mittelschulen, fünf an Gymnasien, 19 an Förderschulen und sechs an Berufsschulen. “Damit kann der ‘Verlust an Arbeitsvermögen’ ausgeglichen werden, die Unterrichtsversorgung ist an den Grund- und Mittelschulen sowie Gymnasien zu 100 Prozent gesichert”, so die Bildungsagentur, “an den Förderschulen leider nur zu 95 Prozent. Dieses Gesamtergebnis ist akzeptabel.”

Brunhild Kurth hat für dieses Ergebnis am Donnerstag, 30. August, die Note “ausreichend” vergeben. Aber akzeptabel klingt ganz ähnlich: Man wird in einigen Fächern auf jeden Fall mit Besetzungsproblemen kämpfen müssen.

Die Lösung, auf die die sächsische Regierung so hofft, sind die flexiblen Vertretungen auch mit nicht qualifizierten Lehrkräften. “Für die kurzfristige Kompensation von Ausfall stehen den Schulen für flexible Vertretungen über das Programm ‘Unterrichtsgarantie’ 1 Million Euro zur Verfügung”, so die Bildungsagentur Leipzig zu ihrem Verfügungsfonds.

Und während mit aller Kraft die Lehrerausbildung an der Uni Leipzig hochgefahren werden soll, bemüht man sich im Bildungsbezirk Leipzig, die angehenden Lehrerinnen und Lehrer in den Schulbetrieb zu integrieren. “Die Lehrerausbildung erreicht eine neue Dimension”, teilt die Bildungsagentur dazu mit. “An den Schulen im Bereich der SBAL sind derzeit (in verschiedenen Ausbildungsjahren) 509 Referendare und Lehramtsanwärter in der schulpraktischen Ausbildung.”

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