Keine Gemeinschaftsschule, harte Bandagen für Freie Schulen, nur ja keine Experimente. In der aktuellen Legislaturperiode hat die CDU/FDP-Regierung in Sachsen mehrfach deutlich gemacht, dass Alternativen im Bildungssystem mit ihr nicht machbar sind. Das bekam schon 2009 auch die Leipziger Nachbarschaftsschule zu spüren. Der "Schulversuch", den das Kultusministerium 2006 noch einmal bis 2017 genehmigt hatte, wurde per 31. Juli 2017 für beendet erklärt.

Das führte schon 2009 zu einer Anfrage der Linken im Leipziger Stadtrat. Und Bürgermeister Thomas Fabian machte in der damaligen Dezembersitzung deutlich, dass er sich von der sächsischen Regierung kein Umdenken mehr erhoffe.

2009 hatte das CDU-geführte Kultusministerium der Stadt Leipzig noch einmal mitgeteilt, dass an der Nachbarschaftsschule für das Schuljahr 2010/2011 Schülerinnen und Schüler im Rahmen des bis 2017 befristeten Schulversuchs aufgenommen werden können.

In diesem Schreiben sei auch angekündigt worden, dass darüber hinausgehende Fragen bis Februar 2010 in Gesprächen mit dem Schulträger und der Schulversuchsschule erörtert werden sollten. Sollten diese Gespräche nicht zu dem Ergebnis führen, dass auch in den weiteren Schuljahren Schülerinnen und Schüler im Rahmen dieses oder eines anderen Schulversuchs aufgenommen werden können, hätte dies ein stufenweises Auslaufen des Schulversuchs zur Folge, so Fabian. Er betonte aber auch, er gehe davon aus, dass dies nicht der Fall sein werde.

Die Nachbarschaftsschule wurde seinerzeit Opfer eines Rundumschlags, den die sächsische Landesregierung gegen alle praktizierten Gemeinschaftsschulversuche führte – gegen die gerade noch unter der CDU/SPD-Regierung eingeführten, die kurzerhand für beendet erklärt wurden, zuerst. Aber in einem Abwasch sorgte man auch dafür, zwei orginäre Schulgründungen aus der “Wende”-Zeit in Frage zu stellen: neben der 1992 gegründeten Leipziger NaSch auch das Chemnitzer Schulmodell. Jene Lehrer und Eltern, die 1990 diese Schulen aus der Taufe hoben, um endlich dem starren Einheitsschulsystem aus DDR-Zeiten ein Alternativmodell gegenüber stellen zu können, werden sich ganz bestimmt seltsam vorkommen.

Auch Fabian betonte, dass aus seiner Sicht das Ende des Schulmodells Gemeinschaftsschule in Sachsen bildungspolitisch eine falsche Entscheidung war. Offen sei noch, so Fabian damals, ob die Entwicklung der Nachbarschaftsschule, wie sie in den letzten Jahrzehnten verlaufen sei, auch künftig fortzuführen ginge. Offen sei, ob es der Schulversuch Gemeinschaftsschule im engeren Sinne bleiben werde.

Das klang noch zuversichtlich, obwohl die Landesregierung damals auch den Antrag der Gemeinschaftsschule Thekla-Portitz nicht genehmigt hatte.Und dabei blieb es auch die nächsten drei Jahre bis 2013. Im Mai fragte Dr. Volker Külow, Landtagsabgeordneter der Linken, noch einmal bei Brunhild Kurth, der nun obwaltenden Kultusministerin nach, wie es steht. Aber die Antwort der Ministerin erzählt eigentlich nur eins: Man hat sich mit dem Thema seit 2009 nicht weiter beschäftigt. Der Aufhebungsbeschluss des Schulversuchs 2017 gilt. Basta. Auch wenn das Basta aus ihrem Ministerium eher so trocken bürokratisch klingt, wie eigentlich alles, was Bildung in Sachsen mittlerweile betrifft. Kostet alles nur Geld.

Und so betont sie: “Gemäß den Genehmigungsbescheiden wurde die Durchführung des Schulversuchs bei den beiden Schulen wie folgt befristet: Chemnitzer Schulmodell bis 31. Juli 2018, Nachbarschaftsschule bis zu 31. Juli 2017.” Als wenn es nur die Genehmigung für einen Bratwurststand oder für einen simplen Werbeaufsteller mit der Grußbotschaft “Welcome in Saxony” gewesen wäre.

Auf die Nachfrage von Külow bemühte sie nun ausgerechnet die 2011 beschlossene Änderung der “Schulordnung Mittel- und Abendschulen in Sachsen”, mit der eigentlich der Grundstein gelegt wurde für das, was CDU und FDP so revolutionär als “Oberschule” verkaufen – mit Leistungsgruppen ab Klasse 5 und zweiter Fremdsprache in der 6. Klasse. Sie bemerkt auch richtigerweise, dass das Chemnitzer Schulmodell genauso wie die NaSch von Anfang an weit über solche Sonderangebote hinausgingen und schon in der Grundschule einschulen. Gerade das eben, was die Schulen zu richtigen Gemeinschaftsschulen macht – die Schüler werden nicht nach der 4. Klasse auseinander gerissen, die Klassen an der NaSch sind auch noch jahrgangsübergreifend, haben deshalb auch eher phantasievolle Namen, weil sie in das starre Raster 1., 2., 3. Klasse usw. nicht passen. Und das Verblüffende für die meisten Beteiligten ist: Es klappt.

Aber für Sachsens Regierung ist das kein Maßstab. Sie will alles über einen Leisten scheren. Was nicht passt, wird abgeschafft. Aber den Mut, das so deutlich zu sagen, hatte die Ministerin wieder nicht: “Die unbefristete Fortführung von Sonderregelungen bedarf einer schulrechtlichen Grundlage. Die gegenüber den anderen Schulversuchen wesentlich längere Laufzeit der Genehmigungsbescheide trägt dem Rechnung und ermöglicht eine Anpassung zu gegebenen Zeitpunkt, um die Fortführung beider Schulkonzepte zu gewährleisten.”

Das heißt alles und nichts. Denn eine schulrechtliche Grundlage für die beiden Schulkonzepte hat die Landesregierung bis heute nicht geschaffen. Eltern, die ihre Kinder einschulen, wissen also nicht, ob das Ganze 2017/2018 einfach gekappt wird und die Kinder dann auf einmal in einer ganz normalen Regelschule sitzen.

Für die Hoffnung spricht die Tatsache, dass weiter eingeschult wurde und wohl auch 2013 wird – 54 Anmeldungen lagen für die NaSch laut Kultusministerium vor.

Aber das Schweigen der staatlichen Instanzen zur Zukunft der Schule macht logischerweise nicht nur Schulleitung und Politik nervös. Im Juni wandten sich die Eltern der “Kolibris” mit einem offenen Brief direkt an den Leiter der Leipziger Bildungsagentur, Ralf Berger, um von dort vielleicht mal eine belastbare Antwort zu bekommen. Aber Ende Juni war noch keine gekommen. Was nun wieder das Gefühl vermittelt, dass nicht ernsthaft an einer tragfähigen Genehmigung für das Schulkonzept der NaSch gearbeitet wird.

Die Anfrage von Dr. Volker Külow an das Sächsische Kultusministerium: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11715&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Die Nachbarschaftsschule: www.nasch.de/schule.html

Der Brief der Eltern an die Bildungsagentur zum Nachlesen.

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