Am Donnerstag, 10. Oktober, berichtete die "Sächsische Zeitung" über die Streichung oder Veränderung von 57 Studiengängen an Sachsens Hochschulen. Damit wurde erstmals sichtbar, welche Folgen die trockene Anweisung des Sächsischen Wissenschaftsministeriums von 2011 hat, einfach mal 1.000 Stellen zu streichen. Zur Profilierung sächsischer Hochschulen trägt das augenscheinlich nicht bei.

“Auch wenn viele der zur Diskussion stehenden Studiengänge in neue Studienstrukturen überführt werden, den Hochschulen also thematisch erhalten bleiben, ist dennoch eine besorgniserregende Tendenz zu beobachten. Die Hochschulen streichen nicht vornehmlich aus Profilbildungsgründen, sondern weil Stellenkürzungen sie zu diesen Schritten zwingen”, stellt Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion dazu fest.

Was das Wissenschaftsministerium mit den Kürzungen überhaupt bezweckt, ist bis heute nicht klar. Die Stellenkürzungen basieren auf Prognosen zu Studierendenzahlen aus dem Jahr 2007, die so bis heute nicht eingetreten sind. Im Gegenteil. Selbst die Kultusministerkonferenz hat im Januar neue Prognosen vorgestellt, die auch für Sachsen deutlich höhere Frequenzen bis 2020 vorhersagen.

Doch dazu hüllt sich das Ministerium bis heute in Schweigen. Vielleicht hat sich Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer auch nur den Sinn des Wortes Minister im ganz ursprünglichen Sinn zu eigen gemacht. Denn ministre war ja in Frankreich das Wort für einen treu und untergeben ausführenden Gehilfen. Und genauso ist auch das Wissenschaftsministerium nur Ausführungsgehilfe für das übermächtige Finanzministerium, wo Landespolitik mit Sparanweisungen gemacht wird, ohne dass man sich um inhaltliche Ausgestaltungen oder gar politische Ambitionen im geringsten kümmert.

Gerstenberg: “Es ist stark zu bezweifeln, dass Inhalte der Studienangebote und die Folgen ihres Wegfalls unter diesen Bedingungen die entscheidende Rolle spielen. Profilierungen der Hochschulen sind richtig und wichtig, aber sie bedürfen der Koordination. Einerseits dürfen vermeintlich wenig ertragreiche Fächergruppen nicht einfach verschwinden, andererseits müssen Doppel- und Mehrfachangebote zuverlässig identifiziert werden. Sachsen braucht deshalb ein im wissenschaftlichen Bereich angesiedeltes Fächermonitoring, dessen Empfehlungen von den Hochschulen auch ohne Kürzungsdruck umgesetzt werden können.”
Für Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion, bestätigen sich nun so langsam alle schlimmen Befürchtungen: “So langsam wird deutlich, welche Auswirkungen die verfehlte Hochschulpolitik von Schwarz-Gelb hat. Bereits zu Beginn der Hochschulentwicklungsdebatte hat die SPD darauf hingewiesen, dass der Abbau von über 1.000 Stellen bis 2020 der Schließung einer Fach- und einer Kunsthochschulen gleich kommt. Die schwarz-gelbe Koalition geht mit ihrem Haushaltsbeschluss an die Substanz und das in Zeiten in der die Studierendenzahlen steigen.”

In der Anhörung zum SPD-Antrag am 30. September zur geplanten Zuschussvereinbarung für die Hochschulen hatten Rektoratsmitglieder aus ganz Sachsen nochmals eindringlich vor dem eingeschlagenen Weg gewarnt.

Holger Mann: “Profilbildung wird künftig durch Altersabgänge dominiert, um geforderte Stellenkürzungen zu realisieren.”

Die Vorschläge der Sozialdemokratie lägen seit mehr als drei Jahren auf dem Tisch: Stellenkürzungen bis mindestens 2016 aussetzen, ein stärkeres Engagement des Bundes in der Bildung ermöglichen und den Hochschulpakt mit AbsolventInnenbonus und Masterplatzkomponente weiter entwickeln.

“Nur so wird es gelingen, die Herausforderungen Fachkräftemangel und demografische Entwicklung positiv zu bewältigen”, stellt Holger Mann fest. “Stattdessen sehen wir immer deutlicher, welche Hängepartie sich die Staatsregierung in den letzten drei Jahren geleistet hat. Am Beispiel der Pharmazieausbildung in Leipzig sieht man deutlich, dass schwarz-gelb gerade den zukünftigen Fachkräftemangel organisiert.”

Und erstmals gibt es auch deutliche Kritik aus der FDP-Fraktion.

“Wir haben den sächsischen Hochschulen mit dem Hochschulfreiheitsgesetz mehr Verantwortung gegeben – dies entlässt den Freistaat aber nicht aus seiner Chance und Pflicht, einen Rahmen im Interesse des gesamten Hochschulstandortes zu setzen. Die Zielvereinbarungen mit den Hochschulen sollen dazu dienen, politische Prioritäten zu setzen”, erklärt Nico Tippelt, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. “Die Wissenschaftsministerin muss dem Landtag dringend erläutern, wie eine Gesamtheit von 30 gestrichenen und 27 geänderten Studiengängen wirken soll. Sie muss darlegen, wie insbesondere die Streichungen in die Zielstellungen und Rahmenvereinbarungen passen. Ich denke da beispielsweise an das Institut für Namenskunde als einziges seiner Art in Deutschland und die Pharmazieausbildung ebenfalls in Leipzig, die beide gestrichen werden sollen.”

Und er fügt hinzu: “Wir fordern die Ministerin auf, sofort in Gespräche mit den Universitäten einzutreten, bevor es zu spät ist und profilbildende Studiengänge aus falschen Erwägungen heraus geschlossen werden. Wir stellen zudem die Frage, wie der Stand der Umsetzung bereits beschlossener Schließungen ist – beispielsweise die Einstellung der juristischen Ausbildung in Dresden. Bereits getroffene Entscheidungen müssen umgesetzt werden; auf dieser Grundlage können dann neue Entscheidungen getroffen werden.”

Zum diskutierten Fachbereich Namenkunde gibt es inzwischen auch eine Klarstellung der Universität Leipzig:

“Mehrere Medien haben heute Morgen berichtet, der ‘Fachbereich Namenkunde’ an der Universität Leipzig stehe vor dem Aus. Das stimmt nicht. Es gibt an der Universität Leipzig auch weiterhin das Namenkundliche Zentrum. Dieses Zentrum deckt die Bereiche Namenlehre, Namenforschung und Namenberatung ab. In den Masterstudiengang Namenkunde wird zwar in der Tat nicht mehr immatrikuliert. Dafür erfreut sich der Wahlbereich Namenforschung regen Interesses. Für das gerade begonnene Wintersemester gab es dafür mehr als 200 Bewerber. 50 Studierende der Universität werden in diesem Semester im Wahlbereich Namenforschung studieren.”
Das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung des SPD-Antrags als PDF zum download.

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