Was derzeit in Sachsen passiert, ist wie ein Abgesang an das Humboldtsche Bildungsideal, das vor 200 Jahren die deutschen Hochschulen modernisierte. Auch die Universität Leipzig, an der erst nach dieser Öffnung für die moderne Naturforschung auch solche Lehrstühle entstanden und blühten wie der der Archäologie. Jetzt bekommt der von seiner Schließung bedrohte Lehrstuhl Unterstützung durch eine Petition des Deutschen Archäologen-Verbandes e. V.

Denn natürlich ist der Lehrstuhl nicht nur ein sächsisches Spezifikum. Und er lebt auch nicht nur aus seiner glorreichen Forschungsgeschichte im alten Ägypten. Es gibt unter den Archäologie-Lehrstühlen in Deutschland auch eine gewisse Arbeitsteilung. Sie betreuen verschiedene Themenschwerpunkte und bilden vor allem angehende Forscher genau auf diesen Schwerpunktfeldern aus. Wenn Leipzig also dicht macht, muss an einer anderen Hochschule Deutschlands der Schwerpunkt “Archäologie der Alten Welt” erweitert oder neu aufgebaut werden. Einfach zu erwarten, dass jetzt die Universität in Halle im benachbarten Sachsen-Anhalt die Ausbildung mit übernimmt, ist mehr als blauäugig. So ähnlich wurde auch schon bei der angekündigten Schließung der Pharmazie argumentiert.

Tatsächlich hat die Universität Leipzig keine Spielräume. Die von Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer angewiesenen Stellenstreichungen sind unbegründet und bedeuten – egal wie das Rektorat entscheidet – einen Schnitt ins lebendige Fleisch. Die meisten Studiengänge sind sowieso schon personell unterbesetzt – ein Großteil des Studienbetriebes kann nur noch mit Teilzeitkräften und diversen prekären Beschäftigungsprogrammen aufrecht erhalten werden. Keine Hochschule in Sachsen hat zurückgehende Bewerberzahlen – gar auf das Maß, mit dem das Wissenschaftsministerium die Kürzungen begründet hat. Und das waren die mehr als verhaltenen Prognosen der Kultusministerkonferenz von 2008. Seitdem sind die Bewerberzahlen in der ganzen Bundesrepublik noch gestiegen, nicht gesunken.

Es ist ein Denken in reinen logistischen Kenngrößen, das die parteilose Wissenschaftsministerin an den Tag legt. Zur Korrektur ist sie so wenig fähig wie ihre Ministerkollegen. Denn in Sachsen regiert nicht der Ministerpräsident, der eher hilflos dreinschaut, wie die Dinge sich um ihn herum entwickeln. In Sachsen regieren der Finanzminister und der Leiter der Staatskanzlei. Beide denken nicht in Zusammenhängen oder gar Perspektiven. Beide denken in Tonnagen und Budgets. Nichts darüber hinaus. Was dann dem von ihnen 2010 zur Landespolitik gemachten Sparzwang zum Opfer fällt, ist ihnen so ziemlich gleichgültig.Wenn die Sparwut auf Kosten der Schüler und Lehrer geht, wird auch der ein wenig aufmüpfige Kultusminister gern mal zum Rücktritt gedrängt. Und durch eine Kultusministerin ersetzt, die dem verordneten Kurs weniger kritisch gegenüber steht.

Vielleicht ist es diese Angst, die auch die Wissenschaftsministerin verstummen lässt. Sie hat 2011 die Kürzungsanweisung von 1.042 Dozentenstellen an Sachsens Hochschulen durchgereicht und anschließend widerspruchslos auch die Aufsetzung des so genannten “Hochschulfreiheitsgesetzes” begleitet, das die Hochschulen endgültig zu Handlangern der ministeriellen Kürzungsanweisungen macht. Finanzielle Spielräume gibt es ja in diesen neuen “freien” Budgets nicht mehr. Bei Drittmitteln ist Sachsen ja, wie man weiß, längst an der “Spitze”: Ohne diese Fleißarbeit beim Einwerben von Förder- und Forschungsgeldern wäre der größte Teil von Forschung in Sachsen längst nicht mehr möglich.

Doch für diesen Fleiß werden die Hochschulen nicht belohnt. Das Gegenteil ist der Fall: Der enorme Fleiß wird mit Anweisungen zum Kürzen und Eliminieren beantwortet. Und selbst die Proteste von 2011/2012 haben nichts geholfen. Sachsens Regierung ist wie eine Maschine, deren Fahrer egal ist, was sich vor ihr auf der Straße befindet.Die Größenordnung, die es jetzt bei der einzigen Archäologen-Ausbildung in Sachsen betrifft: 163 Studierende, drei Dozentenstellen. Die rigide DDR-Zeit hat der Studiengang überlebt. 1990 war wie eine Wiedergeburt der sächsischen Archäologie. Das Wiederaufblühen des Faches in Leipzig wurde auch in Dresden begrüßt. “Seitdem wurde unter erheblichem finanziellen und personellen Einsatz eine zukunftsfähige Infrastruktur für Lehre und Forschung geschaffen, in deren Entsorgung der eigentliche Skandal liegt. So konterkariert der Beschluss vom 21.1.2014 den Anspruch der Universität Leipzig als geisteswissenschaftliche Volluniversität”, heißt es im Petitions-Text des Verbandes der Archäologen, der an Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer und Landtagspräsident Matthias Rößler gerichtet ist. “Besonders unverständlich ist, dass das enthusiastische Bekenntnis der Universität Leipzig zum Fach Klassische Archäologie nach 1989 bereits zwanzig Jahre später nicht mehr gelten soll und die Aufbauarbeit von Freistaat, Universität, Stadt und zahlreichen Personen und Institutionen innerhalb und außerhalb Leipzigs zur Fehlinvestition deklariert wird. Die Schließung des Faches Klassische Archäologie an der Universität Leipzig wäre also nicht nur eine beispiellose Vergeudung von Investitionen und Ressourcen, sondern hätte auch schwerwiegende Folgen für die Universität, die Stadt und das Land.”

Womit der Archäologen-Verband den Finger in eine besonders schmerzhafte Wunde legt: die Tatsache nämlich, dass der Freistaat mit seiner Kürzungsorgie sich tatsächlich benimmt wie ein Unternehmens-“Sanierer”, der alles, was nicht profitabel veräußerbar ist, einfach entsorgt.

Es ist der Geist einer Wegwerf-Gesellschaft, der in Dresden regiert. Ein Geist, der Bildung jenseits von BWL und Ingenieurtechnik für “überflüssig” und “wertlos” taxiert.

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Dass mit der Kürzungs-Anweisung an die Uni Leipzig auch die Kultur- und Wissensmetropole Leipzig gezielt geschwächt wird, hat auch OBM Burkhard Jung schon deutlich kritisiert. Seit Jahren wird in Deutschland über die wichtigste Ressource debattiert, die dieses Land hat: exzellente Bildung. Doch genau da setzt Sachsens Regierung die Schere an. Das nennt man dann wirklich: bildungsfeindlich.

Eine Diskussion darüber, wie Sachsens Hochschulen künftig einem möglichen Rückgang an Bewerbern angepasst werden könnten, gibt es nicht. Dazu gibt es auch keine verlässlichen Zahlen. Ziemlich klar ist nur, dass die Bewerberzahlen mindestens bis 2020 auf dem derzeit hohen Niveau bleiben werden und dass Sachsen als bislang attraktiver Hochschulstandort auch junge Leute zum Studium im Freistaat anzieht. Die Kürzungsorgie aber torpediert genau das. Und sie zeigt, dass sich in der sächsischen Regierung auch niemand wirklich Gedanken macht über Demografie, Fachkräftegewinnung und Forschungslandschaft. Man klebt sich nur jedes gnädig gewährte Projekt als bunte Pfauenfeder an. Mehr nicht.

Wer das komplette Statement des Deutschen Archäologen-Verbandes e. V. lesen will, findet die Petition hier: www.change.org

Der Deutsche Archäologen-Verband e. V.: www.darv.de

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