Offenen Auges ist Leipzig - nachdem die Stadt schon beim Ausbau des Netzes der Kindertagesstätten in Verzug war - in eine große Bedarfslücke bei den Schulen hineinmarschiert. Das Schulbauprogramm ist gerade erst angelaufen, die Schülerzahlen steigen weiter. Dabei hat Leipzig schon 152 Millionen Euro in seine Schulen investiert und seit dem Konjunkturprogramm 2008 sogar ein bisschen Gas gegeben.

Aber es überschneiden sich die Prozesse und stärker noch als der Rest des Freistaats hat Leipzig mit dem Zuwachs an Schülern zu kämpfen. Sachsenweit wird von rund 4.000 Schülern mehr im Schuljahr 2014/15 gesprochen. Aber allein in Leipzig beträgt der Gesamtzuwachs ab dem 1. September rund 2.500, bestätigt das Amt für Jugend, Familie und Bildung der Stadt. Und auch das durch die sächsische Bildungspolitik hausgemachte Dilemma bestätigt das Amt: “Die Anmeldungen, Aufnahmen und Klassenbildungen insbesondere in der beruflichen Bildung sind noch nicht abgeschlossen.”

Und damit wird es nicht enden. Denn die Geburtenzahlen sind ja in den vergangenen fünf Jahren weiter gestiegen. Und wird noch weiter steigen, auch wenn natürlich niemand vorausberechnen kann, wann dieser “Boom” vielleicht endet.

Aber die Stadt Leipzig schätzt derzeit, dass die Schülerzahlen in den Grundschulen mindestens bis 2024 wachsen werden. Aber auch diese Prognose kann man nur abgeben, wenn man annimmt, dass das derzeit enorme Bevölkerungswachstum von rund 10.000 Einwohnern pro Jahr in den nächsten Jahren irgendwann abflaut. Erst dann ist auch damit zu rechnen, dass die Schülerzahlen “stagnieren bzw. leicht rückläufig sein” werden.

Da die Kinder nach der Grundschule auf Oberschule bzw. Gymnasium wechseln, heißt das dort, dass der Schülerzuwachs ungefähr bis 2030 anhalten wird. Bei Förderschulen gibt sich das Amt für Jugend, Familie, Bildung sehr zurückhaltend und scheint nicht damit zu rechnen, dass die sächsische Staatsregierung ein ordentliches Inklusions-Programm hinbekommt. Was dann bedeuten würde, dass die Zahl der Schüler an Förderschulen bis 2031 weiter wächst.

Und bei Berufsschulen zeichnet sich inzwischen die nächste Wellenbewegung ab, nachdem der “Geburtenknick” vor einigen Jahren dafür gesorgt hat, dass die Schülerzahl an Leipzigs Berufsschulen einbrach. Bis 2015 rechnet die Stadt hier mit rückläufigen Schülerzahlen. Aber dann rechnet man auch hier wieder – zur Freude der Wirtschaft – mit ansteigenden Zahlen bis ungefähr 2033.

Trotzdem bleiben Frage offen: Dieses Wachstum war anhand der Zahlen absehbar, ist die Stadt unvorbereitet in ein Schuldilemma geschlittert? Hätten die jetzigen Engpässe in einigen Schulen vermieden werden können?

Da tut sich das Amt für Jugend, Familie, Bildung freilich schwer. “Es stehen in hinreichendem Maße Schulplätze zur Verfügung, nicht immer und in jedem Fall jedoch an der Wunschschule”, teilt es nun auf Nachfrage mit. “Dies betrifft insbesondere die weiterführenden Schulen. Im Grundschulbereich kann eine wohnortnahe Belegung abgesichert werden. Laut Schulnetzplanung werden für das Schuljahr 2014/15 62 Eingangsklassen im Gymnasialbereich prognostiziert. Zur Verfügung stehen 65 Eingangsklassen.”

Und wie viele Leipziger Schulen werden zum Schuljahr 2014/2015 ihre Kapazitätsobergrenze (120 %) erreicht haben?

“Da für das Schuljahr 2014/15 die Klassenbildung noch nicht abgeschlossen ist, kann darüber noch keine Aussage getroffen werden”, meint das Amt für Jugend, Familie, Bildung. “Wie im Schulentwicklungsplan der Stadt Leipzig – Fortschreibung 2012 beschrieben, wird angestrebt, dass die Richtkapazität zwischen 80 % und 120 % ausgelastet wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Schulen gleichermaßen mit 120 % überbelegt werden können. Die Entscheidung darüber hat der Schulleiter unter Beachtung aller konkreten Rahmenbedingungen zu treffen. Das bedeutet, dass eine maximale Belegung jährlich und schulbezogen bestimmt werden muss.”
Was das Amt für Jugend, Familie, Bildung nicht extra betont: Die Schulkapazität ist nur ein Teil der Gleichung. Der andere Teil sind die verfügbaren Lehrer. Da kann durchaus genug Schulraum in Leipzig verfügbar sein – wenn Direktoren nicht genug Lehrer bekommen, um neue Klassen zu eröffnen, werden Schulen und Klassen bis zur Maximalauslastung vollgestopft.

Leipzig selbst kann tatsächlich nur versuchen, so viel neuen Schulraum zu bauen, dass theoretisch alle Kinder gut untergebracht werden können. Und tatsächlich hat OBM Burkhard Jung mit dem Konjunkturpaket II von 2008 spät aber trotzdem den Schwenk vollzogen, nun auch endlich in ein größeres Leipziger Schulbauprogramm einzusteigen. Ein Schwenk, der sich auch dadurch verzögert hatte, dass die Verwaltung einige Jahre auf dem Versuch beharrte, Schulen gleich im Paket und in Privat Public Partnership (PPP) bauen zu wollen. Dem setzte die Stadtratsmehrheit dann ein Ende, weil der viel gerühmte finanzielle Vorteil des PPP-Modells über die Jahrzehnte der Laufzeit nicht wirklich belastbar war.

Immerhin schwenkte OBM Burkhard Jung dann schnell ein und nutzte 2009/2010 die Chance, aus Mitteln des Konjunkturprogramms II Schulbaumaßnahmen im Umfang von 37 Millionen Euro anzuschieben.

Dazu gehörten dann die komplexe Sanierung der Förderschule “Adolf Diesterweg” für 7,7 Millionen Euro, die Komplexsanierung von Haus II der Nachbarschaftsschule für 4,5 Millionen Euro, der Erweiterungsbau für die Christoph-Arnold-Schule in Engelsdorf für 2,4 Millionen Euro, eine neue Sporthalle für die Franz-Mehring-Schule für 2,1 Millionen Euro und eine Erweiterung der Sporthalle der 157. Schule für 1,4 Millionen Euro.

Und das hörte danach nicht auf. Im Gegenteil. In einigen Ortsteilen in der Mitte – wie im Waldstraßenviertel – schob sich das Problem erst recht als düstere Wolke zusammen. Ein Rennen gegen die Zeit.

“Seit 2009 wurden in der Stadt Leipzig erhebliche Anstrengungen unternommen, um schulische Kapazitäten durch Neubauten und Reaktivierungen ehemaliger Leerstandsobjekte zu schaffen und vorhandene schulische Kapazitäten zu sichern”, betont das Amt für Jugend, Familie, Bildung. “Diese Schwerpunktsetzung ist notwendig, um der demographischen Entwicklung gerecht zu werden. Dazu wurden 2011 bis Juli 2014 bauliche Investitionen im Umfang von 115 Millionen Euro getätigt.”

Eine Auswahl der Sanierungs- und Neubaumaßnahmen 2011 bis 2014:

  • Rekonstruktion der Humboldt-Schule in Reudnitz-Thonberg für 10 Millionen Euro
  • Rekonstruktion der Immanuel-Kant-Schule in der Südvorstadt für 11,8 Millionen Euro
  • Sanierung und Erweiterung der Anton-Philipp-Reclam-Schule für 10,8 Millionen Euro
  • die Reclam-Schule bekam gleich noch eine Dreifeld-Sporthalle für 4,2 Millionen Euro
  • Rekonstruktion der 68. Schule, Breitenfelder Str. 19/21 für 7,2 Millionen Euro
  • aktuell noch im Bau ist die Zweifeld-Sporthalle für die 68. Schule für 3,2 Millionen Euro
  • Teilsanierung der Lene-Voigt-Schule in Lößnig für 3,4 Millionen Euro
  • Reaktivierung der ehemaligen 57. Schule für 600.000 Euro
  • Neubau Pablo-Neruda-Schule mit 1-Feld-Sporthalle für 11,8 Millionen Euro
  • Neubau Erich-Kästner-Schule mit Dreifeld-Sporthalle für 14,0 Millionen Euro

Neuen Brandschutz bekamen das Berufsschulzentrum (BSZ) 11 – “Henriette Goldschmidt” für 800.000 Euro und die Förderschule “Johann Heinrich Pestalozzi-Schule” für 400.000 Euro. Die Förderschule “Albert Schweitzer” wurde für 1,1 Millionen Euro teilinnensaniert.

Weitere Brandschutzmaßnahmen, energetische Sanierungen, Sanitärsanierungen, Freiflächenprojekte an verschiedenen Standorten kosteten zusammen 36 Millionen Euro, teilt das Amt für Jugend, Familie und Bildung mit. Und da ist der Neubau für die 3. Grundschule noch genauso wenig dabei wie der Umbau der beiden Schulen in der Gorkistraße zu einem neuen Gymnasium.

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