"Rund 60 Prozent der Deutschen finden es unfair, Angebote im Internet zu nutzen, bei denen Künstler und ihre Partner nicht an den Einnahmen beteiligt werden. Nahezu jeder Zweite befürchtet Schäden für die Volkswirtschaft und das gesellschaftliche Wertesystem durch Verletzungen des Urheberrechts", stellt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Zusammenhang mit der am Montag vorgestellten "Studie zur Digitalen Content-Nutzung 2013" fest.

72 Prozent fordern, dass die allgemein gültigen Umgangsregeln, die in der physischen Welt gelten, auch für das Internet gelten sollen. Nur eine Minderheit von 15 Prozent ist der Meinung, dass urheberrechtlich geschützte Werke im Internet generell umsonst zugänglich sein sollten. Dies sind zentrale Ergebnisse der “Studie zur Digitalen Content-Nutzung 2013” (DCN-Studie), die am Montag, 22. April, vom Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI), dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. und der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e. V. (GVU) in Berlin vorgestellt wurde.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist mit dem existierenden legalen Online-Angebot zufrieden. Mit 80 Prozent bleibt die Quote zufriedener Nutzer von Online-Musikangeboten auf einem konstant hohen Niveau, bei den E-Books (76 Prozent) sowie Spielfilmen und Fernsehserien (71 Prozent) konnten sogar Steigerungen der Zufriedenheit im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden. Als Vorteil kostenpflichtiger Angebote benannten 69 Prozent der Bevölkerung die Unterstützung der Urheber und Künstler. Rechtskonformes Verhalten ist ein wesentlicher Grund für 76 Prozent, solche Internetplattformen zu nutzen.

Befragt wurden übrigens 10.000 Personen im Februar 2013. Und eine Mehrheit bestätigt, dass es mittlerweile ausreichend legale Angebote für Downloads im Internet gibt – 80 % bei Musik, 76 % bei E-Books, 71 % bei Filmen und Fernsehserien. Man muss also nichts illegal herunterladen.

Zwar meinen 69 Prozent, dass es unfair ist, Angebote im Internet zu nutzen, bei denen die Urheber nicht beteiligt werden. Aber 31 Prozent scheinen da mittlerweile doch von der Kostet-nix-Mentalität angesteckt zu sein. Zumindest gibt es da einige Unschärfen. Aber das Bewusstsein dafür, dass man sich eigentlich unrechtmäßig verhält, wenn man illegal etwas herunterlädt, wächst. Auch der Fall jener dubiosen Angebote wie kino.to wurde abgefragt. 2010 hielten noch 24 Prozent das Herunterladen von aktuellen Kino-Titeln dort für erlaubt, 2012, nach dem staatsanwaltlichen Zugriff etwa auf kino.to, waren es nur noch 12 Prozent. Oder immer noch 12 Prozent.

Die Möglichkeit, alles, was irgend digital zur Verfügung steht, auch unendlich oft kopieren zu können, hat natürlich völlig neue Konfliktfelder eröffnet. 2012 wurde auch erstmals abgefragt, wie das mit dem Weitergeben von kopierten E-Books ist. Bei einem gedruckten Buch ist das klar: Das kann man weiterverschenken, so oft man will. Aber eine digitale Datei, die man einfach von Gerät zu Gerät weiterschicken kann? – Dass nur 5 Prozent sagen, das sei rechtlich nicht einwandfrei, erstaunt schon. Sind Buchleser gesetzestreuer? Oder entspringt der Wert auch schon dem geschärften Bewusstsein dafür, dass man sich hier nicht rechtmäßig verhält?

Auf jeden Fall stellt die Studie fest, dass vor allem junge Leute mit dem Thema eher lässig umgehen. Aber auch da ist es eine klare Minderheit. Was natürlich wieder zu denken gibt: Wer bestimmt dann eigentlich die Diskussion, wenn nur eine Minderheit von in der Regel unter 10 Prozent das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Inhalten für erlaubt hält? – Beim Einstellen solcher Inhalte ins Internet sind es auch nicht viel mehr. Auch wenn die Studien-Ersteller betonen, dass 17 Prozent der Teenager das Einstellen dieser Dateien in “social networks” für erlaubt halten.

Diskutiert wird aber die ganze Zeit, als wenn 70 oder gar 90 Prozent der Jugendlichen sich so verhielten.Die Studie rückt also auch ein paar Einsichten zurecht. Und die klare Aussage ist: Illegale Downloads sind Angelegenheit einer echten Minderheit. 84 Prozent der Befragten wissen, dass illegale Downloads rechtliche Konsequenzen haben. Die Schwierigkeiten fangen eher mit der Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Angeboten an. Nur jeder Dritte kann das nach eigener Aussage leicht unterscheiden. Trotzdem alles erstaunliche Zahlen, wenn man gleichzeitig erfährt, das sich nur etwa die Hälfte der Befragten für die Debatte um das Urheberrecht interessiert. Die anderen interessieren sich gar nicht dafür – oder wissen nicht einmal, worum es geht.

Zwar stellen die Erarbeiter der Studie fest: “Fast 2/3 der Bevölkerung hat Verständnis für das Bemühen der Kreativwirtschaft zur Rechtsdurchsetzung im Internet.” Aber tatsächlich ging es nur um Musik, Filme und E-Books. 25 Prozent der Befragten glauben zwar, dass sie die kreativen Urheber der Produkte nicht schädigen. Aber einer wachsenden Mehrheit ist sehr wohl bewusst, dass sie zuallererst die Kunstschaffenden bestehlen, auch wenn sich die deutschen Debatten in den letzten Jahren fast nur um das dubiose Leistungsschutzrecht für Großverlage gedreht haben.

Das ist ein Grundproblem in der deutschen Diskussionskultur: Ein paar Großsprecher übertönen alles, ziehen das Thema im Eigeninteresse zu sich auf den Tisch und drücken dieses Eigeninteresse dann auch politisch durch. Die eigentlich wichtigen Diskussionen aber werden an den Rand gedrängt.

Nur 14 Prozent sagen, dass das Urheberrecht in der digitalen Welt nicht mehr gelten soll und abgeschafft gehöre. 66 Prozent stimmen der Aussage “Die Grundidee des Urheberrechts, dass ein Künstler selbst bestimmen kann, was mit dem passiert, was er geschaffen hat, ist auch heute noch richtig” zu.

Zwei Drittel sind für ein Werbeverbot auf illegalen Seiten.

Fast wäre dabei untergegangen, dass auch eine ganze Reihe deutscher Anwälte mit diesem Thema auf Fischzug gingen und reihenweise Abmahnungen verschickten. 2011 scheint der Höhepunkt dieser Abmahnwelle gewesen zu sein. 2012 waren die abgefragten Zahlen dazu etwas rückläufig.

“In der Studie zeigt sich auch eine deutliche Kluft zwischen dem Interesse der Deutschen auf der einen und den Antworten der politischen Parteien auf der anderen Seite: Obwohl sich rund die Hälfte der Bevölkerung für die Debatte um das Urheberrecht interessiert, kennt die große Mehrheit der Deutschen (69 Prozent) die konkreten Standpunkte der Parteien zu diesem Thema nicht”, heißt es noch zur Auswertung dieses Punktes. Aber mal ehrlich: Wer kann überhaupt noch alle Positionen der deutschen Parteien in dieser Debatte auseinanderfitzen?

Etliche Politiker haben ja geradezu ihr Bestes gegeben, die Positionen weiter zu verwässern. Was fehlt, sind wirklich klare Linien. Solche, wie sie auch in der Umfrage sichtbar wurden. Denn es gibt keine wirklich ehrlichen Argumente, die im Internet andere Verhaltensregeln erwarten ließen als in der Realität außerhalb des Netzes.

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: “Die Menschen haben ein feines Gespür für faule Ausreden und akzeptieren Urheberrechtsverletzungen nicht. Sie wissen, dass diese zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Die Politik sollte dafür sorgen, dass der Ehrliche nicht länger der Dumme ist und endlich wirksame Instrumente der Rechtsdurchsetzung auf den Weg bringen.”

Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

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