Sie gibt sich ganz brav, die Sommer-Ausgabe der Leipziger Straßenzeitung KiPPE, die Nr. 167 mit dem Titel "Radeln, reiten, reisen ..." Sie soll vor allem Lust auf neue Ausflugsentdeckungen in Leipzig und Umgebung machen, teilt die Redaktion mit. Und: Wer denkt, dass wir mit der Zeit doch alles "abgegrast" haben müssten, der irrt.

Es gebe noch genug aufzuspüren und zu erleben, zum Beispiel auf dem Gose-Weg zwischen Leipzig und Halle. Oder: Leipzigs älteste Sportstätte, die Rennbahn Scheibenholz, feiert ihren 150. Geburtstag. Die grüne Attraktion inmitten der Stadt ist den KiPPE-Autoren ebenfalls einen Abstecher – auch in historischer Hinsicht – wert.

Die Kehrseite des diesjährigen Frühsommers waren Hochwasser und Unwetter. Sicher stecken die schlimmen Ereignisse noch vielen Betroffenen in den Knochen. Und da kommt eine besondere Geschichte ins Bild: Mit einem Verkäufer wollte eine KiPPE-Autorin einen Spaziergang entlang der Flüsse machen und diesen Ausflug zu einem Rückblick im Leben des Verkäufers nutzen. Aus der Tour wurde ein “Bridge Over Troubled Water”, wie es Simon & Garfunkel einst besangen. Das bewegte, unruhige Leben des Verkäufers mit vielen Abgründen macht nicht minder betroffen.

Aber es zeigt eben auch jenes Leipzig, für das die KiPPE auch steht und über da man viel zu wenig liest in den Medien dieser Stadt: das Leipzig derer, die immer am Rand der Völle lebten, die vom Schicksal gebeutelt wurden und manchmal im Straßenbild so selbstverständlich sind, dass den Vorübergehende gar nicht auffällt, dass hier einer steht, der immer gegen den Wind segeln musste.

Vielleicht gibt’s ja in künftigen KiPPE-Ausgaben mehr davon. Geschichten von Menschen, die trotz all ihrer Mühen in das raue Fahrwasser am Grund der Gesellschaft geraten sind.
Aber es gibt auch noch viele, viele andere, die längst den kalten Wind dieser widrigen Verhältnisse spüren. Ein OBM kann sich über schön frisierte Zahlen freuen. Aber was tut man, wenn man schon in jungem Alter lernt, dass ein prekärer Job in einer dieser neuen Leipziger Dienstleistungstempel ein Gnadenbrot ist? Ein schlecht bezahltes, ein seelenloses sowieso. Eine ganze Seite ist diesen jungen Leuten gewidmet, die eher nicht über das klassische Konfliktfeld Freizeit/Freie Zeit und Langeweile sprechen, sondern über ein in jünger Zeit erst aufmerksamer beobachtetes Phänomen namens “Boreout”.

Natürlich ist das Gefühl der permanenten Unterforderung noch keine Krankheit. Aber krank machen kann so eine Art Arbeiten schon machen – denn weder erschließt sich aus vielen dieser wie Sauerbier angebotenen Bereitschaftsdienste irgendein Sinn, oft genug wird der Beschäftigte sogar Teil eines technisierten und völlig seelenlosen Prozesses. Und das schleppt sich – wie einige Betroffene erzählen – bis in die Freizeit. Die sinnlose Arbeit hat Folgen.

Was vielleicht weitere Folgen hat in der KiPPE. Denn wann, wenn nicht jetzt, sollte man endlich wieder über den Sinn und die Rolle von Arbeit in unserem Leben nachdenken? Denn ein Leben ist viel zu kurz, um es so zwangsläufig im falschen Sein zuzubringen: “Wenn diese Zeit zur Qual wird”.

Natürlich gibt es auch Ausflüge in Leipzig und Umgebung, die so eher selten publik werden: einer zur Rittergutskirche Kleinliebenau, einer zum Holzspielzeugmacher Jörg Liebe und einer zu einem auch von der SPD fast vergessenen Jubilar: Der 100. Todestag von “Arbeiterkaiser” August Bebel ist dran.

Das neue KiPPE-Heft bekommt man jetzt wieder für 1,60 Euro bei seinem Lieblings-Straßenverkäufer vor der Kaufhalle oder auf der Promenade.

Mehr zur KiPPE:
www.kippe-leipzig.de

Wikipedia zu “Boreout”:
http://de.wikipedia.org/wiki/Boreout

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