Mit viel Getrommel wurde 2016 in Leipzig das Deutsche Medienschiedsgericht mit Sitz auf dem Mediencampus Leipzig aus der Taufe gehoben. 2015 war die sächsische Landesregierung vorgeprescht und hatte diese Gründung initiiert. Jetzt, zwei Jahre nach Gründung, wollte Antje Feiks, medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, schon gern mal wissen, was aus der „bundesweit einmaligen Institution“ eigentlich geworden ist.

Anfang 2017 sollte sie ja ihre Arbeit aufnehmen. Und so, wie die Ankündigungen 2016 klangen, lechzten die großen deutschen Medienunternehmen geradezu danach, dass diese Schiedsstelle in Leipzig endlich ihre Arbeit aufnimmt. Ganz so, als würden sie einander vor Gericht ständig gegenüberstehen und für ihre Hausjuristen gewaltige Geldsummen verbraten.

„Mit dem Deutschen Medienschiedsgericht gibt es für Medienunternehmen eine interessante Alternative zu einem mitunter langwierigen Gang durch die Instanzen“, hatte der damalige sächsische Medienminister Dr. Fritz Jaeckel erklärt. „Auf diese Weise können Konflikte schneller verbindlich gelöst werden – und das auf höchstem fachlichen Niveau. Das sorgt innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes für Rechtsklarheit und damit auch für Planungs- und Investitionssicherheit der beteiligten Parteien.“

Wobei man sich so als kleines Leipziger Medienunternehmen schon etwas wunderte: Klärten die Großen Tiere ihre Streitigkeiten (mal abgesehen von den ganzen Ärgernissen mit den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten) nicht für gewöhnlich unter sich?

„Denkbare Sachverhalte, bei denen das Medienschiedsgericht tätig werden könnte, sind unter anderem Fragen der Abgrenzung der Tätigkeitsfelder privater und öffentlich-rechtlicher Medien in der digitalen Welt, zur rechtlichen Zulässigkeit neuer Geschäftsmodelle im Medienbereich und zu urheberrechtlichen Ansprüchen“, hatte die Sächsische Staatskanzlei damals als Möglichkeiten skizziert.

Aber wie unabhängig entscheidet eigentlich so ein Schiedsgericht, wenn die Großen Tiere alle schon Mitglied im Trägerverein Verein „Deutsches Medienschiedsgericht“ sind? „Neben dem Freistaat Sachsen und der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig sind der MDR und das ZDF sowie Verbände und Unternehmen aus der Medienbrache in dem Trägerverein vertreten, darunter der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und der Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber“, hatte die Staatskanzlei vermeldet.

Mitglied im Verein darf übrigens werden, wer bereit ist, 500 Euro Jahresbeitrag zu zahlen. Mittlerweile wird auch eine Mitarbeiterin für die Geschäftsstelle gesucht.

Aber um Öffentlichkeit geht es gar nicht so sehr. Es ist gar kein öffentliches Gericht, sondern ein Schiedsgericht. Und es geht den Großen Tieren eigentlich darum, öffentliche Prozesse bei Konflikten eher zu vermeiden. Jeder, der Bedarf hat, kann das Gericht anrufen. Der Mindeststreitwert liegt bei 100.000 Euro, kann aber, wenn der Streitfall zur Klärung medienrechtlicher Fragen auch für die Branche interessant sein könnte, gesenkt werden.

„Das Deutsche Medienschiedsgericht verfolgt das Ziel, Streitfälle deutlich schneller und damit für die Beteiligten wirtschaftlicher zu lösen. Voraussetzung ist, dass sich die beteiligten Streitparteien darauf verständigen, das Deutsche Medienschiedsgericht um einen Schiedsspruch zu bitten. Diese Verständigung erfolgt im Rahmen der sogenannten Schiedsklausel. Im Rahmen dieser Vereinbarung ist es auch möglich festzulegen, dass das Verfahren vertraulich behandelt wird. Beide Parteien verständigen sich außerdem im Vorfeld darüber, ob der Schiedsspruch abschließend ist, oder noch der Weg zu den ordentlichen Gerichten beschritten werden kann“, beschreibt das Schiedsgericht sein Anliegen.

Man kommt schon ins Grübeln über solche Sätze. Es ist ja ganz nett, wenn die großen Medienunternehmen sich mit solchen Schiedsverfahren (auf Wunsch abseits der Öffentlichkeit) teurere Gerichtsprozesse ersparen. Aber es sieht eigentlich eher wie eine Institutionalisierung der unterschiedlichen Konzerninteressen aus, wie man das aus bilateralen Vereinbarungen der Branche hinter verschlossenen Türen schon kennt.

Aber wie groß ist das Streitpotenzial eigentlich?

Was ist in den letzten anderthalb Jahren wirklich im Mediencampus Leipzig schon ausgestritten worden?

Nichts, teilt jetzt der Nachfolger von Fritz Jaeckel im Amt des Sächsischen Medienministers, Oliver Schenk, mit.

„Im Berichtsjahr 2016/2017 wurden seitens des Präsidiums und der Schiedsrichter unterschiedliche Fallkonstellationen mit potentiellen Streitparteien diskutiert. Das Stadium der Anhängigkeit hat keine dieser Fallkonstellationen erreicht“, antwortet Schenk auf die Frage von Antjke Feiks. Und: „Im Berichtsjahr 2016/2017 wurden keine Fälle durch das Deutsche Medienschiedsgericht entschieden.“

Ganz so dringend scheint also die Gründung so eines Schiedsgerichts nicht gewesen zu sein. Den eigentlichen Ärger hat man ja eher mit Mediengiganten, die nicht mal die EU als ernst zu nehmende Instanz ernst nehmen: den großen Medienkonzernen Facebook, Google & Co.

Die Anfrage von Antje Feiks (Die Linke). Drs. 13645

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