Mit dem 92jährigen Lehman Riggs kehrte in der vergangenen Woche der wohl letzte noch lebende amerikanische Befreier Leipzigs aus dem April 1945 in die Messestadt zurück. "War is horrible", Krieg ist furchtbar, ist seine Botschaft. An seinen im Capa-Haus gefallenen Kameraden Raymond J. Bowman soll künftig eine Straße in Lindenau erinnern.

Lehmann Riggs ist an diesem Sonnabendvormittag, 14. April, sichtlich gerührt. Die Bürgerinitiative Capa-Haus um den Leipziger Wissenschaftler Ulf-Dietrich Braumann, den Kabarettisten Meigl Hoffmann und den Landtagsabgeordneten Volker Külow hat ihn in das Central Kabarett am Markt eingeladen.

Die Matinee ist seinem am 18. April 1945 gefallenen Kameraden Raymond J. Bowman (1924 – 1945) gewidmet. Der junge Gefreite (Private first class) hatte am Nachmittag des 18. April 1945 gemeinsam mit Lehman Riggs ein schweres Maschinengewehr im zweiten Obergeschoss des damaligen Hauses Frankfurter Straße 39 in Stellung gebracht. Von dort aus sollten sie die Zeppelinbrücke als Übergang über das Elsterflutbecken im Zuge der heutigen Jahnallee sichern.

Zu ihnen ins Zimmer kam der weltberühmte Fotograf und Kriegsberichterstatter Robert Capa (1913 – 1954). In diesem Moment traf eine Kugel, höchstwahrscheinlich von einem deutschen Scharfschützen, Bowman tödlich. Capa hielt den Tod des jungen Soldaten mit seiner Kamera fest. Gut einen Monat später gingen die Bilder vom “letzten Toten des Krieges” im Life-Magazine um die Welt.
Die Identität des in Leipzig-Lindenau gefallenen jungen Soldaten blieb offiziell lange ungeklärt. Für die Familie des Toten war sie jedoch von Anfang an klar. Das geht aus einer Schilderung von Bowmans Nichte Johan Faulkner hervor, die Ulf-Dietrich Braumann auf der Matinee verlas.

Demnach habe Raymond Bowmans Mutter die Nachricht vom Tode ihres Sohnes anfangs nicht glauben wollen, solange ihr diese nur per Brief und nicht persönlich von einem offiziellen Vertreter der US Army überbracht worden sei. Auf die Nachfrage eines der Bowman-Brüder teilt die Army mit, man möge sich doch die neueste Ausgabe des Life-Magazines kaufen.

Beim Anblick der Capa-Bilder, so Faulkner weiter, sei der Familie klar geworden, dass der Tote ihr Verwandter ist. Durch Vermittlung des örtlichen Senators des Staates New York erhielt die Familie dann auch die Original-Fotos ohne Anonymisierungen.

Nach dem offiziell unbekannten Soldaten habe später niemand mehr gefragt, berichtet seine Nichte. Das änderte sich, als die L-IZ und andere Medien im letzten Herbst über den drohenden Verfall und Abriss des Hauses in der heutigen Jahnallee 61 berichteten.

Die genannte Bürgerinitiative warb für den Erhalt des Hauses und bemühte sich um die Klärung der noch offenen historischen Fragen. So drang die Kunde von den Nachforschungen nach seinem gefallenen Kameraden auch zu Lehman Riggs in den US-Staat Tennessee. Schnell war der Kontakt zu den Leipziger Capa-Haus-Aktivisten hergestellt.

Lehman Riggs heutigen Aufenthalt in Leipzig zahlt der MDR. Über die Geschehnisse rund um die Befreiung Leipzigs von der NS-Diktatur wird der Sender am 8. Mai, 20.15 Uhr, im Rahmen seiner Sendereihe “Der Osten – Entdecke wo Du lebst” berichten.

Riggs selbst hatte sich bis vor kurzem nicht vorstellen können, dass er noch einmal nach Leipzig zurückkehren würde. Er hat die Stadt, so wie sie heute ist, nach eigenem Bekunden in sein Herz geschlossen.Die Einladung in die Messestadt versteht der 92jährige als Ehrung für all die tapferen, guten Männer, die damals kämpften und starben. Natürlich besonders für Raymond J. Bowman, mit dem er ab Dezember 1944 in der D-Kompanie – der Maschinengewehrkompanie – des I. Bataillons des 23. Infanterieregiments der 2. US-Infanteriedivision Dienst tat. Deren Divisionsemblem, der “Indian head”, ziert auch heute noch die Uniformjacke, die der Veteran bei der Matinee trägt.

“War is horrible”, lautet Riggs Botschaft 67 Jahre nach den historischen Geschehnissen. Er sagt sie sehr emotional ergriffen im Zusammenhang mit Fragen nach seinem Verhältnis zu Raymond J. Bowman. Wie beiläufig fällt der Satz, dass für MG-Besatzungen die Anweisung galt, sich regelmäßig an der Waffe abzuwechseln.

Auch wenn es unausgesprochen bleibt, wird klar: Kriegseinsatz ist die permanente Todeslotterie. Doch anders als durch den Einsatz massiver militärischer Mittel war damals die Menschheit nicht von der Geißel des Nationalsozialismus zu befreien.

Die Bürgerinitiative Capa-Haus wird sich weiter dafür einsetzen, dass Leipzigs Befreiern des Jahres 1945 ein würdiges Andenken zuteil wird. “Aufgrund der großen Öffentlichkeit sind wir vorsichtig optimistisch, das Haus in wesentlichen Teilen zu erhalten”, gibt sich Ulf-Dietrich Braumann nach dem Erwerb des Hauses durch eine Zahnärztin aus dem westfälischen Münster optimistisch.

Der Landtagsabgeordnete und promovierte Historiker Volker Külow schlägt zudem für die Initiative die Benennung einer Raymond-J.-Bowman-Straße in Leipzig vor. Das symbolische Straßenschild ist schon gefertigt und wird Riggs überreicht.

Im Blick hat die Initiative dabei die so genannte Verlängerte Erich-Köhn-Straße zwischen der Kreuzung vor dem Capa-Haus und der Luppe. Formal gilt die Straße als nicht benannt. Zudem soll sie als Zufahrt für einen Parkplatz im Zusammenhang mit Veranstaltungen im Sportforum und in der Arena demnächst ausgebaut werden.

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