Das Jahr 2013 wirft seine Schatten voraus. Auch die Völkerschlacht von 1813 hatte ihre Vorereignisse. Dazu gehört der wahnwitzige Marsch der Großen Armee nach Russland. Ein Ereignis, das in späteren Kriegen schlechtes Beispiel für genauso größenwahnsinnige Nachahmer war: Am 24. Juni 1812 überquerte die "Grande Armee" unter Napoleons Befehl ohne Kriegserklärung die russische Grenze. Daran erinnern in diesem Jahr zwei Europa-Ritte. Einer machte am 12. Mai in Leipzig Station.

Am Nachmittag des 12. Mai passierte die niederländische Reisegruppe um Joost van Hövell tot Westervlier vor Paunsdorf die Leipziger Stadtgrenze. Eine reichliche Stunde später, gegen 16.30 Uhr, erreichte der Tross das Völkerschlachtdenkmal, das zentrale Etappenziel. Hier wurden die Gäste im Namen der Stadt von Steffen Poser, Leiter des Völkerschlachtdenkmals, begrüßt.

Ebenfalls empfangen wurden sie von Marit Schulz, Prokuristin der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) und Leiterin der AG Kommunikation und Marketing der Steuerungsgruppe „Leipzig 1813-1913-2013“ sowie von Erwin van Donk, Generalbevollmächtigter des Netherlands Business Support Office (NBSO). Gemeinsam unterstützen LTM und NBSO die Organisation der Reise durch Mitteldeutschland.

Rund 1.300 Kilometer hat Joost van Hövell tot Westervlier mit seinem fünfköpfigen Team in den zurückliegenden 16 Tagen in einer historischen Pferdekutsche von dem 37.000-Einwohner-Städtchen Smorgon (Weißrussland) bis nach Leipzig zurückgelegt. Seit dem 27. April sind die Niederländer auf den Spuren Napoleons unterwegs. In diesem Fall: Den Spuren von Napoleons Flucht im Herbst 1812, als sein großer Plan, die russische Hauptstadt zu erobern und damit den Gegner Russland in die Knie zwingen zu wollen, grandios gescheitert war.

Der französische Herrscher hatte nach dem katastrophalen Scheitern seines Russlandfeldzuges am 5. Dezember 1812 in Smorgon die Führung der Grande Armée an Marschall Murat übergeben und im Pferdeschlitten die Rückreise nach Paris angetreten. Entlang dieser geschichtsträchtigen Route legt der niederländische Tross 200 Jahre später täglich zwischen 75 und 100 Kilometer zurück, um nach vier Wochen am 24. Mai Paris zu erreichen. Die Vorbereitungen für die abenteuerliche Reise dauerten zwei Jahre.

Eigens für dieses Projekt wurde die Stiftung „Napoleon 1812“ in Leben gerufen. In ihr haben sich Initiator Joost van Hövell tot Westervlier und eine Anzahl Pferdesportliebhaber vereinigt: Gerrit Haakmeester, Harry Mulder, Hein Heun und Bennie Heun.

Eine historische Kutsche aus dem Jahr 1900 und die Pferde wurden mit einem Trailer an die weißrussische Grenze transportiert, wo die Tour begann. Die Reise übner 2.300 Kilometer führt von Litauen über Polen und Deutschland nach Frankreich. Fünf Wochen ist das Team unterwegs. Zum Konvoi gehört auch ein Kleinbus für die Begleiter. Zwei Journalistik-Studentinnnen, Lieke Zweers und Mariëlle Vermeer, berichten täglich über den Reiseverlauf. Auf Basis der historischen Gegebenheiten wurde eine ausführliche Reiseroute erarbeitet.

So erreichte die Gruppe nach ihrem Aufbruch am 10. Mai vom polnischen Zebryzydowa am selben Tag die deutsche Grenze bei Görlitz und erreichte Bautzen. Am Freitag, 11. Mai, waren Dresden und Meissen die Etappenorte. Von Meißen ging es am Samstag, 12. Mai, von Meissen nach Leipzig, wo es dann am Nachmittag das Fotoshooting am Völkerschlachtdenkmal gab.
Steffen Poser, Leiter des Völkerschlachtdenkmals, freute sich logischerweise über die frühe Aktion im Vorfeld der 200-Jahr-Feiern im nächsten Jahr.

„Nachdem wir bereits im vergangenen Jahr über dieses Projekt gesprochen hatten, freue ich mich heute umso mehr, Sie heute hier am Fuße des Völkerschlachtdenkmals begrüßen zu dürfen. Froh bin ich auch, dass Sie uns an diesem schönen Maiwochenende besuchen und nicht wie einst Napoleon im Dezember bei Eis und Schnee. Ihre Reise erinnert an den Ritt Napoleons von Russland nach Paris vor 200 Jahren. Ich finde, es ist eine großartige Idee, die zeigt, dass Europa mehr ist, als Finanzkrise, Rettungsschirm und Energiesparlampen“, sagte er.

„Europa ist viel älter als das, viel mehr als ein unterzeichneter Vertrag. Es ist ein Stück gemeinsame Vergangenheit. Die Politik Napoleons und die Zeit der Völkerschlacht haben wir hinter uns gelassen und wir haben aus unserer Geschichte gelernt.“

Joost van Hövell tot Westervlier, Initiator der Reise, machte es ganz historisch: „Vielen Dank für die herzliche Einladung. Vor 200 Jahren war ich schon einmal hier, wenn auch unter anderen Umständen und nur sehr kurz. Heute verweile ich nicht nur zwei Stunden, ich werde sogar in Leipzig übernachten. Als Gastgeschenk habe ich unseren Wimpel und einen Likör mitgebracht. – Was Napoleon damals in zwei Wochen bewerkstelligte, realisieren wir in viereinhalb. Wir haben es nicht eilig. Unser Ziel ist es, auf dem Ritt Geld zu sammeln für die Kinder, die noch heute unter den Folgen der Tschernobyl-Katastrophe leiden.“

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Eilig hatte es Napolon im Dezember 1812 auch deshalb, weil er in Russland fast seine ganze Armee eingebüßt hatte. Er brauchte dringend neue Mannschaften. In seinem Gefolge holte er auch alle verfügbaren Offiziere, die ihre Truppen in Russland verloren hatten, mit zurück in die von ihm besetzten Gebiete. Und auch sein Verbündeter Sachsen nahm sofort die neuen Rekrutierungen auf, um Napoleon binnen eines halben Jahres frische Truppen für die zu erwartenden Schlachten auf deutschem Gebiet zur Verfügung stellen zu können.

Eine dieser Schlachten war ja bekanntlich die Völkerschlacht bei Leipzig, die nicht nur wegen ihrer Dimension so bedeutend ist, sondern auch wegen der Tatsache, dass hier die Alliierten auch das Kampfgeschehen auf deutschem Boden endgültig für sich entschieden und Napoleon zum Rückzug nach Frankreich zwangen.

Auch das steckt heute im europäischen Gemeinverständnis: das Wissen darum, dass man sich – egal wie unterschiedlich die eigenen Interessen sind – zusammen tun muss, wenn es um die Bekämpfung eines Diktators geht. Die Holländer verbanden dies in diesem Fall noch mit einem guten Zweck.

Erwin van Donk, Generalbevollmächtigter des Netherlands Business Support Office (NBSO): „Für den guten Zweck die historische Wegstrecke Napoleons zu bereisen, zeigt einmal mehr den niederländischen Unternehmergeist. Für das NBSO und die in Mitteldeutschland lebenden und arbeitenden niederländischen Unternehmer ist es daher eine Selbstverständlichkeit, die Initiative vor Ort zu begleiten und tatkräftig zu unterstützen.“

Ziel des Mammutunternehmens ist es, Geld für Umbau und Einrichtung des „House of Peace“ im weißrussischen Kobrin zu sammeln. Das leer stehende, drei Etagen große Schulgebäude wurde von der Stiftung Gichon angekauft und soll von den Niederlanden aus als vorübergehendes Auffanglager für Kinder umgebaut und eingerichtet werden, die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe wurden. Erik Jager ist Vorsitzender der Stiftung Gichon. Er organisiert die Hilfeleistungen und die Schaffung der wichtigsten Einrichtungen in einem Gebiet, in dem bittere Armut herrscht.

Die lokale Bevölkerung ist begeistert und an der Realisierung des dringend erforderlichen Heimes beteiligt. Die Schaffung von Unterrichtsmöglichkeiten, medizinischen Einrichtungen, Sportmöglichkeiten, die Anschaffung von Computer und das Einrichten von Küchen und Schlafsälen müssen geregelt und finanziert werden. Dafür ist minimal ein Betrag von 100.000 Euro erforderlich.

Für diesen wohltätigen Zweck überreichte Erwin van Donk im Namen des niederländischen Unternehmers Alexander van Haaren (Geschäftsführer Innovate GmbH) am Samstag einen Spendenscheck in Höhe von 1.500 Euro. Einen zweiten Scheck in gleicher Höhe erhielt vor dem Hintergrund des bevorstehenden Doppeljubiläums 2013 Steffen Poser zur Sanierung des Völkerschlachtdenkmals.

Am heutigen 13. Mai brach der Tross auf der historischen Fluchtstrecke Napoleons von Leipzig nach Lützen auf und will über Naumburg und Auerstedt nach Weimar. Auerstedt erinnert dabei an die berühmte Doppelschlacht von Jena-Auerstedt am 14. Oktober 1806, bei der die preußischen Truppen den napoleonischen Truppen unterlagen und damit Napoleon den Weg öffneten zur Besetzung Preußens und Polens.

Die Folgestationen:

14. Mai: Weimar – Erfurt – Gotha-Eisenach

15. Mai: Eisenach – Vacha – Fulda – Neuhof

16. Mai : Neuhof – Schültern – Salmunster – Gelhausen – Hanau

17. Mai: Hanau – Frankfurt- Hattersheim- Kastel- Mainz – Nieder Olm

18. Mai: Nieder Olm- Alzey – Sembach- Kaiserslautern- Landstuhl

19. Mai: Landstuhl-Homburg-Rohrbach-Saarbrücken

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