Klein Klärchen kann schreiben und kritzeln, so viel sie will - es interessiert ihren Papa, ihre Mama, Oma und Opa. Aber nicht das Museum. Das wird erst hellhörig, wenn klein Klärchen nicht Klara Müller heißt, sondern - zum Beispiel - Clara Wieck. Oder Mäxchen Klinger. Dann ist die Kritzelei ein heiß begehrter Gegenstand für die Sammlung und nennt sich dann Autograph.

Übersetzt: Selbst-Geschriebenes. Berge davon sind im Lauf der Jahrzehnte im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig gelandet. 21.000 Stück, wie das Museum jetzt vorrechnet. Aber die stecke in Schubern und Kisten und Kästen. Sind dem Forscher nur zugänglich, wenn er schon genau weiß, was er sucht.

Das geht heutzutage natürlich am besten, wenn man die ganzen Berge aus Selbstgeschriebenem digitalisiert. Aus eigener Kraft hätte das Leipziger Stadtmuseum das wohl nicht geschafft. Und war deswegen froh, als es vor drei Jahren den Zuschlag für ein DFG-Projekt erhielt.

Dieses von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte dreijährige Projekt zur inhaltlichen Erschließung und Digitalisierung des Autographenbestandes im Stadtgeschichtlichen Museum ist nun abgeschlossen. Und man weiß jetzt, wie viel man da auf Papier besitzt: In diesem Zeitraum konnten über 14.000 Autographen aus den Bereichen Befreiungskriege, Musik, Theater, bildende Kunst und Stammbücher erfasst werden. Mit den bereits erschlossenen Handschriften summiert sich die Zahl der bis jetzt erfassten und digitalisierten Autographen auf immerhin 21.000 Stück von insgesamt 29.050 Autographen.

Inhaltlich handelt es sich bei den Neuaufnahmen im Bereich bildende Kunst zum Beispiel um einen 1.300 Handschriften umfassenden Briefwechsel von Max Klinger (1857 – 1920) mit seiner langjährigen Lebensgefährtin, der österreichischen Schriftstellerin Elsa Asenijeff (1867 – 1941). Die sehr intime und von starken Emotionen geprägte private Korrespondenz dokumentiert Klingers Meinung gegenüber seinem Schaffen und seinen Auftraggebern.

Weiterhin gewähren die Briefe des Lustspieldichters Roderich Benedix (1811 – 1873, nach dem Burschen ist die Benedixstraße in Gohlis benannt) sowie des Theaterkritikers Franz Emil Willmann Einblick in die bewegte Zeit des Leipziger Theaters. Willmann stand seinerzeit mit Schauspielern, Theaterdirektoren, Tänzern und Schriftstellern in schriftlichen Kontakt.

Ebenso bedeutend für Leipzig als blühende Musik- und Theaterstadt sind die Nachlässe des Juristen und Mäzens Heinrich Blümner (1765 – 1839, nach ihm ist die Blümnerstraße in Schleußig benannt) mit etwa 400 Handschriften. Als Doktor der Philosophie und der Rechtswissenschaften, Königlich Sächsischer Oberhofgerichtsrat, Mitglied des Staatsgerichtshofes, Stellvertreter des vorsitzenden Standes des Leipziger Kreises und Landtagsabgeordneter in Dresden vermitteln seine Korrespondenzen ein umfangreiches Bild der politischen Landschaft Leipzigs und Dresdens um 1800. Hervorzuheben ist dabei besonders Blümners Schriftwechsel mit Carl August Böttiger (1760 – 1835), aus dem viele Informationen zum aktuellen Zeitgeschehen hervorgehen. Durch seine zusätzliche Tätigkeit als Redakteur bei der “Leipziger Literaturzeitung”, Mitbegründer des Leipziger Stadttheaters in Zusammenarbeit mit Karl Theodor von Küstner (1784 – 1864), seine eigenen schriftstellerischen Werke sowie die Korrespondenz mit Rezensenten und Schriftstellern ergibt sich dabei auch ein umfangreiches Bild der Leipziger Kulturlandschaft dieser Zeit.

Darüber hinaus zeugen 282 Briefe und Dokumente von Friedrich Haase, Schauspieler und Intendant des ehemaligen Stadttheaters in Leipzig, von seinem Einfluss und Bekanntheitsgrad.

Ein weiterer wichtiger Bestand sind die Autographen zum Thema Befreiungskriege. Insbesondere der Nachlass des Generalauditeurs der Preußischen Armee, Karl Friedrich Friccius (1779 – 1856, liefert konkrete Informationen zur Leipziger Völkerschlacht. An ihn erinnert das Friccius-Denkmal am Grassi-Museum, das ihn als Major vermerkt. Er stand an des ostpreußischen Landwehr-Bataillons, das am 19. Oktober 1813 das Grimmaische Tor stürmte.

Im Bereich Musik sprechen vor allem die Autographen zum Leben und Wirken von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) mit insgesamt knapp 500 Handschriften für sich, die das Stadtgeschichtliche Museum glücklicherweise zum großen Teil aus der Privatsammlung von Dr. Rudolf Elvers erwerben konnte. Besonders interessant ist zudem der Nachlass der Musikschriftstellerin Marie Lipsius (1837 – 1927) mit 870 Autographen. Sie beschäftigte sich neben Franz Liszt vor allem auch mit Frauen in der Musik und schrieb zahlreiche Aufsätze zu berühmten Künstlerinnen ihrer Zeit.

Die Grundlage für die Aufnahme der Autographen bildet eine vom Zuse-Institut Berlin entwickelte Datenbank für kulturhistorische Daten mit dem Namen GOS. Das Institut arbeitet derzeit an einer eigenen Homepage für den gesamten digitalisierten Autographenbestand. Nach der Fertigstellung der technischen Bedingungen sollen die Daten der hier aufgeführten Bereiche dann vollständig über den DFG-Viewer auf der Internetseite des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig einsehbar sein. So können die zeitgeschichtlich sehr wertvollen Dokumente sowohl der Wissenschaft als auch der Öffentlichkeit dauerhaft zur Verfügung gestellt werden.

www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de

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