Es ist wieder einmal Bach-Jahr in Leipzig. Nur unterscheidet es sich ein wenig von anderen Leipziger Bach-Jahren. Denn erstmals steht sein Sohn im Zentrum der Aufmerksamkeit: Carl Philipp Emanuel Bach. Am 8. März wäre er 300 Jahre alte geworden. Und Leipzig ist eine von sechs Städten, die in diesem Jahr den großen Bach-Sohn feiern.

Carl Philipp Emanuel Bach, der zweitälteste Sohn Johann Sebastians, war einer der renommiertesten Musiker seiner Zeit. Fast drei Jahrzehnte wirkte er als Cembalist an der Hofkapelle Friedrichs des Großen in Berlin und Potsdam. 1768 folgte er seinem Patenonkel Georg Philipp Telemann in das Amt des Musikdirektors der fünf Hauptkirchen in Hamburg nach. Der Geburtstag des Komponisten jährt sich am 8. März 2014 nun also zum 300. Mal. Grund genug, den überragenden Musiker in Leipzig gebührend zu würdigen.

Die Initiative ging diesmal von der Hansestadt Hamburg aus, wo Carl Philipp Emanuel von 1768 bis 1788 als Kantor an den fünf Hauptkirchen der Stadt wirkte. Ein Job, der ihm im nicht gerade jungen Alter von 53 Jahren zufiel, nachdem er zuvor 30 Jahre am Hof Friedrich II. brillierte.

Die Hamburger sehen das Jubiläumsjahr auch als Baustein der eigenen Profilierung als Musikstadt – ganz ähnlich wie Leipzig. Ein Museumsquartier soll die große Vergangenheit sichtbar machen, in der C. P. E. Bach und sein Pate Georg Philipp Telemann (von dem Carl Philipp den Philipp hat) sichtbar machen.

Zum Auftakt des C. P. E. Bach-Festjahres erscheint nun im Lehmanns Verlag ein neuer Band mit Spaziergängen zu Wirkungsstätten Leipziger Musikerjubilare. 2013 war dort der Band zu Richard Wagner erschienen. Vom Städtenetzwerk “C. P. E. Bach 1714” initiiert, befasst sich dieser Band nun mit allen großen Lebensstationen Bachs: Weimar, Köthen, Leipzig, Frankfurt/Oder, Berlin, Potsdam und Hamburg.

Neben den Mitarbeitern des Bach-Archivs Leipzig konnten die Herausgeber Christine Blanken und Wolfram Enßlin auch lokale Experten als Autoren gewinnen, darunter der Berliner Schriftsteller Wolfgang Feyerabend. “Unterwegs mit Carl Philipp Emanuel Bach” führt den Leser zu (falls noch vorhanden: originalen) Wohn- und Arbeitsstätten Bachs.

Das “(falls noch vorhanden)” ist tatsächlich so zu lesen, wie es gemeint ist: Von den barocken Städten, in denen Carl Philipp Emanuel Bach wirkte, ist fast nichts mehr erhalten. Die wichtigsten Wirkungsstätten wurden allesamt entweder Opfer des 2. Weltkrieges – allen voran Frankfurt / Oder, wo C. P. E. Bach 1734 bis 1738 studierte, – Berlin und Hamburg. Aber auch vor dem Weltkrieg hätte Carl Philipp Emanuel seine alten Wirkungsstätten nicht wiedererkannt. Da wäre es ihm ergangen wie seinem Vater. Die alten barocken Stadtbilder wurden fast komplett schon in der so genannten Gründerzeit ersetzt. Und da sich das Leben des jungen Carl Philipp Emanuel in Leipzig 1723 bis 1734 mit dem Leben seines Vaters überschneidet, sind mit der alten Thomasschule (und der Wohnung des Thomaskantors) und den alten Universitätsbauten (wo C. P. E. Jura studierte) natürlich auch hier originale Wirkungsstätten verschwunden.Andererseits ist das Werk C. P. E. Bachs besser dokumentiert als das seines Vaters, was auch daran liegt, dass er sich selbst als Verleger betätigte und seine wichtigsten Kompositionen selbst verbreitete. Er nutzte die Chancen des aufblühenden Notendruckes – die enge Beziehung zum Leipziger Verleger Breitkopf ist belegt. Und er betätigte sich als cleverer Geschäftsmann und PR-Experte in eigener Sache. Er war in seiner Zeit berühmter als sein Vater. Die Musikwelt pilgerte zu seinen Wohnungen in Berlin und Hamburg. Erst im 19. Jahrhundert kehrte sich dann durch das Revival des “alten” Bach die Sache um – Papa Johann Sebastian stieg in den Himmel der berühmten Musiker auf, sein Sohn wurde fast vergessen. Und selbst im 20. Jahrhundert scheiterten noch zwei angedachte Gesamtausgaben seiner Werke (in den 1930er und den 1980er) Jahren.

Dabei schätzen auch heutige Musikkenner ein, dass der Sohn genauso begabt war wie sein Vater. Doch Musikrezeption geht zuweilen sonderbare Wege. Und wer es im 19. Jahrhundert nicht schaffte in den Kanon der akzeptierten Klassiker (in der Literatur ist es praktisch genauso), mit dem mühen sich Kenner, Musiker und Wissenschaftler ab, ihn überhaupt in die Aufmerksamkeit der Welt zu hieven.

Aber gemeinsam scheint das jetzt zu klappen. Die C. P. E. Bach-Gesamtausgabe ist mittlerweile auf 60 Bände gediehen – 60 weitere könnten noch folgen. Sein Werk liegt also zunehmend also wieder vor. Etliche Musiker arbeiten schon mit dem Material und auch in Leipzig wird Manches davon zu hören sein. Ganz zentral um den C. P. E. Bach-Geburtstag herum. Vom 6. bis 8. März wird eine große wissenschaftliche Tagung in Leipzig stattfinden: “Carl Philipp Emanuel Bach im Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufbruch”, die sich auch mit der Frage beschäftigen wird, wie so ein begnadeter Komponist einfach aus der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verschwinden konnte.

Am 6. März wird im Bach-Museum eine Kabinettausstellung zum 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel eröffnet. Und am 8. März gibt es in Leipzig nicht nur die Buchvorstellung seines Vokalwerkeverzeichnisses (das eigene Aufmerksamkeit wert ist), um 20 Uhr gibt es an diesem Tag ein großes Festkonzert zum Bach-Geburtstag in der Thomaskirche.

Welche Schwierigkeiten sich dann für den Biografen auftun, das Leben eines so berühmten Musikers wieder greifbar und erzählbar zu machen, darüber berichtet Wolfgang Feyerabend. Der Schriftsteller kennt sich mit der Berliner Barock- und Aufklärungsgeschichte bestens aus und konnte an die Rekonstruktion der Berliner Jahre von C. P. E. Bach mit entsprechender Kenntnis herangehen. Dem neuen Buch “Unterwegs mit Carl Philipp Emanuel Bach” hat er das Berlin-Kapitel beigesteuert und zeigt darin, wie eng die Bekanntschaft Bachs mit den Größen seiner Zeit war – von Lessing und Moses Mendelssohn bis zu Friedrich II.

Carl Philipp Emanuel hat sich aber auch für die Forschung zu seinem Vater Johann Sebastian unsterbliche Verdienste erworben, denn er hat den Nachlass seines Vaters zum größten Teil für die Nachwelt bewahrt. Verständlich, dass die Leipziger Bach-Forscher auf den Sohn genauso stolz sind wie auf den Vater und sich quasi als erste hervortun können im Reigen um C. P. E. Bachs 300. Geburtstag.

Mehr zum Buch gibt’s demnächst an dieser Stelle.

www.cpebach.de

www.bach-leipzig.de

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