Auch Goethe erwähnt ihn - fast beiläufig in seiner Fragment gebliebenen Autobiografie "Dichtung und Wahrheit". "Glücklicherweise existiert das Bild nach Graff von Bause, welches vollkommen den Mann darstellt ..." Der dargestellte Mann ist der Schweizer Dichter Johann Jakob Bodmer. Aber um den geht es heute nicht. Heute geht es mal um den Kupferstecher in diesem Satz: Johann Friedrich Bause.

Natürlich ist es erstaunlich, dass es in letzter Zeit keine Ausstellung zum Schaffen Bauses in Leipzig gab. Ebenso zum Schaffen Graffs. Als hätte die Leipziger Stadtgeschichte da einen blinden Fleck. Aber beginnen wir mit Goethe, der da drei Männer in einem Satz fast beiläufig zusammenführte. Ein wenig ärgert er sich an der erwähnten Stelle in “Dichtung und Wahrheit” über die Maler, die “einen bedeutenden Mann, den sie besuchen, gleichsam signalisieren, als wenn sie Stoff zu einem Steckbriefe geben wollten.” Das ist ein bisschen so wie heute, wenn sich ganze Pulks von Schaulustigen zusammenfinden, wenn ein Prominenter auftaucht – und ihn mit ihren Mobiltelefonen ablichten.

Nur war das im Jahr 1781, als der Dresdner Maler Anton Graff in die Schweiz reiste und dort Bodmer porträtierte, noch ein wenig anders. Fotoapparate waren noch nicht erfunden. Und talentierte Porträtmaler waren gefragt. Nur sie konnten jene Originale herstellen, die das Aussehen der für ihre Zeit berühmten Personen in der Welt bekannt machten. Porträtmaler gab es schon vorher. Doch der 1736 geborene Graff steht für etwas völlig Neues: Er gab dem neuen, aufgeklärten Bürgertum im deutschen Sprachraum ein Gesicht. Was dann wieder ein Dichter und Sammler zu schätzen wusste in Halberstadt: Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der in seinem Wohnhaus die größte Sammlung deutschsprachiger Dichter und Denker des 18. Jahrhunderts zusammentrug. Er bestellte diese Porträts sogar systematisch – nicht bei den Malern, sondern bei seinen Briefpartnern. Denn mit all diesen Leuten stand er in regem Briefwechsel. Bodmer gehörte dazu. Deswegen hängt das von Graff gemalte Bodmer-Bildnis heute im Gleimhaus in Halberstadt.

Nur nebenbei erwähnt, warum Bodmer auch für Leipzig eine wichtige Rolle spielt: Er war einer der beiden Hauptgegner im Literaturstreit mit dem Leipziger “Literaturpapst” Johann Christoph Gottsched. Damals ging es noch um die große Frage, an welchen Maßstäben sich die deutsche Literatur eigentlich orientieren sollte. Gottsched sagte Frankreich und Griechenland, Bodmer stand für England und das (deutsche) Mittelalter. Womit Bodmer zu einem der Taufpaten der dann folgenden Romantik wurde.

Aber wie gesagt: Wie wurde Bodmers Bild so bekannt, dass auch Goethe in Weimar sich Gedanken darüber machen konnte? – Es wurde natürlich kopiert und in Kupfer gestochen. Kupferstecher waren in Bauses Zeit die Hersteller der “Bilder für alle”. Üblich waren die in Kupfer gestochenen Porträts in den Büchern der Porträtierten. Aber weil nicht nur Leute wie Goethe gern ein Bild von jenen Leuten hatten, die sie nicht jeden Tag besuchen konnten, wurden die in Kupfer Gestochenen auch als Einzeldrucke verkauft. So findet man “das Bild nach Graff von Bause” heute auch im Fundus des Stadtgeschichtlichen Museums. Ordentlich mit Herkunftsangabe im Sockel: “JOH. JAC. BODMER; bez. zu. li.: A. Graff pinx.; u. re.: J. F. Bause sculps. 1784.” Graff hat’s gemalt, Bause drei Jahre später in Kupfer gestochen.
Graff war aber nicht nur ein “Reisemaler”, sondern ganz offiziell seit 1766 als Hofmaler in Dresden angestellt. Er war so gut, dass er Aufträge aus dem ganzen sächsischen Raum bekam. Und weil er diese Aufträge nicht ablehnen wollte, bat er sich beim König ein mehrmonatiges Reiserecht aus, um die Aufträge ausführen zu können. Deswegen wurde Graff – noch stärker als Johann Friedrich August Tischbein – der wichtigste Porträtmaler des aufstrebenden bürgerlichen Leipzigs. Ab 1769 ist er regelmäßig in Leipzig aktiv und malt die ganze Elite der Stadt – vom Buchhändler Philipp Erasmus Reich über den Dichter Gellert bis hin zum maßgeblichen Bürgermeister in dieser Zeit: Carl Wilhelm Müller. 200 solcher Aufträge hat er in Leipzig ausgeführt. Etliche seiner Ratsherren sind im Alten Rathaus zu bewundern. 1773 malte er auch seinen Leipziger Freund und Kollegen Johann Friedrich Bause.

Das Bild war Teil einer 40 Bilder umfassenden “Freundschaftsgalerie”, die der Verleger Philipp Erasmus Reich sich in den 1770er Jahren genauso zulegte wie drüben in Halberstadt der Dichter Gleim. Mit Bause verband Reich natürlich eine enge Arbeitsverflechtung: Bause fertigte zahlreiche Kupferstiche für Reich an. Und warum ist Reich nun wichtig? – Er stiftete 1764 die Leipziger Buchhändler zum Boykott der Frankfurter Buchmesse an, was Leipzig endgültig zur maßgeblichen Buchmesse in Deutschland machte. Ein Blick in den Kalender: das wäre 2014 ein schönes 250-Jahre-Jubiläum.

Ein anderes Datum wird am heutigen 5. Januar rund: Am 5. Januar 1814 starb Johann Friedrich Bause in Weimar. Nicht weil es ihn an den dortigen Musenhof gezogen hätte. Bause war – immerhin schon 75 Jahre alt – 1813 vor der heranrückenden Völkerschlacht nach Weimar geflohen. Bis dahin war er – seit 1805 – Professor an eben jener Kunstakademie, die in diesem Jahr als Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) ihren 250. Geburtstag feiert. Bause war spät Professor geworden, denn als Ausbilder war der 1738 in Halle geborene Autodidakt schon seit 1766 an der Akademie tätig, die damals ihren Sitz noch in der Pleißenburg hatte. Mit dem Akademiedirektor Adam Friedrich Oeser war er befreundet. Engste Beziehung pflegte er auch zum Verleger Johann Gottlob Immanuel Breitkopf, in dessen Haus er von 1784 bis 1794 wohnte, bis zu Breitkopfs Tod.In diesem Jahr musste sich Bause eine neue Wohnung suchen. Die Lust am Umziehen, für die die Leipziger noch heute bekannt sind, war also auch schon zu Bauses Zeiten bekannt, auch wenn sie wohl eher den Umständen geschuldet war. Bis 1805 wohnte Bause in der “Großen Feuerkugel” am Alten Neumarkt, und dann bezog er ein ganz besonderes Domizil: Er zog in Löhrs Haus, das der seinerzeit stadtbildprägende Baumeister Dauthe 1770/1771 für den Kaufmann Eberhard Heinrich Löhr erbaut hatte – ein Patrizierhaus im Empirestil mit großem Garten dahinter. Der Garten ist verschwunden, das Haus wurde mehrfach umgebaut und ist heute das “Hotel Fürstenhof” am Goerdelerring.

Dort erinnert keine Tafel an Bause. Dafür findet man seine Spuren in den Archiven des Stadtgeschichtlichen Museums. In Weimar hat sich sein Grabstein auf dem alten Jakobsfriedhof erhalten. Er hat seinen Malerfreund Anton Graff nur um wenige Monate überlebt. Der ist am 2. Juni 1813 in Dresden gestorben.

Bleibt trotzdem die Frage: Wie kommt ein Kupferstecher in das Palais eines reichen Leipziger Kaufmanns? – Die Antwort ist wie so oft: die Liebe. In diesem Fall die Liebe von Bauses Tochter Juliane Wilhelmine zum Bankier Carl Eberhard Löhr, der sie heiratete – und den Vater gleich als Mitgift bekam. So wurde Bauses Kunstsammlung zu einem Teil der Kunstsammlung der Familien Löhr und Keil. Und so ist auch die Flucht vor den Unbilden der nahenden Völkerschlacht nach Weimar erklärbar: Carl Eberhard und Juliane Wilhelmine nahmen den alten Mann einfach mit, als sie vor dem nahenden Schlachtgeschehen flohen.

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