So etwas nennt man eine punktgenaue Ausstellung: Zum 200. Geburtstag der großen Leipziger Fotografin Bertha Wehnert-Beckmann präsentiert das Stadtgeschichtliche Museum die große Ausstellung "Die Fotografin", die das Werk und das Leben der ersten Leipziger Berufsfotografin lebendig macht. Und seit Montag, 2. März, gibt es auch eine Tafel am einstigen Wohnhaus der Berühmten.

Elsterstraße 38 – das war 1866 noch keine Topadresse, als die gestandene Fotografin, die zuvor ihr Atelier in der Burgstraße 8 hatte. Das wurde sie erst nach und nach – auch wenn die Straße schon seit 1845 ihren Namen hatte. Aber das war die Zeit, als Carl Heine gerade erst begann, das einstige Schwemmland von Elster und Pleiße mit Schüttgut aus Plagwitz aus der Hochwasserzone herauszuheben und aus den einstigen Gartenparzellen die neue Westvorstadt wachsen zu lassen. Wer damals in der Leipziger Bürgerschaft dabei sein wollte beim neuen Wachstum der Stadt, der schaute sich in diesem trocken gelegten Westen um, sicherte sich eine Parzelle und baute, so nobel es ging.

Das wollte auch Bertha Wehnert Beckmann. 1853 kaufte sie von Carl Heine eine 3.000 Quadratmeter große Wiese. Eigentlich wollte sie erst mal nur ein kleines Gartenhäuschen hinstellen. Aber 12 Jahre ging das dann doch hin und her, war nicht recht klar, wo denn nun die endgültigen Straßenverläufe sind, wo dann also die Schauseite sein sollte. Immer neue Baupläne ließ sich die Fotografin zeichnen. Das Haus wurde immer größer und schmucker. Wer heute dort vorbeischlendert, sieht, was draus geworden ist: ein kleiner, schnuckeliger Palazzo mit Freitreppe und niedlichen Balkonen. 1865 konnten die Bauarbeiten beginnen, 1866 konnte die selbstständige Fotografin, die praktisch alles fotografierte, was in Leipzig Rang und Namen hatte, das Haus beziehen und im Atelier im Anbau mit der neuesten Technik weitermachen.

Der kleine Palazzo Elsterstraße 38. Foto: Ralf Julke
Der kleine Palazzo Elsterstraße 38. Foto: Ralf Julke

Beim Vorort-Termin frotzelt Museumsdirektor Dr. Volker Rodekamp: Damals konnte man wohl reich werden mit Fotografie. Sein Mann fürs Fotoarchiv, Christoph Kaufmann, widerspricht natürlich. Und erzählt dann doch von dem hübschen Sümmchen, das Bertha Wehnert-Beckmann in das Haus investieren konnte. Möglicherweise auch einiges geliehenes Geld darunter. Sie war nicht nur selbstbewusst, sie kannte auch die entscheidenden Leute in Leipzig, die Geld hatten und die auch bei Investitionen halfen.

Und ein bisschen hatte sie natürlich verdient in der Zeit, als ihr Atelier in Leipzig nicht nur zeitlich die Nr. 1 war, sondern auch in der Nachfrage der betuchten Kunstschaft. Und weil jedes Bild ein Unikat war, konnte sie auch entsprechende Preise verlangen. Die ihr dann auch einen gehobenen Lebensstil im neuen Leipziger Westen ermöglichten. Was nicht verhinderte, dass mit der wachsenden Großstadt auch die Fotografen-Konkurrenz wuchs. 1881 war die Zeit vorbei, in der man mit Porträtfotografie gutes Geld verdienen konnte. Wehnert-Beckmann musste das prachtvolle Haus “an ihren größten Gläubiger” verkaufen, wie Kaufmann schelmisch einwirft: den Kommerzienrat Friedrich Alfred Jacon List. 1882 spätestens zog sie aus – erst einmal in die nahe Weststraße (die heutige Friedrich-Ebert-Straße), zuletzt an den Waldplatz, wo sie 1901 hochbetagt verstarb und dann für ein Jahrhundert mehr oder weniger in Vergessenheit geriet.

Bis neulich, als Christoph Kaufmann daran ging, den Schatz ihrer Bilder aus dem Fundus des Stadtgeschichtlichen Museums zu heben und wieder nutzbar zu machen für Ausstellungen und Forschung. Denn Wehnert-Beckmann ist nicht nur fotografische Zeugin eines Leipzigs, das sich gerade erst zur Großstadt mauserte und in mancher Beziehung noch in den Kinderschuhen der technischen Entwicklung steckte. Sie selbst war stets bestrebt, die neueste Technik im Atelier zu haben. Sie hat die komplette Entwicklung von der frühen Daguerreotypie bis zur Glasplatte mitgemacht.

Alles auch am echten Objekt in der Ausstellung im Bötchergässchen zu sehen, die noch bis zum 26. April zu besichtigen ist.

Das Foto, das sie mit ihrem Hund Pluto zeigt, ist jetzt auch auf der oberen Gedenktafel am Torweg zur Elsterstraße 38 zu sehen.

Gestaltet hat die Tafeln der Leipziger Maler und Grafiker Harald Alff. Und wer kurz stehen bleibt, kann auch die wichtigsten Daten zum Leben dieser selbstständigen und auch für dieses Leipzig der Aufbruchzeit nicht typischen, sondern außergewöhnlichen Frau lesen.

Initiiert wurde die Tafel vom Stadtgeschichtlichen Museum und realisiert durch das Kulturamt. Oder umgekehrt, wie sich Volker Rodekamp bei der Gelegenheit vor Ort ausdrückt.

Der Text der unteren Tafel lautet:

“Bertha Wehnert-Beckmann
25. Januar 1815 in Cottbus – 6. Dezember 1901 in Leipzig
In diesem Haus lebte
und arbeitete
die erste Berufsfotografin Europas
von 1866 bis 1882.
In ihrem Atelier verkehrten
Persönlichkeiten
aus Kunst, Politik und Wirtschaft,
von denen sie
ausdrucksstarke Fotografien schuf.”

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