Für FreikäuferIrgendwie funktioniert das seit 2009 zu erlebende Lichtfest in Leipzig. Der größte Teil des Publikums ist jung – 50 Prozent der Besucher sind unter 50 Jahre alt. 30 Prozent der Besucher kommen von außerhalb, besonders viele natürlich, wenn ganz groß mit Spaziergang um den Ring gefeiert wird wie 2014. 2017 ist aber ein „normales“ Lichtfest-Jahr. Volker Bremer, Chef der LTM, rechnet mit 20.000 Besuchern. Am Dienstag, 5. September, ließ man schon mal ein bisschen was gucken.

Denn eigentlich ist schon alles eingerührt, was am 9. Oktober zu erleben sein soll. Mit dutzenden Ausstellungen und Veranstaltungen, die wieder in einem kleinen Programmheft aufgelistet sind. Das kann man sich zum Beispiel von der Seite lichtfest.leipziger-freiheit.de/programm.html herunterladen.

Aber die beiden Höhepunkte des 9.Oktober sind ja immer die „Rede zur Demokratie“ gleich nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche.

Wobei auch das Friedensgebet natürlich ein Höhepunkt ist, der aus der Leipziger Tradition zur Friedlichen Revolution nicht wegzudenken ist. Diesmal erst recht, denn diesmal spricht dort Reformationsbotschafterin Margot Käßmann zum Thema „Schwerter zu Pflugscharen“.

Das Friedensgebet beginnt traditionell 17 Uhr. Die „Rede zur Demokratie“ schließt sich 18:30 Uhr an, diesmal gehalten vom polnischen Publizisten und Buchautor Adam Krzeminski, einem überzeugten Demokraten, der eine Menge zu den deutsch-polnischen Beziehungen und dem aktuellen Zustand der Demokratie in Polen sagen kann.

Die Rede endet gegen 19:30 Uhr. Das eigentliche Lichtfest beginnt dann 20 Uhr auf dem Augustusplatz unter dem Motto „Aufbruch – Verantwortung – Offenheit“. Zumindest ein überraschender Dreiklang, der so eher selten auftaucht. Aber der habe seinen Grund, betonte Oberbürgermeister Burkhard Jung am Dienstag bei der Vorstellung des Programms. Denn Freiheit gebe es nur mit Verantwortung. Und ein Grundmerkmal der Friedlichen Revolution war nun einmal, dass die Akteure frühzeitig Verantwortung übernahmen – auf der Straße, im Prozess der Umgestaltung und später dann auch in der Politik.

Aber wie zeigt man so etwas? Wie bringt man das auf die Bühne?

Mit Talk, fanden die Fest-Macher um den Intendanten des Lichtfests Jürgen Meier. Der wird die 20 Meter große Leinwand wieder mit Videoclips bespielen, die den Herbst 1989 lebendig machen. Und davor wird diesmal kein Chor agieren und auch kein Ballettensemble tanzen, sondern das Jazz-Quartett von Stephan König zu erleben sein, der als Musiker eigentlich zu den prägenden Gestalten der Leipziger Szene seit 1990 gehört. Dass er aber im Herbst 1989 als Funker in der Georg-Schumann-Kaserne im Leipziger Norden saß und fürchtete, mit der Waffe gegen die Demonstranten eingesetzt zu werden, das beschäftigt ihn noch heute. Gerade weil er eben nicht wusste, ob er hätte schießen müssen.

Für das Lichtfest hat er extra eine eigene Musik komponiert, betont er. Die sich aber trotzdem in die Regie des Abends einordne. Denn zwischen den Musikstücken sollen vier Talk-Runden Platz finden, in denen Claudius Nießen (Autor und Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts) mit Journalistinnen und Journalisten spricht, die entweder den Herbst ’89 miterlebt haben oder den Wandel danach medial aufbereitet haben.

Im Einzelnen sind das: Jürgen Engert, der langjährige Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, der die Maueröffnung in Berlin miterlebte, Juliane von Reppert-Bismarck, die Gründerin der Organisation „Lie Detectors“, Anke Ertner, die den Dokumentarfilm „Generation ’89“ drehte, und Dr. Lutz Kinkel, Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig.

Es geht um persönliche Erinnerungen, aber auch um die eigene Beziehung zur gegenwärtigen politischen Situation.

Das ganze, so Nießen, werde sich dann mit Video, Jazz und Talk zu einer einstündigen Performance verbinden.

Vielleicht auch ein wenig angespannter als sonst. Die Anschläge der jüngeren Vergangenheit zeigen Folgen. Denn diesmal, so kündet LTM-Geschäftsführer Volker Bremer an, werden die Sicherheitsmaßnahmen etwas verschärft. So rät er, keine sperrigen Taschen und Gegenstände mitzubringen, denn es werde auch Taschen- und Rucksackkontrollen geben.

Dafür gibt es erstmals einen Gebärdendolmetscher für die Performance und auch ein Podest für Menschen im Rollstuhl, damit sie die ganze Inszenierung auf dem Augustusplatz besser sehen können.

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Diejenigen, die frühzeitg Verantwortung übernahmen “landeten” eher nicht in der Politik. Das waren dann diejenigen, die auf einen fahrenden Zug aufsprangen und das Führerhaus enterten. Symptomatisch.

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