Knallig-Gelb liebt Leipzigs Opern-Werbung im dritten Jahr, eine Pusteblume prangt auf der aktuellen Spielplan-Boschüre. Dazu das Wort "Vielfalt". Künftig veränderbare Kunst- und Theaterorganisation in Leipzig und darüber hinaus Mitteldeutschland spielten keine Rolle am Donnerstag bei der Spielzeit-Pressekonferenz der Opernleitung.

Wie üblich war es eine Art Versammlung diversen Hauspersonals und einiger Journalisten im Konzertfoyer des Opernhauses. Unter den Zuhörern auch der Kulturbürgermeister und der Gewandhausdirektor.

Mehr Besucher, weniger Vorstellungen, Intendant zufrieden

Im Vergleich der laufenden und die vorigen Spielzeit gäbe es mehr Besucher aber weniger Vorstellungen, erklärte Ulrich Jagels, der neue Verwaltungsdirektor, nicht näher und kündigt künftige Anstrengungen an im Vertrieb, so nennt er es marktkonform. Man wolle auch Unternehmen ansprechen. Aha, vielleicht wird demnächst das Betriebsanrecht (neu) erfunden…

Weitere Statistik gibt es nicht, nicht Auslastung oder Bilanz. Schließlich findet ja keine Aufsichtsrats- oder Aktionärsversammlung statt. Sondern es geht nur um Steuerzahlergeld… Wobei Kunst und Theater schöne Anlässe sind, Steuergelder wieder zu sehen.

Im Spielzeitbuch von 240 Seiten geht Bestand vor Neuerung. Repertoire wird aufgelistet, zwischendrin stehen die Premieren.

“Offen für die Menschen dieser Stadt” (Burkhard Jung im Vorwort)

Im Opernhaus wird es Richard Strauss “Die Frau ohne Schatten” geben, “The Rakes Progress” von Strawinsky in Koproduktion mit Venedig, dem Haus der Uraufführung, Donizettis “Don Pasquale” und Richard Wagners “Liebesverbot” in Kooperation mit der Bayreuther BF/Medien-GmbH (die setzt sich finanziell anders zusammen als die Bayreuther Festspiele.) Der von Rosamund Gilmore hoffnungsvoll angelegte “Ring” geht weiter mit der “Walküre” am 7. Dezember 2013.

“Leipziger lieben Belcanto”, schätzt der Intendant ein, und hat Festtage für Freunde der italienischen Oper im Blick. “Offen für die Menschen dieser Stadt” schreibt Oberbürgermeister Burkhard Jung im Spielzeit-Broschüren-Vorwort. Doch ist das Theater nicht an sich eine Leipziger Bürgerinitiative, und eine Einladung der Leipziger an Kunst und Künstler von überallher? Sie ist es. Seit 1693.

Sie, die Leipziger, nehmen es in Beschlag: mit Reaktion im Zuschauerraum und eigener Aktion in allem was an Führungen durchs Haus, Gesprächen, Workshops, Chören – bis hin zu den Eltern des Kinderchors – und Diskussionen stattfindet, “Education” heißt die Öffentlichkeitsarbeit opernlike. Einem der Workshops gibt Chefdramaturg Dr. Christian Geltinger das Attribut “zweckfrei”, was auch immer das sein mag…
“Stadttheater mit internationaler Ausstrahlung” (Ulf Schirmer)

Er sehe Theater als “Erlebnisraum”, sagt Ulf Schirmer, “nicht dogmatisch, nicht belehrend, wo man seine Fantasie spielen lassen kann. Ich habe das in einem stillen Moment für mich ?Theater der Opulenz’ genannt.” 24 dieser fantasievollen Abende wird der Generalmusikdirektor in der nächsten Saison selbst dirigieren.

“Wenn wir nicht den teuersten und besten Sänger bekommen können, erfinden wir einen und bauen ihn auf”, sagt Operndirektorin Franziska Severin und kann auf Besetzungen und Repertoire verweisen. Jimmi Smith, der Investment-Bank überdrüssig geworden, mit Stimmen- und Musiktheater-Potenzial, bekommt nun einen Elevenvertrag. Eine feine Sache mit Tradition – in Leipzig haben viele angefangen…

Mario Schröders Vertrag als Ballettchef wurde bis 2018 verlängert. “Pax” vereint Kompositionen von Johann Sebastian Bach und Udo Zimmermann – aufgeführt zu dessen 70. Geburtstag.

Aufgeführt werden eine Einstudierung von Zimmermanns früherem “Pax Questuosa” in der Choreografie von Uwe Scholz und eine Uraufführung “Blühende Landschaft” vom gleichen Komponisten und in der Choreografie von Mario Schröder.

Einen Mozart-Ballettabend wird es geben und die Produktion einer israelischen Gastchoreografin.

Mario Schröder listete Kooperationspartner auf von Hochschule für Grafik und Buchkunst, Hellerau bis zum Tanz in den Häusern der Stadt, ganz in dem Sinne: Erst kommen wir zu ihnen, dann kommen sie zu uns.

Theater-Legenden

Mit der “Lustigen Witwe” und dem “Opernball” kommen in der Musikalischen Komödie Theater-Legenden auf die Bühne, wie das Thema Romeo und Julia auch eine ist: aber die kommt nun in neuer Art daher.

Stadtverwaltung und Oper einigten sich auf Planungsschritte für nächste Bauarbeiten an der Musikalischen Komödie “damit nicht Fristen für bauliche Dinge verstreichen und Spielbetrieb dann unmöglich machen”, sagt Intendant Schirmer.

“Eine kleinere Einheit muss sich aus sich selbst heraus organisieren können”, überschreibt der Intendant seine Leitung für die Musikalischen Komödie, in der er Torsten Rose als Künstlerischen Betriebsdirektor ernannt hat.
Mirko Mahr wird mit seinem 15-köpfigen Ballett “Romeo und Julia” mit der Musik von Sergej Prokofjew herausbringen. Und setzt damit seine Reihe ambitionierten spielerischen Ensemble-Tanztheaters fort.

Nach dem “Ring für Kinder” kommt “Wagners Ding mit dem Ring” als Musical von Uli Heissig und Thomas Zaufke. In der Orchesterfassung von Bernd Wefelmeyer! Er hatte einst zu DDR-Zeiten Jacqués-Brel-Chansons für Gisela Mays Plattenproduktion arrangiert und hat eine furiose Adaption von Händels “Messias” für Rock-Band und Sinfonieorchester im Großen Saal des Berliner Palastes der Republik landen lassen.

Und die Musikalische Komödie spendiert eine Gala für ihren Stardirigenten Roland Seiffarth zum Abschied, zum 50. Bühnenjubiläum und nach seinen Titel-Wünschen!

Ein Redner im Präsidium fand heraus, dass “Die lustige Witwe” zur DDR-Zeit in Leipzig nie gespielt wurde. Nun ja, damals war neben dem Lindenauer Repertoire immer auch eine Operette im Spielplan des Opernhauses.

Fraglich ist, wo der Mann sich erkundigt hat. Ebenso fraglich ist, wo in den Häusern der Musiktheater und Museen er denn hätte nachschlagen können. Ein Leipziger Musik-Theater-Museum gibt es nicht. Wo aber liegt – verfügbar – das, was aus früheren Zeiten aufgehoben wurde?

Wagner-Festtage

Intendant und Generalmusikdirektor Prof. Ulf Schirmer freute sich über die gerade vergangenen Wagner-Festtage mit großer Besucherzahl, 10.500 Besucher, 87 Prozent Auslastung. Heißt, da sind noch 13 Prozent Luft. Plus unerfüllbare Kartenbestellungen… Wenn wir mal Bayreuth oder Salzburg ins Spiel bringen. Das sagt Schirmer nicht so, auch nicht, was ihn hindert, dort hin zu kommen, wo die selten gespielten “Die Feen” (99 Prozent) schon sind. Fortsetzung der bereits gestalteten “Feen”-Aufführungen folgt.

Ulf Schirmer offeriert ab 2015 jährliche Wagner-Festtage. So strömt eine Bürgerinitiative von außen in die Institutionen, denn die “Wagner-Festtage” waren eine Erfindung der gleichnamigen Gesellschaft e. V. Deren Vorsitzender David Timm in der nächsten Saison wieder einmal eines der Opern-Ensembles dirigiert, nämlich das Orchester der Musikalischen Komödie.

Ein Repertoire wolle er aufbauen, sagt der Intendant, von an die 30 Werken. Kühnes Ziel, denn der Vorschau zufolge, sind “Tristan und Isolde” in ihrer langjährigen aber auch ansehnlichen Präsentation von Willy Decker und die noch ziemlich frischen “Meistersinger von Nürnberg” entfallen…

Miet’ doch mal das Opernhaus…

Zukünftige Verkaufsförderung verspricht im Jahresheft die Seite “Vermietung”. Da werden Platzzahlen aufgelistet, wird verschwiegen, dass der Saal der Musikalischen Komödie nur das lieblose übriggelassene Resultat einer abgebrochenen Sanierung der 1990er Jahre ist.

Da fragt doch einer, ob der Gewandhauskapellmeister nicht mal wieder im Opernhaus arbeiten wollte. Und der Intendant erwidert: “Lesen Sie keine Zeitung? Das sollten Sie tun. Der Termin ist verschoben worden.” Vielen Dank für die Auskunft.

Nennenswerte finanzielle Probleme scheint es nicht zu geben. Ein Wunder! Papiere aus dem Stadtrat zur Bildung der Städtischen Bühnen Leipzig ab 1. August 2015 waren auch kein Thema.

Noch einmal gibt Ulf Schirmer den Gag vom Vorjahr: “Wollen Sie jetzt Schnittchen essen oder noch Fragen stellen?” Da gibt’s dann kaum Fragen, und die Bemmen seien dem Personal gegönnt.

20./21. September: Tag der offenen Tür

In die neue Saison wird am Augustusplatz und in der Dreilindenstraße am 20. und 21. September mit dem Tag der offenen Tür gestartet. Und es findet sogar eine “Silvestergala” statt! Für Premierenabonnenten gibt es demnächst statt 10 sogar 20 Prozent Rabatt geben, und wer im Internet kauft, spart die Vorverkaufsgebühren.

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