Es ist die Geschichte von Hero und Leander: Sie soll Priesterin werden, doch ausgerechnet an jenem Tag, da sie ihr Keuschheitsgelübde ablegt, trifft sie Leander. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die beide ergreift und doch nicht ergreifen darf. Denn ihnen droht schlimme Strafe, wenn sie dem Drängen nachgeben.

Diese griechische Sage hat ihren Eingang in viele künstlerische Werke gefunden, von einem Gemälde Peter Paul Rubens über eine Ballade Friedrich Schillers bis zu einem Stück Franz Grillparzers: “Des Meeres und der Liebe Wellen”. Das Werk des österreichischen Dichters von 1831 kommt nun am Schauspiel Leipzig zur Aufführung. Die Premiere feierte das Haus am Freitag, dem 4. Oktober 2013.

Es ist eine kleine, feine Inszenierung, die das Schauspiel-Team hier unter der Führung der slowenischen Regisseurin Matja Koleznik auf die Hinterbühne des Hauses in der Bosestraße bringt. Und dort ist sie genau richtig verortet. Sie würde nicht zur Großen Bühne passen. Sie ist intim und gewinnt durch die Nähe von Bühne und Publikum im kleineren Rahmen. Schauspielerisch hervor sticht vor allem Andreas Herrmann, der Heros Onkel spielt, welcher aus nächster Nähe beobachtet, dass sich Hero und Leander einander so verfallen, dass sie gar nicht anders können, als sich trotz aller Gefahren zu treffen. Leander schwimmt den weiten Weg zum Aphrodite-Tempel, wo Hero ihren Dienst tut. Das Licht ihrer Lampe lotst den Liebestrunkenen durch die gefährlichen Klippen, doch der Schein bleibt nicht unbemerkt.

Grillparzers Geschichte lehnt sich sehr nah an die griechische Sage an, verändert diese jedoch in wichtigen Punkten: So geschieht es durch Menschenhand, dass am nächsten Abend die Lampe verlöscht. “Um zu verstehen, warum diese Unterschiede von Bedeutung sind, ist die Zeit wichtig, in der Grillparzer dieses Werk geschrieben hat”, so Regisseurin Kole?nik in ihrer Inszenierungskonzeption. Es ist die Zeit der Herrschaft Metternichs – tiefstes Biedermeier, in welchem die Bürger sich ins Private zurückziehen. Die Frauen und ihr Kampf für eine menschenwürdigere Position in dieser Gesellschaft ziehen sich wie ein roter Faden durch Grillparzers Werk. “Für die Beschäftigung mit diesem Themen verwendete er keine zeitgenössischen Frauenfiguren, sondern suchte nach Motiven in der Vergangenheit”, erklärt Koleznik.

Eines dieser taffen Weibsbilder ist Hero – wunderbar starrköpfig gespielt von Lisa Mies – die vor ihren Eltern geflohen ist, welche sie in die Ehe drängen wollen. So tritt sie in den Tempel ein und behauptet sich auf allen Ebenen, bis zu jenem Tag, als sie Leander begegnet.

Mit “Des Meeres und der Liebe Wellen” legt das Schauspiel eine einfühlsame und zarte Inszenierung des Stücks vor, die einem breiten Publikum gefallen kann.

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