Auch in diesem ausklingenden Jahr wurden Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz in Leipzig mit der Aufarbeitung zahlloser Straftaten beschäftigt. Vieles bleibt unter dem öffentlichen Radar, weil es in keiner Pressemitteilung landet, zu „unspektakulär“ erscheint und unterbesetzte Redaktionen nur einen Bruchteil von – meist öffentlichen – Gerichtsverhandlungen verfolgen können. Doch einige Kriminalfälle haben die Gemüter auch 2025 erhitzt. Hier eine Auswahl an Urteilen.

Üble Nachrede: Ärger für Jürgen Kasek wegen Tweets über Staatsanwalt

Er gilt als Reizfigur, ist wortgewandt und streitbar, doch manchmal scheint er über das Ziel hinauszuschießen: Ende Juni verurteilt das Leipziger Amtsgericht den Leipziger Ex-Stadtrat und früheren Landesvorstandssprecher der sächsischen Grünen Jürgen Kasek zu einer Geldstrafe wegen übler Nachrede.

Porträt Kasek.
Der Grünen-Politiker und frühere Stadtrat Jürgen Kasek beim Prozessauftakt im Amtsgericht am 22. Mai. Foto: Lucas Böhme

Der heute 45-Jährige hatte im Zusammenhang mit den Protesten am „Tag X“ im Juni 2023 Tweets abgesetzt, die geeignet waren, einen damals vor Ort anwesenden Staatsanwalt ehrenrührig und entgegen der Wahrheit mit Straftaten in Verbindung zu bringen, heißt es. Kasek selbst gibt das Schreiben der Nachrichten zu, spricht aber von einer „überspitzten Machtkritik.“ Während des Prozesses liefert er sich Wortgefechte mit dem Staatsanwalt im Zeugenstand, der nach eigenen Angaben vorübergehenden Polizeischutz hatte.

Kasek und seine Anwältin werfen der federführenden Staatsanwaltschaft Chemnitz einseitigen Verfolgungseifer vor. Dennoch räumt der Angeklagte Fehler ein. Aktuell steht er wegen einer anderen Sache erneut vor dem Amtsgericht, ein Urteil wird Anfang 2026 erwartet.

Marla-Svenja Liebich: Rechtsextremistin entgeht Haftstrafe und taucht ab

Für Marla-Svenja Liebich hat sich die Berufung gelohnt: Fast zwei Jahre, nachdem die Rechtsextremistin wegen einer Auseinandersetzung mit einem Fotografen zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden war, kippt das Landgericht das Urteil der Vorinstanz Anfang Juli. Das Verfahren wird eingestellt, auch gegen drei Mitangeklagte, teils unter Auflagen.

Marla-Svenja Liebich.
Marla-Svenja Liebich, hier im Juli 2025. Foto: Lucas Böhme

Angelastet wurde dem Quartett gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung: Bei einer Demo gegen staatliche Corona-Maßnahmen am 7. November 2020 in Leipzig soll ein Fotograf misshandelt worden sein. Da dieser aber selbst vorab einen Schlag gegen Liebich ausgeführt hatte und das Geschehen hochdynamisch war, geht die Berufungsinstanz jetzt von einem minderschweren Fall aus. Zudem ist Liebich ohnehin rechtskräftig wegen anderer Straftaten zu einer Haftstrafe verurteilt.

Deren Vollstreckung entzieht sich Liebich Wochen später, indem sie vor Haftantritt untertaucht und aktuell als unbekannten Aufenthalts gilt. Liebich, früher unter männlichem Namen bekannt, ist eine prägende Figur der rechtsextremen Szene Sachsen-Anhalts. Mit der Entscheidung, den Geschlechtseintrag zu ändern, soll die jetzt 55-Jährige inzwischen hadern, heißt es. Die Aufrichtigkeit dieses Entschlusses wurde vielfach angezweifelt, zumal sich Liebich oft genug auch queerfeindlich geäußert hatte.

Kein Mordversuch an JVA-Beamten: Jugendhäftling kommt im Gerichtssaal mit blauem Auge davon

Er griff im Jugendstrafvollzug einen Bediensteten mit einer Schere an, kommt aber glimpflich davon: Das Urteil gegen Jungtäter Pierre B. (20) am Landgericht lautet im August fünf Jahre und acht Monate Haft, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und mit Einbezug eines weiteren Verfahrens.

Angeklagter vor Gericht. Foto: Böhme
Pierre B. (20) im Gerichtssaal: Der junge Mann attackierte in Haft einen Aufseher. Foto: Lucas Böhme

Ursprünglich war der 20-Jährige wegen versuchten Mordes angeklagt: Am 4. Dezember 2023 hatte er einen Beamten im Jugendgefängnis Regis-Breitingen mit einer Bastelschere attackiert, die am Helm des Opfers zerbrach und dessen Hals nur knapp verfehlte. Pierre B. sollte damals zwangsweise in einen speziell gesicherten Bereich der Haftanstalt verlegt werden, ging nach anfänglicher Kooperation mit dem Personal unvermittelt zur Attacke über.

Der junge Mann entschuldigt sich im Prozess für sein Handeln. Mit dem rechtskräftigen Urteil hat er die Chance auf eine positive Entwicklung und eine Zukunft, deutet der Vorsitzende Richter an.

Serie an Brandstiftungen: 41-Jähriger soll in Sicherungsverwahrung

Der Schrecken hat jetzt hoffentlich ein Ende, mögen viele aufatmen: Nach einer Serie an Bränden in der „Langen Lene“, dem bekannten Wohnkomplex von Leipzig-Probstheida, muss Ex-Hausbewohner Heino E. unter anderem wegen schwerer Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung für acht Jahre in Haft, mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Justizbeamte führen Angeklagten herein.
Heino E. (41) wird von Justizbeamten in Handschellen zur Verhandlung gebracht. Foto: Lucas Böhme

Die 8. Kammer des Landgerichts sieht es im August nach mehreren Prozesstagen als erwiesen, dass der 41-Jährige zwischen Anfang November 2024 und Ende Januar 2025 wiederholt gezündelt hatte. Bei den Bränden entstanden rund 900.000 Euro Sachschaden, dazu mussten Hausbewohner mit Rauchgasvergiftungen behandelt werden. Die Nachbarschaft lebte in monatelanger Angst und Unsicherheit vor dem „Feuerteufel“, der letztlich durch Videoüberwachung ins Visier geriet.

Heino E. hatte in der Gerichtsverhandlung geschwiegen, ein mögliches Tatmotiv bleibt rätselhaft. Doch auch sein Verteidiger hatte immerhin für sieben Jahre Haft plädiert – und die Unterbringung des einschlägig vorbestraften Mannes in einer Entzugsanstalt.

Auf der Anklagebank gelandet, doch er sieht sich als Opfer

Mit einem ungewöhnlichen Prozess sieht sich das Amtsgericht Leipzig Anfang Oktober konfrontiert: David Schneider-Addae-Mensah gibt an, 2017 in einem Leipziger Hotel von Polizisten brutal misshandelt worden zu sein. Aber der auf Menschenrechte spezialisierte Anwalt aus Karlsruhe landet danach selbst auf der Anklagebank, wegen Hausfriedensbruchs sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung.

David Schneider-Addae-Mensah vor dem Amtsgericht.
David Schneider-Addae-Mensah (54) vor dem Amtsgericht: Das Verfahren gegen den Karlsruher Anwalt wurde gegen Geldauflage vorläufig eingestellt. Foto: Lucas Böhme

Das Verfahren gegen den 54-Jährigen hatte sich ohne Urteil durch die Jahre gezogen, war immer wieder im Aktengebirge des chronisch überlasteten Justizapparats untergegangen. Es sei „kein Ruhmesblatt der sächsischen Justiz“, muss auch Amtsrichter Hans Weiß zerknirscht einräumen. An jenem verhängnisvollen 2. Juni 2017 sei im fraglichen Leipziger Hotel wohl eine Situation aus dem Ruder gelaufen, fasst er angesichts widerstreitender Versionen zusammen, was sich damals zutrug. Restlose Aufklärung scheint nicht mehr möglich.

Jetzt wird die Sache kurzerhand abgeräumt: Gegen 7.000 Euro Geldauflage stellt der Richter das Verfahren gegen David Schneider-Addae-Mensah endgültig ein.

Angriff an Tankstelle: Schläger kommt mit Bewährung davon

Mitte Dezember 2025 verurteilt das Leipziger Landgericht einen 20-Jährigen aus dem Fan-Milieu von Lok Leipzig zu zwei Jahren Jugendhaft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs. Der Anklagevorwurf eines Mordversuchs halte der Prüfung nicht stand, befindet die Jugendkammer.

Angeklagter mit Sichtschutz sitzt neben Anwalt.
Louis W. (r.) im Landgericht mit seinem Anwalt René Lau. Foto: Lucas Böhme

Sie zweifelt aber nicht daran, dass der Lehrling Louis W. im März 2025 beteiligt war, als eine Gruppe von BSG Chemie-Fans an einer Böhlitz-Ehrenberger Tankstelle brutal attackiert wurde. Offenbar wollten die Lok-Anhänger den Rivalen kurz vor dem brisanten Derby im Sachsenpokal eine Abreibung verpassen.

In diesem Zuge soll der Angeklagte seinem 18 Jahre alten Opfer 19 Mal gegen den Kopf getreten haben. Dies sei laut Gericht so aber nicht nachzuweisen. Dem Täter wird sein Geständnis strafmildernd zugutegehalten und dass er dem Geschädigten 10.000 Euro Schmerzensgeld anbietet. Doch einen Entschuldigungsversuch nimmt der 18-Jährige, der wohl lebenslang mit dem traumatischen Ereignis kämpfen wird, nicht an.

Verurteilt als Serientäter: Lange Haftstrafe für mutmaßlichen Vergewaltiger aus dem Rosental

Ein freundlich wirkender Familienvater führt ein Doppelleben, wird zum Serientäter und erst Jahre später gefasst: Nun soll Marcus L. (34) für elf Jahre hinter Gitter, unter anderem wegen besonders schwerer Vergewaltigung, besonders schwerer sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung. Dieses Urteil verkündet die 6. Strafkammer des Landgerichts Mitte Dezember.

Angeklagter, der sich einen weißen Ordner vor das Gesicht hält, spricht mit seinem Anwalt im Gerichtssaal.
Der Angeklagte Marcus L. (34), der sich mit einem weißen Ordner abschirmt, redet im Landgericht mit seinem Verteidiger Martin Radowsky. Foto: Lucas Böhme

Im Prozess hatte der Angeklagte weitgehend eingeräumt, 2016/17 eine Reihe sexueller Übergriffe auf Frauen in Leipzig begangen zu haben. Besonders die schwere Misshandlung und Vergewaltigung einer damals 69-jährigen Joggerin im Rosental vom 31. August 2017 erschütterte die Bevölkerung weit über Leipzigs Stadtgrenzen.

Doch zumindest den Vergewaltigungsvorwurf weist der Angeklagte im Prozess von sich, spricht „nur“ von einem körperlichen Übergriff, für den er sich heute sehr schäme. Er habe damals schwierige Zeiten durchlebt, Pillen geschluckt und die Kontrolle verloren, so der frühere DHL-Manager. Sein Anwalt fordert ein geringeres Strafmaß, hat gegen das Urteil von elf Jahren Revision eingelegt.

Drogenkuss hinter Gittern endet fatal

Sie ließ sich dazu hinreißen, Methamphetamin ins Gefängnis zu ihrem Freund zu schmuggeln – mit fatalen Folgen: Weil sich das verpackte Rauschgift, dass sie mit einem innigen Kuss heimlich im Besucherraum der JVA Leipzig an ihren inhaftierten Partner übergab, in dessen Magen auflöste, verstarb der 23-jährige Mohamed R. am Folgetag.

Angeklagte mit Anwältin im Gerichtssaal.
Laura R. im Gerichtssaal mit ihrer Verteidigerin Vanina Seidel. Foto: Lucas Böhme

Der dramatische Vorfall, der am 2. Januar 2025 seinen Lauf nahm, brachte Laura R. eine Anklage ein: Durch Abgabe von Betäubungsmitteln habe sie leichtfertig den Tod eines anderen verursacht. Der Prozess gegen die 24-jährige Leipzigerin im Landgericht geht kurz vor Weihnachten rasch über die Bühne. Die dreifache Mutter gibt den Vorwurf weitgehend übereinstimmend mit der Anklage zu und kommt mit einem Jahr Haft auf Bewährung davon.

Für sie spricht, dass sie sofort geständig war, sich erst auf massiven Druck des Opfers zum Drogenschmuggel hinreißen ließ, Reue zeigte – und ein Leben lang damit wird klarkommen müssen, dass der Vater ihrer Kinder nicht mehr da ist.

Lesen Sie hier Teil 1 des Gerichts-Rückblicks für das Jahr 2025.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar