Rund drei Jahre nach dem Angriff auf einen Fotografen bei einer Demo sogenannter Querdenker in Leipzig verhängte das Amtsgericht am Freitag eine siebenmonatige Haftstrafe ohne Bewährung über den bekannten Rechtsextremisten Sven Liebich. Drei Mitangeklagte wurden ebenfalls wegen gemeinschaftlicher, gefährlicher Körperverletzung verurteilt, sie erhielten Bewährungsstrafen mit Auflagen.

Aus Sicht von Amtsrichterin Laura Zunft war nach zwei Verhandlungstagen vor allem durch Zeugenaussagen und Videosequenzen eindeutig belegt, dass der Angeklagte Sven Liebich (53) und seine damalige Lebensgefährtin Caroline K. (27) gemeinsam mit Uwe H. (52), Matthias B. (42) sowie einer bis heute unbekannten Person den Fotografen Mirko N. (Name geändert) am 7. November 2020 brutal attackiert und geschlagen hatten.

Ort des Geschehens war der Bereich der Straßenbahngleise auf dem Tröndlinring unweit vom Hauptbahnhof, wo an jenem frühen Samstagabend eine Demo von Gegnern der staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie komplett eskaliert war. Nach der Auflösung einer stationären Kundgebung auf dem Augustusplatz flogen damals Böller, Einsatzkräfte und Pressevertreter wurden attackiert, die Polizeikette auf dem Ring, die einen Durchmarsch verhindern sollte, schließlich mit Erfolg überrannt.

Angeklagte sprachen von Festnahmeabsicht

In diesem Kontext spielte sich jener Vorfall ab, der nun vor dem Amtsgericht angeklagt war. Mirko N., ein Mann in den Vierzigern, der in seiner Freizeit auf Demos fotografiert, traf dort zum zweiten Mal an diesem Tag auf Sven Liebich und Caroline K., die er nach eigener Aussage schon länger aus der Hallenser Demo-Szene kennt. Auf einer Videoaufnahme ist zu sehen, dass der Fotograf sich, kurz bevor er angegriffen wird, auf Sven Liebich zubewegt und mit der Hand gegen sein Gesicht ausholt. Er selbst, der Nebenkläger im Prozess war, erklärte dies mit einer gefühlten Bedrohung durch Liebich, den er als gefährlich einstuft.

Anklagebank mit Angeklagten und Anwälten.
Neben Sven Liebich (in der hinteren Reihe, 2. v. l.) mussten sich drei weitere Personen vor Gericht verantworten, hier alle Angeklagten beim Prozessbeginn mit ihren Verteidigern. Foto: Lucas Böhme

Sven Liebich und Caroline K. dagegen rechtfertigten sich am ersten Prozesstag, sie hätten Mirko N. wegen der Attacke einfach nach dem sogenannten Jedermannsrecht festnehmen und der Polizei übergeben wollen. Tatsache ist: In einem online viral gegangenen Video lässt sich erkennen, dass Liebich im weißen Overall Mirko N. festhält, während Caroline K., die zuvor gefilmt hatte, unter anderem mit ihrem Mobiltelefon auf den Mann einschlägt.

Weitere Personen, darunter die Mitangeklagten Matthias B. und mutmaßlich Uwe H. beteiligen sich am Tumult, letzterer durch Schläge, während Matthias B. etwas später in die dynamische Situation hereinstößt und Mirko N. hörbar als „Wichser“ tituliert. Die Auseinandersetzung löst sich nach etwa 15 Sekunden auf, als Bereitschaftspolizisten in die Szene hineinstürmen.

„Sie sind ein Feind der Demokratie, ein Feind der Freiheit“

Bei der Videodokumentation, im Prozess ein wesentliches Beweismittel, ging es am Ende darum, diese wenigen Sekunden rechtlich einzuordnen. Für Amtsrichterin Zunft war letztlich klar, dass die Behauptung der Angeklagten einer geplanten Festnahme und möglichen Notwehr so nicht stimmen könne. Dagegen spräche beispielsweise ihre Flucht, als die Polizei einschritt, auch sei von ihnen sei sehr viel Aggression ausgegangen. Dies gelte ungeachtet dessen, dass der Schlag des Fotografen gegen Liebich auch „weiß Gott nicht in Ordnung“ gewesen sei. Gegen ihn läuft daher ein separates Strafverfahren.

Doch sei während der Attacke auf Mirko N. dieser keine Gefährdung und er absolut unterlegen gegen den Angreifer-Pulk gewesen, aus dem ihn letztlich eine Begleiterin wegzog. Zunft folgte mit ihrer Sichtweise weitgehend dem Standpunkt von Staatsanwalt Manuel Rothe.

Auch Opferanwalt Erkan Zünbül hatte sich dem angeschlossen und im Plädoyer mit deutlichen Worten an Sven Liebich gewandt, dem er vorwarf, sich trotz seiner Gesinnung als rechtschaffener Bürger in Szene zu setzen: „Sie sind ein Feind der Demokratie, ein Feind der Freiheit“, so Zünbül. „Sie haben im Gefängnis bald genug Zeit, darüber nachzudenken.“ Sven Liebich, der seit Jahren als umtriebiger Aktivist der rechten Szene bekannt und mehrfach vorbestraft ist, hatte bereits im Juli anderthalb Jahre Haft in anderer Sache kassiert, dies ist bislang noch nicht rechtskräftig.

Zahlreiche weitere Anzeigen gegen ihn waren in der Vergangenheit ohne Urteil versandet. Nach eigenen Angaben hat der 53-Jährige unbeirrt weitere Demos angemeldet, bis ins Jahr 2067.

Opferanwalt begrĂĽĂźt Urteil

Wie Staatsanwaltschaft und Nebenklage sah die Richterin die Gefahr weiterer Straftaten durch Liebich als real und verhängte daher sieben Monate Haft ohne Bewährung. Caroline K., Matthias B. und Uwe H. kamen dagegen mit Bewährungsstrafen zwischen sieben und zehn Monaten davon, die mit Auflagen in Form von Geldzahlungen bzw. Arbeitsstunden versehen wurden. Die Verteidigung des angeklagten Quartetts hatte überwiegend auf Freisprüche hinausgewollt. Gegen das Urteil sind Berufung oder Revision als Rechtsmittel möglich.

Opferanwalt ZĂĽnbĂĽl zeigte sich auf LZ-Nachfrage auch im Namen seines Mandanten zufrieden mit der Entscheidung. Er hoffe, dass vom Urteil eine Signalwirkung ausgehe.

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