Der Vorfall liegt mehr als viereinhalb Jahre zurück: Wegen einer mutmaßlichen Attacke auf einen Fotografen während einer Corona-Demo Ende 2020 wurde Marla-Svenja Liebich vom Amtsgericht Leipzig in Haft geschickt. Die damals als Sven Liebich bekannte Hallenser Rechtsextremistin und drei Mitangeklagte legten Berufung ein, der Fall landete vor der nächsten Instanz. Am Freitag startete der neue Prozess.
Die Person, die am Freitag, dem 4. Juli, im Landgericht die meiste Aufmerksamkeit bekommt, ist geschminkt, trägt dunkle Kleidung, breiten Hut, hat einen Gehstock, lackiert ihre Fingernägel. Sie lässt sich filmen und fotografieren – Fragen beantworten möchte sie nicht. Die 54-Jährige wurde mit dem Namen Sven Liebich bekannt, als Rechtsextremist, Demo-Anmelder, Agitator und Teil von Verfassungsschutzberichten.
Anfang des Jahres gab es Berichte, dass Liebich Vornamen und Geschlechtseintrag behördlich habe ändern lassen. Seit November 2024 ist sie nach dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag Marla-Svenja Liebich zu nennen.
Brutale Attacke auf dem Ring inmitten der Krawallen
Noch unter altem Namen war Liebich vor fast zwei Jahren mit drei weiteren Personen wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden: Das Leipziger Amtsgericht befand das Quartett im September 2023 für schuldig, am 7. November 2020 während einer Querdenker-Demo unweit vom Hauptbahnhof einen Fotografen brutal attackiert zu haben.
Damals hatten Gegner der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie erst auf dem Augustusplatz gestanden, geschätzt 20.000 Menschen. Nach Auflösung der stationären Demo eskalierte die Situation auf dem Ring. Böller flogen, Einsatzkräfte der zahlenmäßig unterlegenen Polizei und Medienvertreter wurden zur Zielscheibe. Einigen Demonstranten gelang es, eine Kette im Bereich der Straßenbahngleise am Georgiring zu durchbrechen.
Hier spielte sich der Angriff auf Mirko N. (Name geändert) ab, von dem die Anklage ausgeht: Der Demo-Fotograf, seinerzeit Anfang 40, traf dort zum zweiten Mal an jenem Tag auf die damalig als Sven Liebich bezeichnete Person und die jetzt mitangeklagte Caroline K. (heute 28), zu diesem Zeitpunkt Liebichs Lebensgefährtin. Man mag sich nicht, aber kennt sich schon länger aus der Hallenser Demo-Szene, heißt es zum Verhältnis zwischen dem Fotografen und den mutmaßlichen Tätern.
Fotograf soll Liebich vorab angegriffen haben
Zum vollständigen Bild gehört, dass Mirko N. vorab mit seiner Hand gegen Liebich ausgeholt hatte. Seiner Aussage nach, weil Liebich im weißen Overall bedrohlich nahe auf ihn zugekommen sei und er Distanz wollte, so der Geschädigte. Die Ermittlungen gegen ihn sind nach Angaben seines Anwalts inzwischen eingestellt.
Verwackelte Videobilder vom 7. November 2020 zeigen, dass Liebich den körperlich überlegenen Mann nach dessen Handbewegung festhielt. Die Mitangeklagten Caroline K. und Uwe H. (53) kamen laut Anklage hinzu und schlugen auf das Opfer ein, während sich am Ende auch Matthias B. (44) am Tumult beteiligt haben soll, Mirko N. offenbar „Wichser“ nannte.
Bereitschaftspolizisten stürmten nach rund 20 Sekunden hinein, lösten die unübersichtliche Szenerie auf.
Amtsgericht hielt Notwehr-Version für erfunden
Zwei der Angeklagten äußerten sich zu den Vorwürfen nicht. Marla-Svenja Liebich und Caroline K. dagegen sagten schon im ersten Prozess: Sie hätten den Fotografen wegen seiner Handbewegung gegen Liebich der Polizei übergeben wollen. Rechtsanwalt Erkan Zünbül, der Mirko N. als Nebenkläger vertritt, widersprach: Das war „Zusammenschlagen eines Journalisten, kein Festhalten“, kommentierte er am Freitag die im Gericht abgespielten Videos.
Bereits das Amtsgericht hielt die Version für konstruiert: Der Weggang der Beteiligten nach Einschreiten der Beamten und die Aggression gegen den Fotografen widerlegten, dass es um die Ausübung des Festnahmerechts ging. Von Mirko N. sei keine Gefahr mehr ausgegangen und er habe null Chancen gegen den prügelnden Pulk gehabt, aus dem ihn letztlich eine Begleiterin wegziehen konnte. Eine weitere Person, die an der Attacke beteiligt gewesen sein soll, wurde nie ermittelt.
Liebich zu Haftstrafen verurteilt
Marla-Svenja Liebich erhielt am 22. September 2023 sieben Monate Gefängnis, die anderen sechs, sieben und zehn Monate, hier jeweils mit Bewährung. Alle haben Berufung eingelegt, weswegen neu verhandelt wird. Freitag sagten der geschädigte Fotograf und dessen Begleiterin erneut als Zeugen aus.
Sie beschrieben die aggressive Stimmung und Dynamik der Demo, vor deren Kulisse der Angriff geschah. Die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Berthold Pfuhl könnte kommenden Freitag ihr Urteil verkünden.
Marla-Svenja Liebich war zuletzt Mitte Mai rechtskräftig in anderer Sache verurteilt worden: Hier bestätigte das Oberlandesgericht Naumburg ein Jahr und sechs Monate Strafvollzug unter anderem wegen Volksverhetzung. Die Frage der konkreten Haft-Unterbringung Liebichs wird dann vermutlich demnächst noch ein größeres Thema.
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