Das Bundesinnenministerium unter der damaligen Leitung von Nancy Faeser (SPD) verkündete im September 2023, das „menschenverachtende Treiben einer international agierenden Neonazi-Vereinigung“ zu beenden: Nun, mehr als zwei Jahre später, hob das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig die Verbotsverfügung gegen die „Hammerskins Deutschland“ auf. Es gäbe schlicht keinen Nachweis für die Existenz einer bundesweiten Dachorganisation, die man verbieten könne, so der Senat am Freitag.
Vor zwei Tagen noch war der Saal IV des altehrwürdigen Bundesverwaltungsgerichts am Simsonplatz in Leipzig voll von Menschen, darunter viele Männer mit Glatzen und teils auffälligen Tattoos.
Am Freitag blieb der Zustrom dagegen deutlich überschaubarer, als der Vorsitzende Ingo Kraft um 10:00 Uhr das Urteil des 6. Senats bekanntgab: Das Verbot der „Hammerskins Deutschland“ von 2023 ist rechtswidrig. Etwa ein Dutzend Klagen dagegen lagen auf dem Tisch.
Verfassungsfeindlichkeit der „Hammerskins Deutschland“ wurde nicht geprüft
Das Bundesinnenministerium hatte das Zielobjekt unter Berufung auf das Vereinsgesetz verboten und zur Begründung ins Feld geführt, dass die Gruppe gegen den Gedanken der Völkerverständigung agitieren würde. Auch lehne sie die verfassungsmäßige Ordnung ab.
Dies war allerdings kein Gegenstand der gerichtlichen Prüfung: Vielmehr lasse sich laut dem Senat „entgegen der Auffassung der Beklagten die Existenz einer den regionalen Chaptern übergeordneten bundesweiten Vereinigung ‚Hammerskins Deutschland‘ nicht feststellen.“ Dass Mitglieder der regionalen Chapter regelmäßig auf einem „National Officers Meeting“ zusammentreffen, sei zwar Zeichen einer Koordination und Abstimmung.
Das Gericht habe sich aus dem vorliegenden Material aber keine Überzeugung bilden können, dass Treffen dieser Art Ausdruck eines verfestigten Zusammenschlusses auf nationaler Ebene sind, der zentral verbindliche Entscheidungen trifft: „Das vorliegende Tatsachenmaterial rechtfertigt nicht die Annahme, dass zwischen den Chaptern und der europäischen bzw. weltweiten Bewegung ein nationaler Verein ‚Hammerskins Deutschland‘ besteht. Erst recht belegt das Material nicht eine zentrale Steuerung der regionalen Chapter durch eine übergeordnete nationale Ebene“, stellte der Senat in der Urteilsbegründung fest.
Senat: Verbot einzelner Chapter ist möglich
Mit anderen Worten: Das Ministerium habe sein Verbot 2023 auf einer falschen Grundannahme aufgebaut. Nur die Einbindung der Chapter als Glieder einer Gesamtorganisation könne deren Verbot rechtfertigen, ohne dass Verbotsgründe für jedes Chapter einzeln geprüft werden müssten. Das Material lasse eher den Schluss zu, dass die einzelnen Chapter weitgehend autonom seien.
Damit wurde der Ball zumindest theoretisch an die Behörden von Bund und Ländern zurückgespielt: Ein Verbot einzelner Chapter sei möglich, sofern sich dies stichhaltig begründen ließe. Zudem sei eines der Chapter mit dem Namen „Hammerskins Sarregau“ französisch und falle nicht in deutsche Zuständigkeiten.
Hunderte Polizisten 2023 bei Großrazzien
Die in Deutschland laut Verfassungsschutz etwa 130 Mitglieder umfassenden „Hammerskins“ gelten als Ableger der 1988 in den USA entstandenen „Hammerskin Nation.“
Im Zuge der Verbotsdurchsetzung vor mehr als zwei Jahren hatten hunderte Polizeibeamte diverse Wohnungen und Objekte in zehn Bundesländern gestürmt. Dabei wurden unter anderem Bargeld, Kleidung mit Szenesymbolen, Tonträger, Waffen und NS-Devotionalien beschlagnahmt.
Doch auch diese Maßnahmen einschließlich der Einziehung von Vermögen sind mit der Entscheidung vom Freitag hinfällig. Das Verfahren hinsichtlich der Beschlagnahme eines Privatgrundstücks wurde nach Angaben des BVerwG abgetrennt, da man nicht in erster Instanz zuständig sei.
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