Michel K.'s Plan schien perfekt. Seine beiden ältesten Kinder quartierte der 28-Jährige am 23. September extra bei der Großmutter ein, um mit Freundin Yvonne H. (31) alleine zu sein. Als Anwohner das Pärchen gegen 17 Uhr das letzte Mal zusammen sahen, schöpften sie keinen Verdacht.

“Mensch, dann habt ihr ja sturmfreie Bude”, scherzte ein Freund der Familie. “Dann könnt ihr ja einen DVD-Abend machen.” Michel K., kräftig gebaut, betretener Blick, Ultrakurzhaarfrisur, soll ihn daraufhin nur süffisant angelächelt haben. Fünf Stunden später war die Mutter dreier Kinder tot. Ihr Lebensgefährte muss sich seit Dienstag, 13. März, wegen Mordes vor dem Leipziger Landgericht verantworten.

Staatsanwältin Tanja Lötschert verliest in wenigen Minuten die kurze Anklageschrift. Gegen 22 Uhr soll K. seine Freundin von hinten mit einem Küchenmesser angegriffen haben, “in der Absicht, sie zu töten.” Yvonne H. hatte keine Chance. Fünf Stiche trafen die Frau in den Rücken, neun in die Brust. Anschließend würgte der Mörder zu allem Überfluss sein Opfer noch – um auf Nummer sicher zu gehen.

Warum diese Bluttat? – Bettina S. (34) ist noch heute geschockt. Sie wohnt noch immer in dem Altbau in der Zschocherschen Straße, kurz vorm Adler, wo sich die Bluttat ereignete. Das Geschehen in den frühen Morgenstunden am 24. September hat die Frau gezeichnet. In ruhigem Tonfall erzählt sie dem Gericht, dass sie früher regelmäßig bei den beiden zu Gast gewesen sei. Ihre Kinder seien miteinander befreundet gewesen. Gelegentlich hatte sie ihre sogar dem Paar anvertraut. Erst als sie vor zwei Jahren mitbekam, dass ihr Nachbar wohl Kontakt ins Drogenmilieu hatte, ging sie spürbar auf Distanz.Ob das Pärchen sich öfters gestritten habe, möchte Richter Johann Jagenlauf von ihr wissen. “Da haben wir nie was mitgekriegt.” Jedoch entging der Mittvierzigerin keineswegs, dass Michel K.’s Alkoholsucht Konfliktpotenzial barg. Seine Lebensgefährtin störte sich an seinem Konsum, rationierte ihn auf vier Flaschen Bier am Tag. “Wir wissen, dass er jeden Tag sein Bierchen getrunken hat”, bestätigt Bettina S.

“Die haben unten das verliebte Pärchen gespielt”, bestätigt Nachbarin Silvia R. (32). Die Mutter von vier Kindern kannte Yvonne H. seit vielen Jahren. Gestritten hätten sich die beiden, wenn, dann wegen Alkohol. Ihr sei allerdings aufgefallen, dass sich ihre Freundin in den Wochen vor der Tat seltsamerweise zurückgezogen hatte. Man traf sich nicht mehr auf dem Hof, das Paar kam auch nicht mehr mit den Kindern vorbei. Hinter der weißen Fassade ihrer Wohnung spielte sich für die Frau womöglich ein wahrer Alptraum ab. So gut wie nie sprach sie über die Straftaten ihres Mannes. Michel K. ist vielfach wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten vorbestraft. Sie soll ihn gefürchtet, aber zugleich geliebt haben. Eine tragische Kombination, die ihr das Leben kosten sollte.Bettina S. wurde am 24. September früh geweckt. “Gegen 6 Uhr klingelte bei uns jemand Sturm.” An der Tür stand Michel K., im Arm seinen Sohn Brian. An dessen Pullover klebte Blut. In aufgeregten Wortfetzen berichtete der Störenfried, seine Freundin liege blutüberströmt in der Küche. Die Polizei hatte er selbst alarmiert. Sie nahm daraufhin den kleinen Brian in den Arm und ging hoch in die offene Wohnung. Die Küchentür stand offen. Auf dem Boden lag Yvonne K. – auf dem Bauch, Hände und Beine gefesselt. Um ihren leblosen Körper herum jede Menge Blut.

“Die war arschkalt”, berichtet die Nachbarin und beginnt zu weinen. Nebenklägerin Henrike Wittner reicht ihr ein Taschentuch. Brian hielt sie dabei im Arm. “Der hat sich an mir festgekrallt.” Im Saal ist es mucksmäuschenstill. Ihr Schluchzen durchbricht die Grabesstille. Der Rettungsdienst konnte für die Frau nichts mehr tun. Auffällig das Verhalten von Michel K. Wie mehrere Zeugen aussagten, schien ihn der Verlust seiner Lebensgefährtin kaum zu berühren. “Was ist mit meiner Frau?”, soll er den Rettungsdienst aggressiv gefragt haben. “Ist die tot?” Seine Nachbarin beruhigte ihn. “Das wird schon.” Behutsam legte sie ihm die Hand auf die Schulter. “Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was los war.”

Die Situation überraschte auch die Streifenpolizisten, die als erste vor Ort waren. Auf die Beamten machte Michel K. einen aufgebrachten, erregten Eindruck. Ungewöhnlich, erwartet man schließlich, dass er wie das letzte Häufchen Elend in der Ecke hocken müsste. Stattdessen suchte er Streit, indem er die Polizisten aufforderte zu verschwinden. Als sie nicht gehen wollten, randalierte er in seinem Wohnzimmer und bedrohte sie. Daraufhin nahmen sie ihn fest. “Für uns war er erstmal nur Hinweisgeber gewesen”, schilderte ein Polizist. Durch sein bizarres Verhalten machte er sich verdächtig. Für den Familienvater kein Problem, denn das vermeintliche Alibi hatte er prompt parat.In derselben Nacht war er im Leipziger Norden beim Versuch, in ein Autohaus einzubrechen, festgenommen worden. Obendrein rief er bereits gegen Mitternacht beim Notruf an. Dem Disponenten erzählte er, dass er zur Zeit am Hauptbahnhof kellnern und sich Sorgen um seine Frau machen würde. Sie sei telefonisch nicht zu erreichen.

Ermittlungen der Polizei ergaben später, dass der Arbeitslose keinem Job nachgegangen sei. Widersprüchlich auch seine Angaben zum Rückweg vom Polizeirevier Nord zu seiner Wohnung. In einer Variante fuhr er mit der Tram, in einer anderen mit dem Taxi. In einer Vernehmung traf er sich mit seinem Vater, in einer anderen mit einem großen Unbekannten am Eutritzscher Markt. Zumindest die angebliche Straßenbahnfahrt konnten die Ermittler widerlegen. Pech für ihn: Ein Fährtenhund spürte im Müll eines Baumarkts in der Nachbarschaft einen Sack mit blutverschmierten Klamotten auf, die K. gehören. Die Beamten nahmen ihn als Verdächtigen mit aufs Revier.

Der Prozess wird fortgesetzt. Michel K.’s Verteidiger Matthias Luderer kündigte heute an, dass sich sein Mandant noch zu den Vorwürfen äußern wolle. Das Urteil wird am 3. Mai erwartet.

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