Vor dem Amtsgericht hatte sich am Montag ein schizophrener Crystal-Konsument wegen mehreren Diebstählen und Körperverletzungen zu verantworten. Während der Angeklagte eine große Verschwörung gegen sich witterte, hatte der forensiche Sachverständige eine plausible Erklärung für dessen bizarre Angaben.

Dieser Fall ist nichts für schwache Nerven. L. (42), der seit über zehn Jahren in Deutschland lebt, durchleidet einen harten Lebensabschnitt. 2003 konvertierte der iranische Flüchtling zum Christentum, fürchtet sich seitdem vor Abschiebung und Todesstrafe. Der Asylantrag ist längst abgelehnt. Der bärtige Mann, der sein langes Haar zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden hat, ist gottesfürchtig.

Immer wieder stammelt der Angeklagte: “Ich schwöre bei Gott…”, “ich schwöre bei Gott…”, “ich schwöre bei Gott…”. Und er redet wie ein Wasserfall. Selbst dann, wenn er nicht an der Reihe ist. Die Anwesenden bekommen von L. wiederholt zu hören, er sei auf Geheiß eines Staatsanwalts 2005 oder 2006 einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Der Jurist habe nämlich ein großes Interesse daran, dass der Immigrant (“ich bin so wichtig”) nicht das Land wieder verlasse. Seither lenke eine Maschine, die in seinem Kopf implantiert sei, das Tun und Handeln des glücklosen Asylbewerbers.

Dies war – zu seinem Pech – nicht immer gesetzeskonform. Wegen diverser kleinkrimineller Delikte, darunter Diebstähle und Körperverletzungen, verbüßt er derzeit eine 18-monatige Haftstrafe. Im Juni sollten sich die Tore des Gefängnisses in Zeithain für ihn öffnen. Dachte L. zumindest. Doch Pustekuchen. Weil die Ermittler ganze Arbeit leisteten, flatterte dem Alleinstehenden eine neue Anklage mitten in die Freiheitsträume.

Ganze neun Taten zählt die Staatsanwältin auf: Diebstähle, Bedrohung, Beleidigung, Körperverletzung. Wenngleich L. nur ein Teilgeständnis ablegt, lassen die Aussagen von sieben Zeugen keinen Zweifel. Auf die Verschwörungstheorien des Beschuldigten lässt sich Amtsrichterin Ute Fritsch freilich nicht ein.

Wohlweislich hatte die Vorsitzende einen Psychiater beauftragt. Der Forensiker Stefan Weber attestiert dem Angeklagten eine paranoide Schizophrenie, die in seinem Fall aber keine verminderte Schuldfähigkeit begründe. “Herr L. hat bewiesen, dass er Kränkungen und Zurückweisungen anders begegnen kann”, stellt der Gutachter fest.

Als Mediziner rät er dem Angeklagten zu einer medikamentösen Therapie. Die hatte L. bisher verweigert. Stattdessen behalf er sich mit Heroin und Crystal. Vor allem das Methamphetamin trug, so der Arzt, zur Verstärkung der psychischen Symptome bei.

Fritsch bleibt mit zwei Jahren und drei Monaten knapp unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Christian Friedrich stellte das Strafmaß ins Ermessen des Gerichts. In die Strafe flossen die 18 Monate ein, die L. zurzeit verbüßt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollten beide Parteien den Richtersrpuch annehmen, müsste L. noch 9 Monate hinter Gitter verbringen. Immerhin ein kleiner Lichtblick am Ende des Tunnels, dessen Ausgang für den Verurteilten nur über eine Therapie zu erreichen ist.

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