Was macht man, wenn der Polizei die Polizisten ausgehen und das Nachwuchsprogramm schnell angekurbelt werden muss? - Man dreht ein Filmchen und geht damit in die Kinos. Da sitzt ja der Nachwuchs, futtert Popcorn und wartet auf Action. Und Polizei ist doch Action? Oder etwa nicht? Fand jedenfalls Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) und ließ einen solchen Film drehen. Mit Action natürlich.

Am 1. Mai war Kinostart dieses Werbefilms, mit dem die Polizei um Nachwuchs wirbt. Das Motto der Kampagne lautet “Verdächtig gute Jobs, 1 Beruf – 1.000 Möglichkeiten”. Der Film ist 60 Sekunden lang und zeigt insbesondere die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten und den Teamgeist in der sächsischen Polizei.

“Wir wollen Neugierde wecken für den Polizeiberuf”, sagte Markus Ulbig bei der Gelegenheit. “Auch in Zukunft brauchen wir fitte und motivierte Bewerber. Danke an alle, die bei den Dreharbeiten mitgemacht haben.”

Der Werbefilm läuft im Werbeblock in 60 Kinos in Sachsen. Aber Schwerpunkt ist der ländliche Raum. Denn aufgrund der weiterhin ausreichenden Bewerberzahlen in den Großstädten versucht das Innenministerium jetzt den Berufsnachwuchs auf dem Lande zu finden.

Der Film wurde von der “Avanga Filmproduktion” produziert. Alle Darsteller waren Polizeibeamte, was dem Spot Authentizität gibt. Was kein Problem wäre. Hätte denn die “Avanga Filmproduktion” nicht so ein seltsames Verständnis davon, was ein echter Action-Fim ist. Und was Authentizität. Vielleicht hat man dort schon zu viele Clips fürs deutsche TV produziert. Mit dramatisierender Musik und Heldenpathos.

Das Schöne am Heldenpathos ist: Es kippt ganz leicht ins Lächerliche. Hollywood hat das schon oft genug bewiesen. Und “Avanga” schafft es spielend ebenfalls. Zuerst hat man es nur mit einem schnittig durch die sächsische Landschaft fahrenden Biker zu tun, schnell merkt man: Aha, ist ein Polizei-Bike. Der Fahrer entpuppt sich gar als Fahrerin. Das Ziel: eine scharfe Bremsspur am See, ein überschlagenes Auto am Ufer. Doch vom Fahrer weit und breit keine Spur. Was tut man da als taffe Polizistin? Ruft erst mal die Zentrale an und bittet um Verstärkung. Binnen Sekunden ist sie da. Mit Blaulicht. So schnell kann das die sächsische Polizei im Film. Vielleicht soll das mal Wirklichkeit werden? Kann ja sein.

Also flitzen zwei weitere junge sportliche Polizisten ans Ufer, sehen gleich: Fahrer nicht da. Brauchen wir Hilfe. Rufen also die Zentrale an. Und siehe da. Hilfe kommt in Sekundenschnelle. Die Taucher mit dem Schlauchboot sind noch viel schneller da als der Hubschrauber. Der hebt gerade auf dem Flughafen ab, als die beiden Taucher sich schon in den See kippen lassen. Könnte ja sein, der Fahrer des verunglückten Pkw ist abgetaucht.

Ist er aber nicht. Das sieht der Hubschrauberpilot gleich bei Runde zwei überm See. Er hat nämlich eine Wärmebildkamera. Und siehe da: Ein paar Schritte weg vom Auto liegt die verunglückte Fahrerin. Könnte man eigentlich wieder die Zentrale anrufen. Muss diesmal aber nicht sein. Wenn Polizisten erst mal wissen, wo Verunglückte liegen, brauchen sie bloß noch hinzugehen, eine Decke genügt und die Verunglückte kann wieder laufen. So geht das in Sachsen. Wahlweise in 60 Sekunden im Kino, oder in 2:30 Minuten auf Youtube.

Abspann nicht vergessen, denn wenn die Helden ihre Arbeit getan haben, sind alle glücklich und strahlen und nicken in die Kamera: Wieder eine gute Tat getan. Wer an dieser Stelle nicht in Tränen ausbricht, hat kein gutes Herz.”Der Film soll erste Aufmerksamkeit wecken”, meint das Innenministerium. Vielleicht meint man es wirklich ernst. Vielleicht merken die möglichen Bewerber vom Lande auch nicht, mit welchen Klischees sie hier übergossen werden. Polizisten sind Helden. Und wenn sie in der Zentrale anrufen, ist Action am See. Dann bekommt der Sachse zu sehen, was für Technik den Helfern in Uniform heute zur Verfügung steht.

Bei diesem Filmclip in den Kinos soll es nicht bleiben. Auch eine Website mit dem sinnigen Namen www.verdaechtig-gute-jobs.de hat das Innenministerium schon geschaltet. Und auch das ist noch nicht das Ende: Weitere Elemente der Kampagne sollen in den kommenden Tagen und Wochen Stufe für Stufe zugeschaltet werden. Dazu zählen unter anderem Großplakate, City-Postkarten und eine Facebook-Fanpage. Da kann man dann die künftigen Polizeidienstbewerber gleich zur Facebook-Party einladen. Am See zum Beispiel. Die Kampagne wurde entworfen und umgesetzt von der Dresdner Werbeagentur “Heimrich & Hannot”.

Was sagen wohl die aktiven Polizisten Sachsens dazu?

Der Film in der längeren Version von 2:30 Minuten auf YouTube: http://youtu.be/eydcOZVFobA

Wer Polizist werden möchte, ist hier richtig: www.verdaechtig-gute-jobs.de

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