Manchmal muss sich das Amtsgericht mit Streitfällen beschäftigen, die für Außenstehende so banal klingen, dass sie nach menschlichem Ermessen nicht vor Gericht geklärt werden müssten. So die Klage eines Fans von RB Leipzig, der gerichtlich die Wiederaufnahme in den "Bulls Club" erzwingen möchte. Am Dienstag fand die Güteverhandlung statt.

Herr Schmidt (Name geändert) zählt sich zu RB Leipzigs treuesten Fans. Bei jedem Heimspiel steht der selbständige Handwerker in der Kurve. Er trägt im Alltag Merchandise und besucht Trainingseinheiten am Cottaweg, hat sich sogar einen Bullen auf den Arm tätowieren lassen. Nur dem Fanclub gehört der Mittfünfziger nicht mehr an. Grund: Der “Bulls Club” kündigte Schmidt im September 2013 die Mitgliedschaft.

Was war geschehen? Schmidt lebt seine RB-Leidenschaft auch im Internet aus. Im August 2013 erstellte ein Jugendlicher eine Online-Petition, die sich an den Nordostdeutschen Fußball-Verband richtete und einen Lizenzentzug für den Leipziger Fußball-Club einforderte. Als Schmidt die Aktion bemerkte, platzte ihm der Kragen. “Ich hab mich in meiner Ehre als Fan verletzt gefühlt”, erzählt er bei Gericht. “Mein Gerechtigkeitsgefühl hat da einfach rebelliert.” Der RB-Anhänger recherchierte die Telefonnummer des jungen Mannes und postete diese in einer Facebook-Gruppe, verbunden mit dem Hinweis, dort anzurufen.

Weil Schmidt in der Fanszene damals bekannt ist wie ein bunter Hund und von vielen Stadiongängern mit dem “Bulls Club” in Verbindung gebracht wird, sah sich dessen Vorstand gezwungen, zu handeln. Er beschloss, dem übereifrigen Störenfried die Mitgliedschaft zu entziehen.

Seit vergangenen Herbst ist er nun für RB Leipzig ein rotes Tuch. Der “Bulls Club” ist mit rund 400 Mitgliedern nicht nur der größte Fanclub, sondern zählt auch zu den “Offiziellen Fanclubs”. Deren Mitglieder erhalten diverse Vergünstigungen wie verbilligte Tickets, Vorkaufsrechte auf Auswärtskarten, außerdem Einladungen zu exklusiven Veranstaltungen. Gerne würde der RB-Fan weiter zu diesem erlauchten Kreis gehören. RB Leipzig ist dem Vernehmen nach dagegen. Ein zweiter Fanclub, den Schmidt mit einigen Freunden aus dem Boden stampft, soll mit Verweis auf dessen Mitgliedschaft jener Status verweigert worden sein.
Nun ist der “Bulls Club” als Verein im Vereinsregister eingetragen. Das bedeutet, die Fanorganisation kann verklagt werden. Schmidt mandatiert einen Anwalt, der in der Kündigung formale Mängel bemerkt. “Er will weiterhin Mitglied sein”, stellte Rechtsbeistand Stefan Coastabel während der heutigen Güteverhandlung klar. Der Jurist bewies zunächst seine Offensivqualitäten. Der “Bulls Club” habe Schmidt eine Anhörung verweigert, die ihm gemäß Satzung zugestanden hätte. Außerdem sei seinem Mandanten der Vorstandsbeschluss über den Ausschluss nicht zugestellt worden.

“Mir fehlt ein bisschen das ordnungsgemäße Verfahren”, merkte Richterin Anke Schlosser gleich zu Beginn an. Doch “Bulls Club”-Jurist Frank Urban gelang ein traumhafter Konter. Der Anwalt zauberte plötzlich den Beschluss über Schmidts Ausschluss aus seinem Aktenordner. Dem RB-Fan fehlte plötzlich das Rechtsschutzbedürfnis, denn er müsse laut Vereinssatzung zunächst Beschwerde gegen diese Entscheidung einlegen, bevor der Ausschluss inkraft trete.

Das gedenkt Stefan Costabel nun zu erledigen. Vorsichtshalber. Denn eine gerichtliche Entscheidung wird dennoch ergehen. Costabel beantragte, das Gericht möge feststellen, dass die Mitgliedschaft des Klägers weiter fortbestehen würde. Urban beantragte, die Klage sei abzuweisen. Das Urteil wird am 14. Oktober verkündet.

Doch ganz gleich wie das Verfahren endet. Eine Zukunft scheint für den Fan im “Bulls Club” nicht mehr gegeben zu sein. Nachdem Schmidt der Ausschluss mitgeteilt worden sei, soll dieser im Internet über Mitglieder des Fanclubs hergezogen sein. “Es zeigt sich, dass RB nicht mehr will, dass Herr Schmidt Mitglied eines OFCs ist”, berichtete ein Vorstandsmitglied. “Dann machen Sie doch ein ordnungsgemäßes Verfahren”, erwiderte Richterin Schlosser. “Ein Verfahren, dass Sie in Ihrer eigenen Satzung stehen haben, müssen Sie einhalten.”

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