Beinahe hätte Kevin S. (21) in Untersuchungshaft gemusst. Dabei war der Leipziger nur wegen Schwarzfahrens und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angeklagt. Doch weil der Handelsvertreter am Freitag den Prozess zu schwänzen schien, war Jugendrichterin Christine Ludewig drauf und dran, seine Inhaftierung anzuordnen.

Just in dem Moment, in dem die Vorsitzende den Haftbefehl verkünden wollte, klopfte es an der Tür zu Saal 205. Der Angeklagte erschien eine knappe halbe Stunde zu spät. “Tschuldigung, ich bin spät dran”, nuschelte S. und nahm auf der Anklagebank Platz.

Kevin S. klapperte am 6. August 2013 mit einem Kollegen in Thale (Sachsen-Anhalt) Haustüren ab. Die Handlungsreisenden versuchten, Stromverträge an Frau und Mann zu bringen. Der zweifelhafte Ruf des Geschäftsmodells ist weithin bekannt.

Eine Anwohnerin empfing die Männer deshalb so herzlich, dass sie den Wohnblock sofort verlassen mussten. Als der 21-Jährige die Frau anschließend auf ihrem Balkon bemerkte, schleuderte er ihr ein “Heil Hitler” entgegen. Des Weiteren wird S. zur Last gelegt, im September und Oktober 2013 in der Messestadt drei Mal ohne gültigen Fahrschein mit der Straßenbahn gefahren zu sein.

Bei Gericht räumte der Angeklagte alle Taten ein. “Ich bin nicht rechts oder links veranlagt”, gab er zu Protokoll. “Warum sagt man sowas?”, bohrte Ludewig nach. “Weiß nicht.” Bei allen Delikten stand Kevin S. unter laufender Bewährung. Seit der Jugend hat der junge Mann immer wieder mit der Justiz zu tun. Vornehmlich wegen Eigentumsdelikten. Sechs Monate hat er in Haft verbracht.

Ein weiterer Gefängnis-Aufenthalt bleibt ihm vorerst erspart. Das Jugendschöffengericht verurteilte Kevin S. am Freitag unter Berücksichtigung zweier früherer Urteile zu einem Jahr auf Bewährung. Außerdem muss der Angestellte 200 Euro an die Opferhilfsorganisation “Weißer Ring” überweisen. “Auch Kleinigkeiten machen irgendwann den Mist voll”, mahnte Ludewig.

Das Urteil ist rechtskräftig.

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