Am 31. August setzte der MDR mal wieder einen dieser Beiträge, in denen sich Zirkustamtam und Draufgängertum mischten: „Nachtpatrouille. Bundespolizei ist Graffiti-Sprayern auf den Fersen“. Darin ging es um nächtliche Hubschraubereinsätze in Chemnitz, mit denen die Bundespolizei Graffiti-Sprayer verfolgt. „Denn die richten jährlich Schäden in Millionenhöhe an“, so der MDR. Eine Landtagsanfrage zu dem Beitrag lief – wie zu erwarten – ins Leere.

„Der MDR-Artikel ‚Bundespolizei jagt Graffiti-Sprayer mit Wärmebildkameras‘ vom 31. August 2016 befasst sich ausschließlich mit Einsatzmaßnahmen der Bundespolizei. Diese fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Sächsischen Staatsregierung, deshalb können dazu keine Auskünfte gegeben werden“, teilte denn auch Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf die Anfrage der linken Landtagsabgeordneten Juliane Nagel mit. „Der Polizeivollzugsdienst des Freistaates Sachsen führt keine derartigen Einsatzmaßnahmen durch.“

So eine Auskunft hatten wir auch schon von Leipzigs Polizei bekommen. Denn auch über Leipzig kreisen immer wieder Polizeihubschrauber – auch außerhalb der diversen LEGIDA-Demonstrationen. Minutenlang, manchmal auch länger, überfliegen sie immer wieder dieselben Gebiete. Aber die Antwort aus dem Leipziger Polizeipräsidium war eindeutig: „Wir sind das nicht.“

Also haben wir – noch ein bisschen ausführlicher als Juliane Nagel – direkt bei der Bundespolizei angefragt. Immerhin lancieren ja diverse Medien in Leipzig immer wieder wilde Geschichten über Graffiti-Sprayer und ihre „Millionenschäden“. Gerade die neuen S-Bahn-Wagen waren gerade in der Anfangszeit ein Hauptziel nächtlicher Verschönerungen, so dass die Wagen bunt besprüht in den Einsatz gingen und die Deutsche Bahn ein aufwendiges Säuberungsprogramm auflegen musste, was für die Fahrgäste oft genug eben auch bedeutete, dass zu wenige Fahrzeuge im Einsatz waren.

Im Umfeld der LEGIDA-Demonstrationen machten meistens Anschläge auf Signaltechnik der Bahn Ärger. Aber auch die kilometerlangen Schallschutzwände an den neu gebauten Strecken sind ein beliebtes Ziel für nächtliche Sprayaktionen. Um der Täter habhaft zu werden, kooperieren die Mannschaften im Hubschrauber, der mit Wärmebildkameras ausgerüstet ist, mit Einsatzteams auf dem Boden, die direkt zu den (zumeist schon flüchtenden) Tätern geführt werden.

Da wäre natürlich interessant zu erfahren, wie erfolgreich und sinnvoll diese aufwendigen Einsätze sind.

Aber Zahlen bekommen wir auch nicht. Aus gutem Grund, wie Yvonne Manger, Sprecherin der Bundespolizeiinspektion Leipzig, erklärt: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über die Häufigkeit und Zeiträume von Hubschraubereinsätzen aus taktischen Erwägungen keine Stellungnahmen abgeben.“

Trotzdem verrät sie ein wenig zur Taktik, denn der Polizeihubschrauber wird auch von der Bundespolizeiinspektion Leipzig als ein polizeiliches Einsatzmittel betrachtet, „welches dem Polizeiführer nach jeweiliger Lagebeurteilung zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben zur Verfügung steht. D.h. der Hubschrauber kann je nach Einsatzanlass lagebezogen, neben oder anstatt anderer Einsatzmittel, wie uniformierte oder zivile Kfz-Streifen, Diensthunde o.ä. eingesetzt werden. Dazu kann es in den Nachstunden sinnvoll sein, Wärmebildkameras oder Suchscheinwerfer einzusetzen.“

Die Einsatzpalette ist breit, wie wir schon vermuteten. Über Arbeitsmangel kann sich die Hubschrauberbesatzung nicht beklagen: „Innerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Bundespolizeiinspektion Leipzig kam und kommt der Polizeihubschrauber anlassbezogen z.B. im Rahmen von Überwachungsflügen oder aber zu Großereignissen, wie Demonstrationen, Fußballspielen u.s.w. sowie zu Schwerpunkteinsätzen, z.B. anlässlich der von Ihnen erwähnten Bekämpfung von Graffitistraftaten zum Einsatz. Meist dann, wenn große Flächen oder Streckenabschnitte zu überwachen sind.“

Was wir nicht bekommen, ist die Zahl der Einsätze zum Beispiel gegen Graffiti-Sprayer. Aber wenn der Hubschrauber eingesetzt wird, kann die Bundespolizei durchaus manchmal Erfolge verzeichnen, bestätigt Yvonne Manger: „So wurden unter anderem am 10. Oktober 2016 im Bereich des Haltpunktes Gerichshain zwei jugendliche ‚Randalierer‘ unter Einsatz eines Hubschraubers mit Wärmebildtechnik gestellt. Sie hatten am Haltepunkt zwei Bahnhofsuhren und eine Fahrplanvitrine beschädigt sowie ein Feuer unter dieser Vitrine entzündet. In diesem Fall wurde mittels Hubschrauber nach den flüchtigen Tatverdächtigen gefahndet und uniformierte Kräfte am Boden durch die Hubschrauberbesatzung an die Personen herangeführt. Der Zugriff erfolgte auf einem Feld.“

Gerichshain ist eine S-Bahn-Station der Linie S4 Richtung Wurzen, gleich hinter Borsdorf.

Die Meldung der Bundespolizei zu dem Vorfall vom 11. Oktober lautete übrigens so:

„Gegen 01:45 Uhr heute Nacht meldete ein aufmerksamer Anwohner, dass am Haltepunkt Gerichshain Glas zu Bruch gehen würde. Als eine Streife der Bundespolizei wenige Minuten später den Ereignisort erreichte, stellten die Beamten neben zwei beschädigten Bahnhofsuhren ein Feuer unter einer Fahrplanvitrine fest. Die Tatverdächtigen flüchteten in Richtung Gerichshain. Ein in der Nähe befindlicher Hubschrauber der Bundespolizei wurde angefordert und nahm die Verfolgung der Täter auf. Mittels Suchscheinwerfer konnten auf einem Feld zwei Jugendliche gestellt werden. Gegen 03:30Uhr konnten die beiden 15-jährigen Randalierer an ihre Eltern übergeben werden. Diesen werden sie nun erklären müssen, warum sie zwei Bahnhofsuhren und eine Fahrplanvitrine am Haltepunkte zerstört haben.“

Die Landtagsanfrage von Juliane Nagel (Linke). Drs. 6245

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