Die Debatte um das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal bewegt die Gemüter. Jedenfalls zum Teil, geht man nach den neuesten Ergebnissen der Umfrage, die die Stadt dazu initiiert hatte (L-IZ berichtete). Einer, den diese Debatte mit Sicherheit umtreibt, ist Professor Dr. Rainer Eckert.

Er ist der Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig und Stellvertretender Sprecher der Initiative “Tag der friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989”. Im L-IZ-Interview legt er seine Sicht der Dinge dar.

Wie sehen Sie die Debatte aus Sicht der nun vorliegenden Umfrage?

Also ich kannte die Ergebnisse bisher ja auch noch nicht, und ich muss sagen, dass ich im Vorfeld schon ein wenig besorgt war. Auch wenn ich der Überzeugung war, dass eine Mehrheit der Leipziger für dieses Denkmal ist, wenn sie begreifen, dass es eine nationale Angelegenheit ist, die die Stadt kein Geld kosten wird und ihre eigene Leistung gewürdigt wird. Trotzdem war eine leichte Unsicherheit bei mir vorhanden und deshalb bin ich mit dem Ergebnis der Umfrage recht zufrieden, da man angesichts der etwas mehr als 1000 Teilnehmer schon zu einem repräsentativen Querschnitt gekommen ist.

Wie sehen Sie die inhaltliche Ausrichtung der Umfrage?

Interessant ist, dass die Mehrheit der Meinung war, dass das Denkmal ein Zeichen für Zivilcourage, für den 9. Oktober und für die gesamte DDR sein soll. Was ich ein wenig bedauerlich finde, ist, dass relativ wenige den Wert der Freiheit und der Demokratie als positiv erachten.

Worauf führen Sie das zurück?

Das zeigt, dass diese doch relativen abstrakten Werte entweder nicht so wichtig sind oder dass die Menschen der Meinung sind, sie könnten diese formalen freiheitlichen Rechte gar nicht wahrnehmen, da sie zum Beispiel gar nicht die materiellen Möglichkeiten haben, um diese Freiheit voll auszuschöpfen. Ob das nun Reisen in ferne Länder sind oder die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen. Was die Demokratie betrifft, führe ich das auf eine gewisse Politikverdrossenheit zurück, weil viele doch glauben “die da oben machen eh, was sie wollen”.Spiegelt sich da nicht ein Denken wider nach dem Motto “Was nützt mir die Freiheit, wenn ich sie mir nicht leisten kann”?

Da ist was dran. In der klassischen Philosophie wird die Freiheit als ein Wert an sich gepriesen. Das finde ich, greift zu kurz. Nehmen Sie zum Beispiel “freies Reisen”. Das bedeutet für mich, dass ich mich mal in den Flieger setzen kann, um am Wochenende nach Paris zu fliegen. Das geht natürlich nicht, wenn ich Hartz-IV-Empfänger bin und jeden Euro umdrehen muss. Dass von daher eine gewisse Frustration hochkommt, kann ich gut verstehen. Dennoch ist der Wert der Freiheit als solcher davon natürlich unberührt. Das muss aber vermittelt werden.

Apropos Vermittlung. Sind denn nicht gerade dabei Fehler gemacht worden?

Ich finde, dass die ganze Diskussion zu zögerlich und teilweise viel zu spät in die Öffentlichkeit getragen worden ist. Das sind etwa 20 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die diese Erinnerung aufrecht erhalten, vorwiegend aus Ostdeutschland. Wir, von unserer Initiative, haben getan was wir konnten, um das Thema öffentlich zu machen. Das hätte dennoch auf breitere Schultern verteilt werden müssen.

Zum Beispiel?

Ein Beispiel ist für mich die Universität mit ihren mehreren hundert Professoren und Tausenden von Mitarbeitern, die sich überhaupt nicht engagieren. Man sollte doch meinen, dass diese mit der Stadt eng verbundene Institution es fertig bringt, eine Meinung zu äußern, dass Studenten und Professoren sich einbringen. Doch hier herrscht weitestgehend Schweigen. Das ist ein Punkt, an dem noch viel gearbeitet werden muss.

Was glauben Sie denn, woran das liegt? Sind Demokratie und Freiheit des Denkens und Handelns nicht die Grundpfeiler universitärer Philosophie?Eigentlich schon. Es gibt aber an der Uni inzwischen eine starke Mehrheit an Professoren aus Westdeutschland. Die ostdeutschen Professoren sind inzwischen stark in der Minderheit. Bei den westdeutschen Professoren spielt es ohne Frage eine Rolle, ob man diese friedliche Revolution miterlebt hat oder man die von Cambridge oder München aus nur theoretisch reflektiert hat. Die ostdeutschen Professoren, wie gesagt in der Minderheit, haben damals nicht unbedingt auf der Seite der Friedlichen Revolution gestanden und sehen somit auch nicht die Notwendigkeit, sich damit entsprechend auseinanderzusetzen. Hinzu kommt, dass dieses Thema der Friedlichen Revolution für viele Professoren nicht relevant ist, weil es nicht in ihr Karriereschema passt. Da gibt es andere Themen im weltweiten wissenschaftlichen Diskurs, denen man sich eher zuwendet. Das ist eben kein großes Thema, das in angesehenen Fachzeitschriften publiziert und diskutiert wird, so wie jetzt die Revolutionen in der arabischen und nordafrikanischen Welt. Aber vielleicht gelingt da, in diesem Zusammenhang, der Brückenschlag durch die Hintertür quasi.

Wo würden Sie denn das Denkmal und in welcher Form sehen wollen?

Ich bin da immer ein wenig hin- und hergerissen. Ich habe mich ja schon mehrfach öffentlich für den Augustusplatz ausgesprochen. Aber das ist natürlich von der Infrastruktur her mit immensen Schwierigkeiten verbunden. Von der Tiefgarage mal ganz abgesehen, liegen da ja Unmengen an Versorgungsleitungen. Der Umbau würde natürlich viele Kosten zur Folge haben. Dann begänne die ganze Diskussion von vorne. Also kommen wir wieder auf den Leuschner-Platz zurück.

Was wäre dort der Vorteil?

Das mit dem Leuschner-Platz ist ja auch ein geistiges Kind unserer Initiative. Der wäre wirklich von Vorteil, weil er einmal einen Verkehrsknotenpunkt darstellen würde. Straßenbahn, U-Bahn, S-Bahn, alles würde dort halten und als Etappenziel würde überall stehen Freiheits- und Einheitsdenkmal Leuschner-Platz.

Dann könnte es ja auch zu einem Anziehungspunkt für Touristen werden, der Geld in die Stadtkasse spült.

Ich glaube fest daran, dass es zu einem Tourismusfaktor wird. Ich bin da zwar kein Experte, aber alleine die intellektuelle Diskussion verbunden mit der Nikolaikirche, der Runden Ecke, dem Zeitgeschichtlichen Forum würde einen Verbund bilden, der touristisch attraktiv wäre, wo viele sagen würden, das muss ich einmal gesehen haben. Menschen machen auch Reisen, um sich zu informieren und geschichtlich weiterzubilden.

VGWortLIZ

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