Am 9. Juli, als die Initiative "Tag der Friedlichen Revolution - Leipzig 9. Oktober" die konkreten Pläne für das Lichtfest 2012 am 9. Oktober auf dem Augustusplatz vorstellte, gab Oberbürgermeister Burkhard Jung auch bekannt, dass neben ihm nicht Jozsef Czukor, Botschafter Ungarns in Deutschland, auf der Bühne stehen wird, sondern - da untertrieb er ein wenig - Ungarns Kulturminister Zoltán Balog. Wie er da hinkam, darüber gibt es unterschiedliche Versionen.

Auf Rathausfluren hört man die Variante: “Was die Frage des ungarischen Staatsministers angeht, so wurde dieser über den Botschafter vorgeschlagen und eingeladen …”

Burkhard Jung selbst sagte am 9. Juli über den Botschafter: “Doch er ist dem Kulturminister zuliebe beiseite getreten.”

Zoltán Balog ist ein bisschen mehr als nur Ungarns Kulturminister, nämlich Minister für “Human Ressources” (Bildung, Gesundheit, Soziales, Kultur, Sport, Jugend). Und die Aussagen zum Thema kann man natürlich unterschiedlich interpretieren: Der Botschafter wurde eingeladen – und hat seinen Platz an den Minister abgetreten. Was eher ungewöhnlich wäre. Wenn nicht der Minister den Botschafter gebeten hat, ihm den Platz zu überlassen, weil er mit einer offiziellen Einladung aus Leipzig nicht rechnen konnte. Und Leipzig muss jetzt lächeln zu diesem Spiel, bei dem die nationalistische Fidesz-Regierung das Lichtfest nutzt, um sich in einem Glanz zu sonnen, den sich die Ungarn vor 23 Jahren verdient haben.

Wie das genau lief, das will jetzt die Linksfraktion in einer Anfrage im Stadtrat klären.

Man sieht: Das Programm für den 20. September füllt sich.

“Das Schwerpunktthema des diesjährigen Leipziger ‘Lichtfestes’ am 9. Oktober soll in diesem Jahr ‘Ungarn – Grenzen überwinden.’ sein”, heißt es in der Anfrage. “In diesem Rahmen soll auf die Leistung der ungarischen Oppositionsbewegung zurückgeblickt werden, die den Weg hin zur politischen Wende 1989 ebnete. Im Rahmen des Festaktes auf dem Augustusplatz soll neben dem Oberbürgermeister auch der Staatsminister der Republik Ungarn, Zoltán Balog, Grußworte halten. Balog ist Protagonist der nationalkonservativ-völkischen Regierung unter der Fidesz-Partei.”Die Linksfraktion hat gleich mal fünf Fragen formuliert, die sie am 20. September beantwortet haben möchte:

1. Wer hat die Auswahl der offiziellen Gäste für das Lichtfest getroffen und hierbei insbesondere Zoltán Balog ausgewählt? Wurde die Stadt Leipzig bei dieser Auswahl beteiligt?

2. Was prädestiniert Herrn Balog aus Sicht der Stadt Leipzig als Repräsentant einer oppositionellen Demokratisierungsbewegung, am 9.10.2012 in Leipzig zu sprechen?

3. Wie passen das Feiern einer gesellschaftlichen Demokratisierung und die von Balogs Partei Fidesz in den vergangenen zwei Jahren durch Gesetzesänderungen herbeigeführten Einschränkungen der Pressefreiheit (2011 ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten, mit dem eine Medienkontrollbehörde geschaffen wurde, die Beiträge aller Medien auf “politische Ausgewogenheit” kontrolliert und bei Verstoß sanktioniert. Das Gesetz wurde erst nach massiver Kritik durch die EU-Kommission und ein Urteil des Ungarischen Verfassungsgerichtes abgeschwächt.) und der BürgerInnenrechte (u. a. durch eine Einschränkung der Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes, bei dem seit Inkrafttreten der neuen Verfassung zum 1.1.2012 durch Zivilpersonen keine politischen Angelegenheit mehr eingebracht werden dürfen) oder der Veränderung des Wahlrechtes, das große Parteien gegenüber kleinen noch mehr bevorteilt, aus Sicht des OBM zusammen?

4. Wie bringt die Stadt Leipzig die Einladung eines Vertreters einer Regierung, die ethnische Trennungen zwischen ungarischen und Roma-Kindern in Schulen und Gewaltausbrüche faschistischer Milizen gegen Roma duldet, mit ihrem weltoffenen Selbstbild als Teil des Stadtmarketings in Einklang?

5. Wird die Stadt Leipzig Schritte unternehmen, um den Auftritt von Zoltán Balog vor dem Hintergrund der aufgerissenen politischen Situation in Ungarn zu verhindern?

Gegenüber Jozsef Czukor habe Burkhard Jung bei dessen Besuch im Juli seine Bedenken gegenüber den Entwicklungen in Ungarn deutlich gemacht, sagte Jung am 9. Juli. Die Erfahrungen aus der politischen Welt zeigen, dass so etwas in der Regel abperlt wie Regen von einem Regenschirm. Auf die Antworten am 20. September kann man gespannt sein.

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