Eigentlich ist das Jubeljahr "800 Jahre Thomana" ja vorbei. Aber es gibt noch was nachzuliefern. Zwei Bücher hat Prof. Dr. Martin Petzoldt noch nachzuliefern, denn ausgerechnet im großen Jubiläumsjahr war der Autor, ehemalige Uni-Prediger und Thomaskirchenkenner ausgeknockt. Eine schwere Krankheit verhinderte die Fertigstellung zweier Bücher, die das 800-jährige Jubiläum der Thomaskirche nachlesbar machen und bereichern.

Das erste ist eine Nachauflage des 2000 erschienenen Bandes “Thomaskirche Leipzig”, der seinerzeit alles Wissenswerte zur gerade generalsanierten Thomaskirche versammelte, zusammengetragen von einer ganzen Autorengruppe. “Ich hab da ein bisschen mitgeschrieben”, sagt Petzoldt. Aber er war auch Herausgeber dieses Buches, das im Grunde erstmals in der Geschichte der Thomaskirche einen reich bebilderten und vor allem fundierten Gesamtüberblick über die Kirche, ihre Geschichte, ihre Nutzung und ihre Schätze anbot.

Fürs Thomana-Jahr hat Petzoldt den Band überarbeitet und vor allem um alles angereichert, was in den letzten zwölf Jahren rund um die Kirche geschehen ist. Die Thomasgemeinde ist ja nicht in Tiefschlaf verfallen, nachdem das Kirchenhaus nach Jahren des Spendensammelns und Organisierens endlich wieder in Schönheit da stand. In einer neu gewonnenen Schönheit. Denn der Bau ist natürlich auch Zeugnis von immer neuen Umbauten und Stilformen. Man muss sich gewaltig Mühe geben, wenn man sich die Thomaskirche zur Lutherzeit oder zur Bachzeit vorstellen möchte.Das beginnt schon beim Altar. Was jetzt zu bewundern ist im Chorraum, ist der Altar der 1968 gesprengten Pauliner-Kirche. 2014 soll er in die Paulinerkirche zurückkehren. Auch wenn es natürlich keine echte Rückkehr ist. Denn die Paulinerkirche ist ja, in Trümmer verwandelt, in die Etzoldtsche Sandgrube verbracht worden. Der Altar wurde gerettet, wurde ab 1982 aufwändig saniert und steht seit 1993 in der Thomaskirche. Ein Altar in einer ganzen Reihe von Altären.

Deren Geschichte hat Prof. Dr. Martin Petzoldt jetzt in einem eigenen Buch aufgearbeitet. Zumindest von denen, die man kennt. Die Altäre der katholischen Zeit sind nicht mehr nachweisbar. “Wir wissen nur, dass in dieser Zeit allein 16 Altäre abgebrochen wurden”, erzählt der Theologe, der sein Buch “Die Altäre der Thomaskirche zu Leipzig, Taufstein und Kanzeln” freilich mit einem Paukenschlag beginnen kann: dem ältesten erhaltenen Altar der Thomaskirche, einem spätgotischen Passionsaltar aus der Zeit um 1490/1495. Bis 1721 stand er in der Thomaskirche.Und dann verschenkte ihn der seit August 1721 als Superintendent tätige Salomon Deyling an eine neue Kirche in seiner alten Heimatstadt Plauen – die heutige Lutherkirche. Petzoldt zu diesem auch heute noch spendabel anmutenden Vorgang: “Deyling war auch so ein Mann von echt Leipziger Machart – es muss alles immer neu sein. Alles wird komplett weggerissen, um was ganz Neues hinzustellen.” Und 1721, das war Barockzeit in Leipzig. Da wollte auch der Superintendent von Leipzig einen Barockaltar in der Thomaskirche. Der alte wurde als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Die Plauener freuten sich ganz gewiss von Herzen, denn noch heute sieht man, was für ein kostbares Stück ihnen da geschenkt wurde.

Aber es ging Deyling wie manchen seiner Nachfolger. Auch die ließen sich vom Zeitgeist anstecken, kehrten die Kirche aus und bauten sie nach den neuen Vorstellungen um, die gerade im Schwang waren. So dann wieder 1885, in der Zeit, als die Thomaskirche neogotisch umgebaut wurde. Da bekam sie zum Beispiel das üppige Westportal, die großen Buntglasfenster und einen neogotischen Altar. Der dann wieder 1964 in Gefahr geriet, als man die Thomaskirche “ent-neogotisieren” wollte. Alles wieder abbauen, was in der Zeit des Historismus an der Kirche gebaut wurde, zurück zu irgendeinem Vorgängerstil.

Der neogotische Altar hat überlebt. Seit 1964 steht er in der Südkapelle – ist vollkommen intakt. Nur vor zehn Jahren wurde ein Medaillon gestohlen. “Aber das lassen wir gerade nachschnitzen”, sagt Thomaspfarrer Christian Wolff. “Wir können den Altar, wenn wir wollen, von einem Tag auf den anderen wieder aufbauen.”

Die Thomaskirche steht also nicht ohne Altar da, wenn die Universität ihren Paulineraltar wieder aufbaut. Was nicht ganz klar ist. Aber dazu gleich mehr.

Beide Bücher sind in der Evangelischen Verlagsanstalt erschienen. Keine andere Kirche in Leipzig ist derzeit so gut dokumentiert wie die Thomaskirche. Was nicht nur am Jubiläum 2012 liegt, sondern auch an der akribischen Arbeit von Prof. Dr. Martin Petzoldt. Das Buch zu den Altären der Thomaskirche werden wir an dieser Stelle noch etwas ausführlicher besprechen.

Martin Petzoldt (Hrsg.) “Thomaskirche Leipzig”, 2., überarbeitete Auflage, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2012, 29,80 Euro

Martin Petzoldt “Die Altäre der Thomaskirche zu Leipzig, Taufstein und Kanzeln”, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2013, 14,80 Euro

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