Am Dienstag, 30. Juli, vermeldete das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule: "Der Sozialreport 2012" ist fertig. Dieser Report ist so etwas wie das Thermometer der Stadt Leipzig. Er sammelt all die Indikatoren, die zeigen, wie gesund die Stadt ist. Oder wie krank. Er behandelt Altersarmut und Familienfreundlichkeit, Probleme von Menschen mit Behinderung und solchen mit Migrationserfahrung. Und den Spruch kann Sozialbürgermeister Thomas Fabian eigentlich jedes Jahr wiederholen: "Es gibt noch viel zu tun."

Seit nunmehr acht Jahren präsentiert der von Bürgermeister Thomas Fabian vorgelegte Sozialreport ausgewählte Daten zu Lebenslagen der Leipziger Bevölkerung sowie zu kommunalen Leistungen der Stadt im Bereich der Sozialpolitik. Mit seinem jährlich aktualisierten Datenmaterial hilft er, kommunale Entwicklungsverläufe und sozialen Handlungsbedarf zu erkennen und liefert Impulse für die sozialpolitische Diskussion.

Die Daten des Sozialreports 2012 beziehen sich auf das Jahr 2011. In diesem Jahr zeigte sich natürlich auch: Leipzig wandelt sich. Leipzig verjüngt sich weiter. 2011 gab es noch mehr Geburten und der Zuzug junger Menschen erhöhte sich weiter. Damit wird die Altersstruktur der Leipziger Bevölkerung etwas ausgeglichener. Der Anteil der Menschen, die von Leistungen der sozialen Mindestsicherung leben, ging weiter zurück. 2011 wurde der niedrigste Stand seit 2006 gemessen, wie auch die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2001.

Auch die Armutsgefährdungsquote hat sich nicht wieder erhöht.

Die Pressemitteilung ist diesmal recht umfangreich geraten. Der ganze Report mit seinen 160 Seiten ist im Internet abrufbar. Viele Zahlen stammen aus der “Bürgerumfrage”. Auch die zum Einkommen der Leipziger, das tatsächlich seit zwei Jahren in einem leichten Aufwind ist. Was noch nicht bedeuten würde, dass die Armutsgefährdung sinkt. Was etwas anderes ist als Armut. Das betont auch Sozialbürgermeister Thomas Fabian oft. Man kann sich auch mit weniger Geld reich fühlen, wenn man trotzdem an Bildung, gesellschaftlichem Leben, Familie und Kultur teil hat. Armut ist ein recht diffuser Maßstab für das, was der Mensch braucht, um glücklich zu sein.

Wobei er beim Geld recht konkret wird. Und etliche Studien haben belegt, dass eine Art Sättigungsschwelle ungefähr bei 60.000 Euro Jahreseinkommen liegt. Da hat man in Deutschland alles, was man wirklich braucht. Da fehlt nur noch das, was man wirklich nicht braucht.

Was natürlich all die Eiertänze um die Gehälter Leipziger Kommunalmanager nicht erklärt. Aber in dieser Liga ist es wahrscheinlich wirklich peinlich, wenn man nicht genauso viel Schmott bekommt wie der Kollege in München oder Ludwigsburg. Es gibt Regionen, da wird Geld wirklich peinlich.
Und stimmt die Aussage mit der Armutsgefährdung?

Nein, sie stimmt nur zum Teil. Wenn man dabei nicht vergisst, dass die Armutsgefährdungsquote in Leipzig bis 2009 immerfort gestiegen ist. Und zwar nicht nur im bundesdeutschen Vergleich, wo das Vergleichsniveau natürlich deutlich höher liegt. In dieser Liga waren auch 2011 in Leipzig 25 Prozent der Einwohner armutsgefährdet, hatten also ein Einkommen unterhalb von 60 Prozent des bundesdeutschen Einkommensniveaus. Was schon eine leichte Entspannung war. Der Spitzenwert lag 2009 bei 27,2 Prozent.

Aber auch am sächsischen Einkommensniveau gemessen (das selbst schon deutlich unterm Bundesniveau liegt), hatten 2011 noch 17,4 Prozent der Leipziger eine Armutsgefährdung (Spitzenwert 2009: 20,7 Prozent). In der Regel zitieren Politiker aber gern den lokalen Vergleich. Das lässt die Leipziger Zahlen noch einmal etwas besser aussehen, weil das Leipziger Einkommensniveau auch noch einmal um etliche Euro unterm sächsischen Durchschnitt liegt.

16 Prozent der Leipziger mussten 2011 mit weniger als 60 Prozent des Leipziger Nettoäquivalenzeinkommen auskommen, waren also – auf diesem Niveau gemessen – armutsgefährdet. Schon an der Stelle blieb der Wunsch der Vater des Gedankens: 2010 lag diese prozentuale Anteil bei 15,9 Prozent. Tatsächlich ist die Leipziger Armutsgefährdung 2011 also sogar leicht gestiegen. War also ungefähr da, wo sie 2006 auch schon lag. Zwischendurch war sie sogar auf diesem Niveau auf 19,1 Prozent gestiegen (2009).

Und noch etwas kommt hinzu: Das Nettoäquivalenzeinkommen der Leipziger ist 2011 im Schnitt sogar leicht gesunken – von 1.148 Euro im Jahr 2010 auf 1.141 Euro. Die Messlatte lag also sogar tiefer. Was darauf hindeutet, dass die unteren Einkommen insgesamt etwas zugelegt haben – dafür aber ein paar mehr Menschen in diese untere Einkommensgruppe hinuntergerutscht sind.

Das ist alles nach wie vor prekär, auch wenn einige Leipziger in den vergangenen zwei Jahren vor allem über Niedriglohnjobs immerhin wieder Zugang zu einem eigenen Erwerbseinkommen gefunden haben. Es ist ein zäher Prozess, der auch die Stadt nicht wirklich spürbar von den Soziallasten, die sie schultern muss, entlastet. Denn das bisschen, was sie mit Druck und Sanktionen im Jobcenter noch einspart, geht an anderer Stelle in steigenden Etats wieder drauf – allen voran der Etat für die Kinderbetreuung. Wenn wir ein paar breitschultrige Bürgermeister hätten, die sich mal was trauen, hätte schon der ein oder andere gesagt, was für Windbeutel die Herren und Damen in Berlin und Dresden tatsächlich sind. Sie schmücken sich genauso gern mit den Federn für eine bessere Kinderbetreuung und den gewaltigen Geldsummen, die sie dafür bereitstellen. Nur in den Kommunen, die das Geld wirklich dringend gebraucht hätten, kommt das Geld nur zu Teilen an. Leipzig gehört dazu.

Und eine jährliche Unterfinanzierung von 25 bis 35 Millionen Euro, das ist eine Menge Holz. Das verdaut ein eh schon schmalbrüstiger Haushalt auf Dauer nicht wirklich.

Aber Bürgermeister Thomas Fabian freut sich wenigstens über das Positive daran: “Der Geburtenzuwachs ist wunderschön für Leipzig. Es erfordert viel Kraft, um die entsprechenden Leistungen für Eltern und ihre Kinder zeitnah bereitzustellen: beim Elterngeld, bei der Kindertagesbetreuung, bei den Schulbauten, bei der Erziehungsberatung und -unterstützung. Gleichzeitig tun wir derzeit viel für die zunehmend älter werdenden Menschen in unserer Stadt, wie zum Beispiel die neue Einrichtung von Seniorenbüros. Und: generationsübergreifende Angebote werden immer wichtiger.”

Womit man beim nächsten Posten ist, der am Leipziger Haushalt zu nagen beginnt: der Altersarmut.

Mehr zu diesem Thema morgen an dieser Stelle.

Die “Sozialreports” der Stadt Leipzig findet man hier:
www.leipzig.de/de/buerger/aemterhome/jugendamt/publik/Sozialreport-der-Stadt-Leipzig-19926.shtml

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