Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am heutigen Montag, 25. November, mahnt der Spitzenverband der Sächsischen Frauenverbände und -initiativen ein entschlossenes staatliches Handeln gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen an. "Dieser Kriminalitätsbereich hat die höchste Dunkelziffer und die Hilfelandschaft in Sachsen gleicht einem Flickenteppich", so Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, Vorsitzende des sächsischen Landesfrauenrats.

Insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt fordern alle Akteurinnen von Frauen- bis Wohlfahrtsverbänden einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Hilfe, damit sich Land und Kommunen nicht aus der Verantwortung ziehen und Frauen besser und unbürokratischer geholfen werden kann.

In den Landkreisen Nordsachsen und Erzgebirgskreis wird jeweils kein einziges Frauenschutzhaus vorgehalten. Selbst in den Landkreisen mit solchen Einrichtungen sind die Wege zu den Häusern weit und ihre Finanzierung oft prekär. “Gerade im ländlichen Raum bedeutet eine Unterversorgung, dass Frauen länger in Gewaltbeziehungen verbleiben, weil für sie zu weite Wege zu ihrem Arbeitsplatz oder den Betreuungseinrichtungen und Schulen der Kinder entstehen”, so Schneider-Böttcher: “Die Statistiken zeigen, dass bereits die Anzeigenbereitschaft für häusliche Gewalt sinkt, wenn es an Hilfsangeboten mangelt. Ein Teufelskreis: Hohe Dunkelziffern bestärken dann kommunale Verantwortliche in der fehlerhaften Annahme, das Problem sei nicht sehr groß.”

Weltweit ist Gewalt gegen Frauen und Kinder die häufigste Form von Gewalt. Auch in Deutschland hat jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren mindestens einmal Gewalt in ihrer Beziehung erlebt – unabhängig von Alter, Bildung und Herkunft. Da die Frauenhausfinanzierung eine freiwillige Leistung ist, ist sie bei schwierigen Haushaltslagen stets von Kürzungen bedroht. Eine bundesweit einheitliche Regelung existiert bisher nicht.Seit 1981 rufen die UN am 25. November den Internationalen Tag zur Beseitigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen auf. Weltweit finden Aktionen und Veranstaltungen statt und fordern staatliches und gesellschaftliches Engagement zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Kinder. In Deutschland betreuen Frauenschutzhäuser jedes Jahr 15.000 Frauen, die häuslicher Gewalt entfliehen, dabei wird ebenfalls 17.000 Kindern der Betroffenen Zuflucht gewährt.

“Dass wir einmal im Jahr Gewalt und Sexismus gegenüber Frauen in das öffentliche Bewusstsein rücken, hilft bei der gesellschaftlichen Sensibilisierung. Wichtiger ist es jedoch, an 365 Tagen im Jahr Beratung, Schutz und Hilfe für bedrohte Frauen zu sichern. Die von der Polizei erfasste häusliche Gewalt in Sachsen ist in den letzten 10 Jahren um das Fünffache gestiegen. Die Opfer sind meistens Frauen. Die Zahlen machen deutlich, wie notwendig wirksame Hilfsangebote für Frauen im Freistaat sind”, sagt Claudia Maicher, die Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen. “Gewaltbedrohte Frauen benötigen persönliche Hilfe nicht nur per Telefon oder Internet. Frauenschutzhäuser, Interventionsstellen und Beratung vor Ort sind Voraussetzungen, damit Opfern zeitnah und sicher geholfen werden kann. Bedarfsgerechte Schutz- und Beratungsangebote für betroffene Frauen und Kinder müssen endlich staatliche Pflichtaufgabe werden.”

“Solange Hilfsangebote zu den freiwilligen Aufgaben der Kommunen gehören, ist ihre Finanzierung nicht dauerhaft gesichert. Die Folgen sind in Sachsen sichtbar. Personalabbau oder Schließung der Frauenhäuser und Beratungsstellen schadet Hilfe suchenden Frauen und ihren Kindern. Frauenschutz braucht sichere Finanzierung. Der Schutz vor Gewalt darf nicht vom Wohnort abhängen”, ist Maicher überzeugt.Für eine stabile finanzielle Absicherung der Hilfsangebote sprechen sich auch die Sprecherin für Gleichstellung und feministische Politik des Landesvorstandes der Partei Die Linke Sachsen, Claudia Jobst, und die gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Heiderose Gläß, aus. “Der Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenschutzhäuser, Fachberatungs- und Interventionsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder unterstreicht nachdrücklich die Notwendigkeit der Sicherung und des Ausbaus dieser Angebote und die Installierung eines Rechtsanspruches der Opfer auf Hilfe und Unterstützung. Hierzu muss die Sächsische Staatsregierung aktiv werden. Schon lange ist eine bundeseinheitliche Finanzierung dieser Angebote ein Gebot der Stunde”, erklären sie. “Wenn des Weiteren festgestellt wird, dass auch in Sachsen die Personal- und Sachkostenausstattung der Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen unzureichend ist, darf nicht nur der jetzige Stand gehalten werden. Die seit 2007 unveränderten Fördersätze müssen deutlich erhöht werden und für die mit betroffenen Kinder und Jugendliche ist ein eigenständiger Hilfebedarf festzuschreiben. Nur so lässt sich die angemessene psychologische Betreuung der Frauen und Kinder sichern. Gewaltschutz ist eine Pflichtaufgabe und muss auch entsprechend finanziell abgesichert sein!”

Claudia Maicher wird sich am Montag am Auftakt der Aktion “Gewalt kommt mir nicht in die Tüte” in Leipzig beteiligen. Ab 15:30 Uhr verteilen der Verein “Frauen für Frauen” zusammen mit Claudia Maicher, der Grünen-Stadtratsfraktionsvorsitzenden Katharina Krefft sowie Vertreterinnen der Leipziger Stadtratsfraktionen am Richard-Wagner-Platz gefüllte Brötchentüten, die auf das Problem der häuslichen Gewalt aufmerksam machen.

Statistik der Polizei zu häuslicher Gewalt in Sachsen: www.polizei.sachsen.de/de/3602.htm

Aktion “Gewalt kommt mir nicht in die Tüte”: www.broetchentuete.de

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