Bislang waren es im Leipziger Stadtrat vor allem die Linksfraktion und die Grünen, die immer wieder Kritik an der Wettbewerbsdurchführung für das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal übten. Doch am Donnerstag, 6. März, schwenkte auch SPD-Fraktionschef Axel Dyck um. Die am 25. Februar veröffentlichte Entscheidung des Sächsischen Oberlandesgerichts zeigte zu deutlich, wie sehr das Wettbewerbsverfahren aus dem Ruder gelaufen war.

Ist dieser Wettbewerb so noch zu retten? – Linke-Kreisvorsitzender Dr. Volker Külow sieht die Chance nur in einem Neuanfang. Bestätigt sieht er sich nicht nur durch den am 28. Februar veröffentlichten Offenen Brief namhafter Unterzeichner aus ganz Deutschland, sondern auch durch einen Offenen Brief, den der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgeber direkt an OBM Burkhard Jung (SPD) richtete. Der plädierte sogar für eine Verschiebung des Denkmalbaus bis 2089.

Aber von Neustart redete ja auch irgendwie Kulturbürgermeister Michael Faber (Die Linke), als er zu erklären versuchte, wie es nun weitergehen soll im Verfahren. Irgendwie weitermachen, wo man 2013 angekommen war? Den Wettbewerb irgendwie “reparieren”?

Volker Külow: “Für völlig verfehlt halten wir aber die diesbezüglich geäußerten Vorstellungen für einen ‘Neustart’. Dieser ‘Neustart’ kann nicht in einem geänderten Wettbewerbsverfahren oder anderen kosmetischen Korrekturen am bisherigen Verfahrensablauf bestehen. Wenn man die Denkmal-Posse wirklich beenden und das Denkmalsprojekt glaubwürdig retten will, muss endlich die Leipziger Bevölkerung entsprechend des Slogans von 1989 ‘Wir sind das Volk’ demokratisch einbezogen werden”, greift er die Forderung der Linken aus der Frühphase des Wettbewerbs wieder auf.Deshalb hat sich Die Linke seit dem Jahre 2009 wiederholt mit eigenen Anträgen im Stadtrat für ein Bürgerbegehren zum Denkmal ausgesprochen. “Angesichts der sich im scharfen Gegensatz zum Denkmal-Anliegen immer weiter vertiefenden Polarisierung der Leipziger Bürgerschaft ruft die Linksfraktion bekanntlich erneut im Stadtrat auf, die geschlossene Anti-Denkmal-Koalition aufzubrechen und sich im Jubiläumsjahr auf einem breiten politischen Konsens der Forderung nach einem Bürgerbegehren zu öffnen”, meint er. Aber eine solche Abstimmung – wie sie ursprünglich parallel zur OBM-Wahl im Januar 2013 stattfinden sollte, liefe auf eine klares Ja oder Nein hinaus: “Sind Sie dafür, dass in der Stadt Leipzig ein aus Bundes- und Landesmitteln finanziertes Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet wird?”

“Diese Haltung entspricht dem demokratischen Geist von 1989”, meint Külow. “Der Weg für ein demokratisch verfasstes Bürgerdenkmal “Wir sind das Volk” könnte damit auf parlamentarischem Weg ganz einfach geebnet werden. Um dieser Initiative im Stadtrat aber auch eine gewisse außerparlamentarische Durchschlagskraft zu verleihen und bei einer etwaigen Ablehnung eine basisdemokratische Alternative zu haben, wird die 1. Tagung des 4. Stadtparteitages am 22. März 2014 über einen seit heute vorliegenden Antrag abstimmen, entsprechend § 25 Sächsische Gemeindeordnung die Durchführung eines Bürgerentscheids auf der Grundlage eines vorherigen schriftlichen Bürgerbegehrens durchzuführen. Wenn rechtzeitig die geforderten ca. 26.000 Unterschriften vorliegen, kann der Bürgerentscheid am Tag der Landtagswahlen am 31. August 2014 durchgeführt werden.”

Also dann statt einer Grundsteinlegung ein Bürgerentscheid.

Aber warum das? Aus Külows Sicht auch, weil die Kommunikation der Stadtspitze in dieser Frage versagt hat.

“Zunächst mangelt es Burkhard Jung am Verständnis der historischen Ereignisse von 1989 in Leipzig, was er auch anderweitig deutlich artikuliert. Hinsichtlich des Denkmals aber unterliegt er der fatalen Fehleinschätzung, dieses Vorhaben seinem Leipzig auf obrigkeitliche Art verordnen zu können”, meint Külow. “Er verkennt, dass es sich nicht um ein belangloses Wettbewerbs-Verfahren handelt, sondern um die demokratische Mitbestimmung des politisch engagierten Leipzigers, kurz um die Akzeptanz von ‘Wir sind das Volk’. Letzteres scheint Jung eher fremd zu sein. Er betreibt das Denkmal-Projekt als eine Art Privatangelegenheit, in die sich niemand einzumischen habe, einschließlich der eigenen Genossen. Desillusioniert spricht Gunter Weißgerber von ‘technokratisch’ und von ‘Denkmal-Ausquartieren’. Es ist jedoch weitaus dramatischer: Jung ist mit seiner autoritären Verfahrensweise dabei – und hier trifft Gunter Weißgerber den Nagel auf den Kopf – die Denkmalsidee so zu diskreditieren, dass das Projekt Gefahr läuft, sang- und klanglos beerdigt zu werden.”

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