Es ist ein unscheinbarer Aushang in einem noch unauffälligeren Schaukasten, aber im Auftrag dahinter steckt die Chance für jeden Geschichtsstudenten selbst lokale Grundlagenforschung zu betreiben. Zeitreise in die jüdische Geschichte zweier aktueller Boom-Stadtteile in Leipzig inklusive.

In der Schleußiger Holbeinstraße prangen Firmenschilder an nahezu jeder Hauswand, blankpolierte wie angestaubte zugleich. Spaziergängern fallen sie nach dem dritten Weg entlang der Straße kaum noch auf. Nur wer zu viel Zeit hat, oder ein detailfixiertes Auge, mag sich in der Eile auf bestimmte Informationen fokussieren und dabei möglicherweise auch einen Aushang in einem der vielen Schaukästen entdecken. Einen wie diesen: “Wir suchen eine Studentin/einen Studenten oder eine Bachelorkandidatin/einen Bachelorkandidaten zur Erstellung einer Studien-/Bachelorarbeit zum Forschungsthema: ?Jüdisches Leben in Schleußig bis 1933′. Die Arbeit und Stelle sind flexibel gestaltbar.”

Ein erforschenswertes Thema, aber der Aushang wirft mindestens zwei Fragen auf: Warum sind genau die beiden Stadtteile von Interesse und wieso steckt ausgerechnet eine Rechtsanwaltskanzlei dahinter? “2015 feiern wir 1.000 Jahre Leipzig und genau deswegen haben wir uns das Ziel gesetzt, das jüdische Leben in den beiden Stadtteilen erforschen zu lassen”, erklärt Prof. Dr. Martin Maslaton von der suchenden Kanzlei. “Wir” sind dabei aber nicht seine Kollegen, sondern die Leipziger Ephraim-Carlebach-Stiftung, deren Aufgabe die Erforschung des jüdischen Lebens in unserer Stadt ist.

Maslaton ist Vorsitzender der 1992 gegründeten Stiftung und hat darüber hinaus selbst Geschichte studiert. “Schleußig und Plagwitz sind zwei der wenigen Stadtteile über deren jüdisches Leben bis 1933 nahezu überhaupt nichts bekannt ist”, bedauert er. Die ehemaligen Arbeiterviertel haben eher industriegeschichtliche Forschungen herausgefordert. 1.000 Jahre Leipzig und 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel seien deshalb ein guter Rahmen, um diese schwarzen Flecke zu erhellen und das auch nicht zum Nulltarif. “Diese Arbeit ist ideal für jemanden, der sowieso seine Abschlussarbeit schreibt und nebenher noch ein bisschen Geld verdienen will. Ob Frau oder Mann ist bei uns egal.”

Geplant ist, dass die Arbeit in der jüdischen Woche 2015 vorgestellt wird und vielleicht findet sich dann ja auch ein Verleger… “Die Arbeit ist auf jeden Fall eine gute Einstiegsmöglichkeit.” Nun muss sich nur noch ein Interessent finden.

www.carlebach-stiftung-leipzig.de
www.maslaton.de/kanzlei/personen/martin-maslaton

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