Es ist einiges schief gelaufen im Wettbewerb um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal. Und es hat fast alles mit den Akteuren zu tun, die das Denkmal unbedingt jetzt und in einer von ihnen gewünschten Form haben wollten. Obwohl viele Leipziger finden, es gäbe mit der Nikolaikirche längst ein unersetzliches Denkmal. Eines, das dann auch noch extra an den Herbst '89 erinnert, würde gar nicht gebraucht. Aber vielleicht wäre 2039 ein guter Zeitpunkt, findet die Wählervereinigung Leipzig.

Ihr Stadtrat Bert Sander hat jetzt einen Antrag eingereicht, der am 16. April im Stadtrat auf die Tagesordnung soll: “Der Wettbewerb zum Freiheits- und Einheitsdenkmal wird abgebrochen und die Einweihung auf den 50. Jahrestag der Friedlichen Revolution verschoben.”

Was nur die eine Hälfte des Anliegens ist, die andere ist so formuliert: “Der Platz der Friedlichen Revolution (Wilhelm-Leuschner-Platz) wird für eine städtebauliche Entwicklung freigegeben.”

Denn unübersehbar ist – und das jüngste Kolloquium zum Wilhelm-Leuschner-Platz hat es bestätigt: Viel drängender als der Bau eines Denkmals an dieser Stelle ist die Schließung einer nun 70 Jahre alten städtebaulichen Lücke.Denkmale haben Zeit. Erst recht, wenn sie der Bevölkerung wirklich wichtig sind. Man muss sie nicht überstürzen. Aber Städte wie Leipzig haben keine Zeit. Gerade wenn sie wachsen und sich entwickeln. Die Brache rund um den Wilhelm-Leuschner-Platz schreit geradezu nach neuer Gestaltung und Bebauung. Und möglicherweise auch nach Abriss, auch wenn die Stadt mit aller Macht versucht, den Problembau “Bowlingtreff” nun der Stadtgemeinde als neues Naturkundemuseum schmackhaft zu machen. Doch mit seiner Deplatzierung im Stadtraum sorgt auch der ehemalige “Bowlingtreff” dafür, dass sich am Wilhelm-Leuschner-Platz nichts bewegt.

Zur Verschiebung des Denkmalprojekts erklärt Bert Sander: “Ziel war es, zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu schaffen. Denkmale von nationalem Rang kann man nicht aus dem Boden stampfen, sie brauchen Zeit. Der Philosoph Hegel schreibt: ‘Die Eule der Minerva beginnt ihren Flug erst mit einbrechender Dämmerung’, heißt, erst dann, wenn eine historische Gestalt alt geworden ist, kann man sie tatsächlich erkennen.”

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Für ihn steht fest: “Die zahlreichen Diskussionen über Platz, Größe, Gestaltung etc. verdecken nur den eigentlichen Grund des Scheiterns: Die Zeit für ein derartiges Denkmal ist noch nicht reif. Mit den ‘spontan’ nach der Wende entstandenen Denkmalen wie Nikolaisäule bzw. indirekt der Nikolaikirchhof wird den Ereignissen von 1989 würdig gedacht.”

Und wann fliegt nun die Eule der Minerva? – “Der 50. Jahrestag wäre ein Zeitpunkt, zu dem – und zwar mit gebührendem Abstand zu den Ereignissen – sowohl Zeitzeugen wie aber auch die Nachwendegenerationen eine würdige Form des Gedenkens entwickeln können”, meint Sander.

Bis dahin kann sich vielleicht sogar schon herauskristallisieren, was für ein Denkmal sich die Leipziger eigentlich wünschen. Und die kleine Wahrheit am Rand ist auch: Es muss auch gar kein teures sein. Wenn es nur das richtige ist.

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